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Ganztagsschule

Sonderweg des Landes bei Ganztagsschule birgt laut Experten Gefahren

Der Städtetag sieht die Verwirklichung des Projekts Ganztagsschule „akut gefährdet“. Bei einer Tagung der FDP-Fraktion im Landtag wird sogar diskutiert, ob das Land mit den vom Bund in Aussicht gestellten Mitteln rechnen kann, schreibt unsere Autorin Johanna Henkel-Waidhofer.

Hausaufgabenbetreuung ist ein wichtiger Bestandteil der Kinderbetreuung im Rahmen von Ganztagsgrundschulen.

IMAGO/Ulrich von Born)

Stuttgart. Thomas Rauschenbach kann auf viel Erfahrung als Erziehungswissenschaftler zurückblicken, an den Unis in Tübingen und Dortmund, in der Bertelsmann-Stiftung, als Direktor des Deutschen Jugendinstituts. Im voll besetzten Plenarsaal weist er auf einen zentralen Punkt hin, um seine Skepsis zu unterstreichen: Bis zum für 2026 geplanten Einstieg in den Rechtsanspruch auf einen Platz in den ersten Klassen von Ganztagsgrundschulen lauerten etliche Hürden und eine besonders hohe: Der Bund könnte der im baden-württembergischen Schulgesetz festgeschriebenen Art der Ausgestaltung die Mitfinanzierung verweigern.

Betreuungsanspruch sorgt für Streit zwischen Land und Kommunen

„Ich kann Sie nur anflehen“, appelliert Rauschenbach an die Fachleute und Bildungspolitiker, „dieses Thema noch einmal neu anzugehen.“

Das von Theresa Schopper (Grüne) geleitete Kultusministerium hält dagegen. „Von solchen Problemen ist uns nichts bekannt“, heißt es. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend trage die baden-württembergische Variante mit. Die Freigabe hänge jetzt am Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dessen Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) verlangt seit Monaten, neben der Quantität auch auf Qualität der Angebote zu achten.

Seit fast einem Jahr liegt die mit allen 16 Ländern unterzeichnete Investitionsvereinbarung vor, wonach der Bund bis Ende 2027 fast drei Milliarden in diesen Ausbau stecken wird. Auch die im Südwesten vorgesehenen Modelle fallen unter die Vereinbarung, jedenfalls nach gewärtigem Informationsstand in Stuttgart.

Schoppers Vorgängerin hat die Verhandlungen mit dem Bund geführt

Unstrittig ist, dass Baden-Württemberg einen Sonderweg geht. Schoppers Vorgängerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte ausgehandelt, dass an acht Stunden und allen fünf Werktagen „der Anspruch auf Betreuung“ besteht. Auf der Habenseite seiner Zwischenbilanz sieht der Städtetag, „dass für Betreuungsangebote in den Schulen weiterhin keine Fachkräfte erforderlich sein werden, die es dafür auch nicht gäbe“.

Weiterhin könnten statt der Grundschulen ab dem Schuljahr 2025/2026 die jeweiligen Städte und Gemeinden entscheiden, neue Ganztagsgrundschulen einzurichten. „Auf der Sollseite liegen allerdings die deutlich größeren Brocken“, gesteht Ralf Broß ein, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg. Und: „Die Ganztagsgrundschule wird nicht zum Selbstläufer, auch weil Eltern weit überwiegend flexible Betreuung bevorzugen.“

Die Schulträger fordern mehr Geld und mehr Verlässlichkeit

Bei der FDP-Tagung beklagten Lehrkräfte und Erzieherinnen, es werde zu wenig Werbung für die Vorteile des Ganztags gemacht. In Arbeitsgruppen wurde diskutiert, dass mehr Geld benötigt werde und vor allem mehr Verlässlichkeit für die Schulträger. FDP-Bildungsexperte Timm Kern warnte vor einer „Zwangsganztagsschule“, Rauschenbach wiederum davor, in der Betreuung der Kinder ohne Fachkräfte vor allem aufs Ehrenamt zu setzen. Niemand könne ernsthaft glauben, die Probleme seien mit Menschen im Ehrenamt zu lösen. Er bewege sich in ganz Deutschland, „diese Diskussion begegnet mir aber nur in Baden-Württemberg“.

Kommunen haben laut Städtetag viele Kooperationspartner eingebunden

Broß hingegen verweist für den Städtetag auf die vielen Vereine, Musik- und Kunstschulen und andere Partner der Kommunen, die sich vor Ort einbringen wollen. Der Städtetag habe den Rahmen für verlässliche Kooperationen abgestimmt und baue nun darauf, dass auch das Land seinen Teil erfüllen werde. „Die Kommunen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten“, sagt Broß, „doch eine Gesamtschau des Leistbaren sowie eine angemessene finanzielle Unterstützung von Bund und Land sind unerlässlich, um den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder erfolgreich zu realisieren.“ Nach seiner Prognose werden mehr als 450 000 Kinder „am Ende über diesen in seiner Dimension beispiellosen Anspruch verfügen“.

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