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Justizministerkonferenz

Strafmündigkeit: Antrag zu Altersgrenze abgelehnt

Am Mittwoch und Donnerstag tagten die Justizminister der Länder in Hannover. Auf Antrag Baden-Württembergs ging es bei der Frühjahrskonferenz um das Absenken des Alters für die Strafmündigkeit. Dieser wurde abgelehnt. Außerdem stand die Weiterentwicklung des Personalbedarfsberechnungssystem „PEBB§Y“ auf der Tagesordnung.

Justizministerin Marion Gentges setzt sich dafür ein, dass die Altersgrenze für die Strafmündigkeit angepasst wird. Derzeit müssen sich Kinder, wenn sie Straftaten begehen, erst ab 14 Jahren verantworten.

dpa/Michael Kappeler)

Hannover/Stuttgart. Als Innenminister Thomas Strobl (CDU) Anfang April die Polizeiliche Kriminalstatistik vorstellte, zeigte er sich besorgt über den Anstieg der Kinderkriminalität. Die Zahl der Tatverdächtigen unter 14 Jahren stieg demnach zwischen 2014 und 2023 um über 40 Prozent an. Schon im April sprach sich Strobl daher dafür aus, sich mit dem Absenken der Altersgrenze für die Strafmündigkeit zu beschäftigen. Die wurde 1923 festgesetzt. „Es könnte doch sein, dass ein 14-Jähriger heute ein anderer ist als ein 14-Jähriger damals. Da hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel verändert.“ Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) findet es richtig, die Regelung zu überprüfen.

Gentges ist enttäuscht über die Ablehnung ihres Antrags

Bei der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Hannover hat sich Baden-Württemberg daher mit einem Antrag dafür eingesetzt, sich mit Fragen zur Herabsetzung der Strafmündigkeitsgrenze zu befassen. Eben weil, wie es auch aus dem Justizministerium heißt, die Kinderkriminalität 2023 in Baden-Württemberg mit 10 610 Tatverdächtigen einen Zehn-Jahres-Höchststand erreicht hat.

Doch wie das Ministerium auf Anfrage mitteilte, fand der Antrag, eine Studie zum aktuellen Stand der entwicklungspsychologischen und kriminologischen Forschung in Auftrag zu geben, keine Mehrheit. Und dies, obwohl immer wieder erschütternde Fälle bekannt würden. „Wir brauchen eine wissenschaftliche Grundlage, um zu bewerten, welchen Entwicklungsgrad Unter-14-Jährige heute haben“, sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU). „Kinder und Jugendliche heute stehen vielleicht anders da als vor hundert Jahren. Ich bedaure, dass diese wichtige Debatte blockiert wird.“

Niedersachsens Justizministerin spricht sich gegen Studie aus

Grüne, SPD und Linke lehnten es bereits ab, eine wissenschaftliche Studie zum Entwicklungsgrad von Unter-14-Jährigen einzuholen, so Gentges. „Gleichzeitig kommt von der Ampelkoalition im Bund die Forderung, das Wahlalter bei allen Wahlen zu senken. Mit 16 Jahren wählen zu dürfen, aber sich zwei bis drei Jahre zuvor noch nicht einmal für eigene Straftaten verantworten zu müssen, das passt nicht zusammen.“

Schon vor der Sitzung sprach sich Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD), die derzeit auch den Vorsitz der Justizministerkonferenz innehat, gegen eine Absenkung des Alters bei der Strafmündigkeit aus. Sie warnte davor, „von Einzeltaten, die schlimm sind, zu einer generellen Regelung zu kommen“. Sie habe „nicht den Eindruck, dass Jugendliche heute früher reif werden als früher“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Daher sehe sie keinen Grund, die bisherige Regelung zu ändern. Auch für ein Gutachten zur sogenannten Einsichtsfähigkeit bei Kindern sehe sie derzeit keine Notwendigkeit.

Personalberechnungssystem soll weiterentwickelt werden

Auch ging es um die Weiterentwicklung des Personalberechnungssystems, der PEBB§Y-Vollerhebung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften 2027. „PEBB§Y hat den Personalbedarf in der Justiz sichtbar gemacht und geholfen, die Justiz besser auszustatten. Nach gut zehn Jahren ist es an der Zeit, es zu aktualisieren“, sagte Gentges. Die Neuerhebung für die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften solle 2027 durchgeführt werden, wenn die E-Akte überall etabliert sei.

Die Justizminister haben sich dafür ausgesprochen, dass es zur Aktualisierung von „PEBB§Y“ in regelmäßigen Abständen eine vollständige Neuerhebung geben soll. Die Konferenz beauftragte die Kommission der Landesjustizverwaltungen für Fragen der Personalbedarfsberechnung, die Validität durch eine empirische Vollerhebung zu gewährleisten und stimmte dem Beschlussvorschlag aus Baden-Württemberg zu.

Länder wollen Rufe nach Errichtung eines Kalifats unter Strafe stellen

Weiteres Thema der Frühjahrskonferenz war der Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Angriffen von Verfassungsfeinden. Außerdem wurde über die Wehrhaftigkeit des Rechtsstaats debattiert sowie – auf Antrag Baden-Württembergs und Bayerns – die Amnestie zum Cannabis-Gesetz.

Auch setzte sich Baden-Württemberg als Mitantragsteller mit Bayern dafür ein, öffentliche Rufe nach Errichtung eines Kalifats in Deutschland unter Strafe zu stellen, für Fälle, in denen Extremisten dazu aufrufen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu missachten. Es wurde beschlossen, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zu bitten, gesetzgeberische Handlungsmöglichkeiten zu prüfen, etwa durch Ergänzung des materiellen Strafrechts.

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95. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister

Die Justizministerkonferenz (JuMiKo) dient der Koordination und Abstimmung der justiz- und rechtspolitischen Vorhaben der Länder. Der Vorsitz wechselt jährlich. Derzeit hat Niedersachsen den Vorsitz inne, daher fand die 95. Konferenz am Mittwoch und Donnerstag in Hannover statt. Die Beschlüsse der JuMiKo haben keinen Rechtsetzungscharakter. Von ihnen können aber Impulse für die rechtspolitische Entwicklung ausgehen.

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