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Strobl: „Wir betreten bundesweit Neuland“
Stuttgart. Noch bevor der Gesetzentwurf am Donnerstag in erster Lesung im Landtag debattiert wurde, übten die Hilfsorganisationen Kritik an diesem – vor allem an einem Passus zur Finanzierung neuer Rettungswachen. Nicht nur das Deutsche Rote Kreuz (DRK), auch andere Hilfsorganisationen äußerten die Sorge, dass das Land zwar mit dem neuen Rettungsdienstgesetz mehr Qualität erreichen will – jedoch zum Nulltarif.
Da das neue Gesetz die bislang klare Definition der Infrastruktur-Förderung durch das Land beende, entstünden ihnen unkalkulierbare Risiken. Die Finanzierung der Infrastruktur erfolgt bislang aus der Kostenübernahme durch das Land (Förderung), die Hilfsorganisationen (Eigenanteil) und die Krankenkassen (nicht geförderte, aber notwendige Kosten). Mit der neuen Formulierung werde aber aus der Finanzierungspflicht des Landes eine Kann-Vorschrift, sagt Klaus Weber, Regionalgeschäftsführer Baden-Württemberg beim Malteser Hilfsdienst.
Bei der Förderung des Rettungswachenbaus soll das Land „höchstens 90 Prozent“ der förderfähigen Kosten übernehmen und der Eigenanteil der Leistungsträger „mindestens zehn Prozent“ betragen. Die Hilfsorganisationen tragen zu den Grundstückskosten schon heute einen Eigenanteil von zehn Prozent bei. „Diesen Kraftakt müssen wir aus Spenden und Eigenleistungen erbringen“, sagt Tobias Siffringer, Fachbereichsleiter Rettungsdienst bei der Johanniter Unfallhilfe.
Verkürzte Planungszeit macht mehr Wachen und Fahrzeuge nötig
Durch das Absenken der Planungsfrist – wie die bisherige Hilfsfrist künftig bezeichnet wird – auf zwölf Minuten wird der Ausbau der Infrastruktur notwendig. „Wenn das Land der Finanzierungspflicht beim Bau von Rettungswachen nicht mehr nachkommt“, werden Hilfsorganisationen die Finanzierungslücke nicht kompensieren können, so Leonard vom Hammerstein vom DRK Baden.
Für die SPD sagte Klaus Ranger in der Landtagsdebatte, dass das Land keine Vorgaben aufstellen dürfe, die mit den bereitgestellten Mitteln nicht erreicht werden könnten. Schon jetzt gebe es eine Finanzierungslücke. Er kritisierte die Formulierung von maximal 90 Prozent Förderung. Noch schlimmer sei, dass der Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend sei. Steigen die Baukosten, dann blieben die Leistungsträger auf den Mehrkosten sitzen. Das Gesetz sei an vielen Stellen gut gemeint, aber nicht gut gemacht, so Ranger. Gerade mit Blick auf die Finanzierung gebe es bei der SPD noch viele offene Fragen.
FDP beklagt „überaus unsichere Förderkulisse“
Auch die FDP sieht die größte Unsicherheit „in der nun überaus unsicheren Förderkulisse“, so Nico Weinmann. In der Planungs- und Finanzierungsphase monetär auf sich allein gestellt, müssen die Verantwortlichen nun damit rechnen, an den steigenden Material- und Handwerkerkosten zu scheitern. Die FDP werde versuchen, „den Entwurf im parlamentarischen Verfahren vom Kopf auf die Füße zu stellen“, kündigte Weinmann in der Debatte an.
„Es muss alles versucht werden, den Rettungsdienst personell auf einem Stand zu halten, der die Planungsfristen einhalten kann“, so Hans-Jürgen Goßner (AfD). „Hier vermissen wir ein ergänzendes Konzept der Landesregierung zur Sicherung der Personalstärke im Rettungsdienst, auch wenn für die Personalplanung die Träger primär zuständig sind.“
CDU signalisiert Bereitschaft, Passus der Finanzierung zu präzisieren
Die Regierungsfraktionen lobten den Entwurf. Man schaffe das modernste Rettungsdienstgesetz Deutschlands, so Matthias Miller. Er signalisierte für die CDU die Bereitschaft, den Passus der Finanzierung zu präzisieren. Als erstes Bundesland nehme man nun auch die „Golden Hour“ in den Blick, sagte Andrea Schwarz (Grüne). Nun spiele die Zeit eine Rolle, in der der Patient in der Klinik ist.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte, dass sich das Land keinesfalls aus der Finanzierung von Rettungswachen herausziehen werde. Man betrete Neuland und wolle das System mit der Selbstverwaltung neu ausrichten. Er betonte die Vorteile, so schaffe man nun etwa die Grundlage für den Einsatz von Telenotärzten und schaffe Rechtssicherheit für Notfallsanitäter etwa bei der Medikamentengabe. Zudem ist eine Experimentierklausel vorgesehen.
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