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Der Städtetag schreibt einen Brandbrief an Schopper
Stuttgart. Für die Kommunalen Landesverbände ist an den Verpflichtungen der grün-schwarzen Regierungskoalition nicht zu rütteln. Denn wenn sich das Land nicht in der Lage gesehen hätte, die Verwirklichung des Rechtsanspruchs angemessen zu finanzieren, „hätte es sich 2021 gegen die Verankerung des Rechtsanspruchs im Bundesrecht wenden müssen“, schreibt Ralf Broß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags, in einem eindringlichen Brief an Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne).
Broß: Die Finanzierung wurde den Kommunen überlassen
Der frühere Rottweiler Oberbürgermeister will Bewegung in die festgefahrenen Gespräche bringen und verweist auf die im Vergleich zu anderen Bundesländern andere Ausgangslage: „Die baden-württembergischen Kommunen haben zudem weitaus größeren Investitionsbedarf, weil sich die Politik hierzulande lange Zeit weit weniger für schulische Ganztagsangebote engagiert hat als die Politik in anderen Ländern.“
Realisierung und Finanzierung solcher Angebote seien vielmehr weitgehend den Städten und Gemeinden überlassen worden, „die allerdings nur Betreuungsangebote einrichten konnten, keine Ganztagsschulen“. Broß erinnert an die veränderte Lage nach dem Machtwechsel zu Grün-Rot im Jahr 2011. Mit einer Änderung des Schulgesetzes 2014 sei der Ganztag eingeführt worden.
Im – ganz offensichtlich – gut geführten Archiv des Staatstags fand sich auch noch die Pressemitteilung des damaligen Kultusministers Andreas Stoch (SPD), in der die veranschlagten Summe festgehalten sind. Die Landesregierung gehe davon aus, so Stoch damals, „dass sich bis 2023 rund 70 Prozent der Grundschulen und Grundstufen der Förderschulen an dem Programm beteiligen“. Dafür werde je nach Anträgen mit Kosten bis zu rund 158 Millionen Euro (147 Millionen für Grundschulen und 10,6 Millionen für die Grundstufen an Förderschulen) gerechnet.
Nur 30 Prozent der Grundschulen sind Ganztagsschulen
„Dieses Ausbauziel wurde allerdings krass verfehlt und dies aus nicht von den Kommunen zu verantworten Gründen“, heißt es in dem Brief des Städtetags an Schopper weiter. Denn nur etwa 30 Prozent der baden-württembergischen Grundschulen seien Ganztagsschulen. Deshalb habe das Land die einkalkulierten bis zu 158 Millionen Euro pro Jahr „auch nicht annähernd aufwenden müssen“. Und da sich die grün-schwarze Landesregierung 2021 eben nicht gegen die Einführung des Rechtsanspruchs gewandt habe, sei sie „nun verpflichtet, die Kommunen bei der Realisierung dieses umfassenden Anspruchs angemessen zu unterstützen“.
Summen nennt Broß keine, aber er verlangt eine schrittweise Unterstützung bis zum Endausbau des Rechtsanspruchs für alle rund 485 000 Grundschulkinder bis 2029/2030. Die Landesförderung müsse sich am Eingang an den für die Bundesförderung eingegangenen Anträgen orientieren. In früheren Rechnungen war der Städtetag von einer rund dreifachen Überzeichnung der von der Ampelkoalition in Berlin zur Verfügung gestellten 386 Millionen Euro ausgegangen.
Der Landkreistag fordert eine verlässliche Planungsgrundlage
Wie beim Städtetag sind auch beim Gemeindetag zahlreiche Rückmeldungen eingetroffen, seit vor gut einer Woche bekannt wurde, dass das Kultusministerium per Losverfahren über die Reihenfolge bei der Bearbeitung der vorliegenden Anträge entscheidet. Diese Rückmeldungen seien geprägt von Unverständnis und Fassungslosigkeit.
„Das Land steht in der Verantwortung, das herbeigeführte Dilemma aufzulösen und Anspruch und verfügbare Mittel in Einklang zu bringen“, verlangt der Erste Beigeordnete Patrick Holl. Weiterhin vorstellbar ist für Präsident Steffen Jäger, dass die Gemeinden in Vorleistung treten: „Das tun sie dann, wenn es eine verbindliche Aussage gibt, dass das jetzt fehlende Geld in den nächsten Jahren zur Verfügung gestellt wird.“
Auch Alexis von Komorowski, der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, verlangt anzuerkennen, wie weit „Wunsch und Wirklichkeit“ auseinander liegen – „nicht nur wegen der unzureichenden Finanzierungsgrundlagen, sondern auch bezogen auf die bekanntermaßen fehlenden Personalressourcen in Schule und Betreuung“. Dennoch, so von Komorowski weiter, sei der Rechtsanspruch mit Zustimmung von Baden-Württemberg auf den Weg gebracht, deshalb liege es jetzt am Land, mit einem eigenen finanziell auskömmlich ausgestatteten Programm Abhilfe zu schaffen, „das den Kommunen verlässliche Planungen ermöglicht, und das auf Losverfahren verzichtet“.
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