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Andreas Schwarz: „Die größten Einschnitte bringt doch die Klimakrise mit sich“
Staatsanzeiger: „Sie sind ein begeisterter Rennradfahrer. Welchen Berggipfel wollen Sie in den Sommerferien erklimmen?
Andreas Schwarz: Ich habe vor, über den Albulapass, den Berninapass und den Ofenpass Richtung Italien zu fahren. Ich hoffe, dass mir das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht und ich eine ausreichend gute Kondition habe. Aber ich freue mich darauf. Das ist immer ein gutes Training, man ist in der Natur und kommt auch mal auf andere Gedanken.
Wir sind jetzt in der dritten Legislaturperiode unter grüner Führung in Baden-Württemberg. Warum kommt man beim Klimaschutz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien, Ihren Kernthemen, nicht so recht voran?
Wir sind dabei, die Steine, die noch im Weg liegen, beiseite zu räumen. Wir haben inzwischen die Trendwende eingeleitet: 400 Windkraftanlagen befinden sich im Genehmigungsverfahren oder kurz davor oder im Antragsverfahren. Das ist eine stolze Zahl. Damit sind wir auf dem richtigen Weg. Inzwischen gibt es Landratsämter, die Windkraftanlagen innerhalb von einem halben Jahr genehmigen.
Ein Erfolg der Taskforce?
Ich glaube, dass es richtig war, dass wir auf die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren gesetzt haben. Und für mich ist es ein Ansporn, Bürokratie abzubauen – auch in anderen Bereichen. Die Bürokratie erinnert mich manchmal an einen Brombeerstrauch: Der wuchert immer weiter, wenn man ihn nicht pflegt und mal richtig zurechtstutzt. Wir wollen das Leben für die Menschen einfacher und praktikabler machen. Deswegen muss man überprüfen, ob Vorschriften noch sinnvoll sind und wo man schneller vorgehen kann.
Die erneuerbaren Energien sind ein Bereich, um Treibhausgase einzusparen. Im vergangenen Jahr wurde der Treibhausgasausstoß im Land gerade mal um 0,4 Prozent reduziert. Seit 1990 waren es rund 18 Millionen Tonnen. Bis 2030 will man im Land weitere 40 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Können wir das überhaupt noch schaffen?
Das ist ein ambitioniertes Ziel. Aber wir sind in einer Klimakrise. Das zeigt allein schon dieser Sommer mit acht Wochen Trockenheit, acht Wochen Hitze und Waldbränden in Südeuropa, vor kurzem nun Unwetter in Reutlingen und nun steht halb Slowenien unter Wasser. Dieser Klimakrise müssen gegensteuern, indem wir unsere CO2-Emissionen reduzieren, auf Energieeffizienz setzen, erneuerbare Energien ausbauen und neue, klimafreundliche Technologien fördern und marktfähig machen.
Das klingt gut, aber wird das nicht auch massive Einschnitte bedeuten?
Die größten Einschnitte bringt doch die Klimakrise mit sich. Da müssen wir uns schon Gedanken darübermachen, wie wir dem begegnen. Nehmen wir mal die Emissionen beim Fliegen – die sind ja gewaltig. Ich bin durchaus dafür, Kerosin europaweit und international entsprechend zu besteuern. Auch das Fliegen muss die ökologische Wirklichkeit abbilden.
Bei der letzten Umfrage im Land hat die CDU mehr Zuspruch bekommen als Ihre Partei. Macht Ihnen das Sorgen?
So eine Umfrage ist immer eine Momentaufnahme. Baden-Württemberg folgt hier einem bundesweiten Trend. Aber klar, ich habe das Ziel, dass wir Grünen bei der nächsten Landtagswahl erneut die stärkste Kraft werden, dass wir wieder den überwiegenden Teil der Wahlkreise für uns gewinnen und dass wir weiterhin die Landtagspräsidentin und den Ministerpräsidenten stellen.
Die AfD liegt in Umfragen bei 19 Prozent in Baden-Württemberg. Was muss die Politik aus Ihrer Sicht dagegen tun?
Auf der einen Seite müssen wir unsere Politik erläutern, mit den Menschen ins Gespräch kommen, zuhören, und Bedenken und Fragen, die da sind, aufnehmen. Und wir müssen die Prozesse, die immer komplexer werden, erklären. Auf der anderen Seite muss man klar und offen kommunizieren: Die AfD betreibt eine menschenverachtende Politik, jede ihrer Reden ist voller Hass und Hetze. Die Politik der AfD – gegen die Europäische Union und gegen die Einwanderung von ausländischen Fachkräften – ist darauf ausgelegt, den Wohlstand in Baden-Württemberg und in Deutschland zu gefährden.
Das Thema G8/G9 treibt viele Menschen um. Die CDU hatte das achtjährige Gymnasium eingeführt, geht aber zunehmend auf Abstand dazu. Sind die Grünen nun die letzten, die noch an G8 festhalten?
Wir gehen nun in einen Beteiligungsprozess mit Expertinnen und Experten sowie Bürgerinnen und Bürgern. Denn eine so weitreichende Veränderung wie ein Wechsel von G8 auf G9 muss sorgfältig abgewogen werden.
Eigentlich hat man den Eindruck, dass alle Argumente bei dem Thema längst ausgetauscht sind.
Mit Blick auf die Auswirkungen stellen sich eine Reihe von Fragen: Wie sollte das weitere Schuljahr am Gymnasium aussehen? Ändern sich Übergangszahlen von der Grundschule aufs Gymnasium? Welche Auswirkungen hat das auf die anderen Schularten? Was macht es mit der Schulinfrastruktur? Und die Kernfrage: Woher bekommen wir die zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrer? Wie und wo sollen Räume an den Gymnasien entstehen? Ich sage ganz offen: Wir müssen im Bildungsbereich nicht nur das Wichtige tun, wie uns um das Gymnasium kümmern. Wir müssen das Dringende zuerst machen.
Und das ist?
Das Dringende, was jetzt getan werden muss, ist: Dass wir uns um die Grundschulen kümmern, vor allem um die Kernkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen. Wir wollen, dass alle Kinder gute Bildungschancen haben, und der Grundstein dafür wird in der Grundschule gelegt. Deswegen wird meine Fraktion im Herbst den Fokus auf die Stärkung der Grundschulen legen. Unabhängig davon werden wir die Ergebnisse zu G8/G9 nach Ende der Beteiligungsphase auswerten.
Hat man nicht aus anderen Bundesländern schon Erfahrungen zum Umstieg von G8 auf G9?
Nahezu alle Bundesländer sind wieder auf G9 zurückgegangen. International ist das aber nicht so. Und gerade Pisa-Champions wie Kanada und Finnland haben eine kürzere Gymnasialzeit. Eigentlich müssten wir uns an denen orientieren, die in den Schulvergleichsstudien vorne landen.
Wie schwer fällt es Ihnen denn, trotz der ganzen Enthüllungen in der Polizeiaffäre weiter zu Innenminister Thomas Strobl zu stehen?
Innenminister Strobl geht mit dem Fünf-Punkte-Plan die richtigen Punkte an: Das Amt des Inspekteurs der Polizei wird abgeschafft; es wird eine moderne Führungs- und Beförderungskultur in der Landespolizei etabliert; die Dienstvereinbarung gegen sexualisierte Gewalt wird auf alle Polizeidienststellen ausgerollt; und es gibt eine unabhängige externe Vertrauensanwältin, an die sich Polizistinnen und Polizisten wenden können. Denn sexuelle Belästigung, egal wo, dulden wir nicht. Und wir werden etwas dagegen tun. Die Maßnahmen, die der Innenminister vorgestellt hat, sind mit uns abgestimmt und sind teilweise auch von uns in die Diskussion gebracht worden.
Müssen weitere Konsequenzen gezogen werden?
Der Untersuchungsausschuss wird die Beförderungspraxis noch in Augenschein nehmen. Da kann ich jetzt nichts vorwegnehmen, da ich noch keine Ergebnisse kenne.
Sie werden immer wieder als ein potenzieller Nachfolger von Winfried Kretschmann genannt. Nervt Sie das?
Ich kann damit gut umgehen.
Das Gespräch führt Stefanie Schlüter.
Fünf Fraktionschefs – fünf Sommerinterviews
Die parlamentarische Sommerpause bietet die Gelegenheit, innezuhalten in diesen politisch unruhigen Zeiten. Der Staatsanzeiger will von den Fraktionsvorsitzenden wissen, wie sie die Landes- und Bundespolitik beurteilen. Wohin soll die Reise gehen? Diese Fragen haben wir nicht nur den Politikern, sondern – bekanntlich sind Sommerferien – auch den Menschen dahinter gestellt. Und viele unterschiedliche Antworten bekommen. Nächste Woche folgt Anton Baron (AfD).