Serie Lieblingsorte, Teil 3: Anton Baron (AfD)

Immer freundlich lächeln, damit die Brandmauer fällt

In Öhringen und Hohenlohe hat Anton Baron sein Ziel, die AfD bei Teilen der politischen Konkurrenz hoffähig zu machen, schon erreicht. Sein nächstes Ziel ist es, die Brandmauer im Land einzureißen. Dabei geht er auch auf Abstand zu Björn Höcke.

Anton Baron auf der Freitreppe, die das Hohenloher Schloss mit dem Hofgarten verbindet. In Öhringen ist der AfD-Landtagsfraktionschef nicht nur zu Hause, er gehört hier auch dem Gemeinderat an.

Achim Zweygarth)

Öhringen. „ Darf ich mal ein Foto machen?“ Kaum sitzt Anton Baron bei einer Tasse Kaffee auf dem malerischen Öhringer Marktplatz, ist er auch schon von Fans umringt. Da ist die ältere Dame mit dem weißem Fahrradhelm, die wissen will, ob der AfD-Politiker auf seinem Handy Telegram installiert hat. Dann könne sie ihm einen Link weiterleiten. Es gehe um die „ungeschminkte Wahrheit“. Und ob er einen Bruder habe, der Autos verkauft, wo früher der Schotterplatz war. Ja, bestätigt Anton Baron. Im Übrigen, fährt die Dame fort, habe sie Jahrzehnte lang gearbeitet und bekomme eine mickrige Rente. „Das ist der Dank!“ Und ob er schon davon gehört habe, dass bei Passau ein Gelände freigeräumt werde, in das alle eingesperrt werden sollen, die sich nicht gegen die Vogelgrippe impfen lassen? Da widerspricht Baron.

Dann tritt eine andere Dame hinzu, ein paar Jahre jünger. Sie habe früher der FDP angehört. Inzwischen nehme sie als interessierte Bürgerin an Gemeinderatssitzungen teil. „Meine Fragen sind manchmal nicht erwünscht“, raunt sie. Und lobt Baron. „Ich finde schön, wie Sie sich einbringen. Sie werden immer abgetan; das finde ich nicht gut.“

„Ich zeige mich“, ist seine Devise, sogar bei Demos gegen Rechts

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Da sitzt er also und wird gegrüßt und grüßt zurück – so anders als im Landtag, dem Anton Baron seit 2016 für die AfD angehört, seit anderthalb Jahren als Fraktionsvorsitzender. Im Parlament hält die Brandmauer noch, während sie im Kreistag in Künzel᠆sau und im Gemeinderat von Öhringen kein Thema sei. Beweis gefällig? Er sei gerade erst im Kreistag mit 28 von 43 Stimmen zum dritten Stellvertreter von Landrat Ian Schölzel (parteilos) gewählt wurde. Dabei stelle die AfD nur sieben Kreisräte.

„Ich zeige mich“, sei seine Devise. Und dass eine Kernaufgabe der Politik darin bestehe, hinzuhören. Sogar, wenn es nicht die eigenen Leute sind, die protestieren. Er sei auch bei den Demonstrationen gegen Rechts gewesen, um zu erfahren, was die Bürger umtreibt. Solche Kontakte dienten auch dazu, das „Schreckgespenst“, das die AfD nach wie vor für viele sei, zu verscheuchen.

Dabei trägt der 36-jährige Wirtschaftsingenieur ein breites Lächeln im Gesicht, das ihm selbst dann nicht entgleitet, wenn kritische Fragen kommen. Etwa nach Björn Höcke, dem Gründer des offiziell aufgelösten „Flügels“. Baron geht vorsichtig auf Abstand zum Thüringer AfD-Spitzenkandidaten. „Wenn man sich in ein politisches Minenfeld begibt, dann darf nichts Zweideutiges dabei rauskommen“, sagt Baron. „Das darf nicht passieren und vor allem nicht als Geschichtslehrer.“ Im Übrigen sei ihm Höcke „eigentlich nur durch gute bildungspolitische Äußerungen aufgefallen“, relativiert er. Er habe „nichts erkennen können, was auf einen rechtsextremistischen Hintergrund hindeutet“.

Und was ist mit dem „Denkmal der Schande“, das sich kein anderes Volk in seine Hauptstadt stellen würde? Da sei Höcke missverstanden worden. Nicht das Holocaust-Denkmal sei für Höcke das Problem, sondern dessen Lage im Zentrum Berlins. „Mich stört es persönlich nicht, es gehört zu unserer Geschichte“, ergänzt Baron.

Ähnlich vorsichtig distanziert er sich vom AfD-Co-Landeschef Emil Sänze, den er im Wettstreit um den Fraktionsvorsitz schlug. „Ich benutze da andere Worte“, antwortet Baron auf die Frage, was ihn von Sänze unterscheide. Vielleicht sei auch sein Politikstil ein anderer. Sänze hatte Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) wiederholt wegen ihrer Herkunft angegriffen – Aras ist kurdische Alevitin und kam als Jugendliche aus der Türkei –, was viele Beobachter als rassistisch werteten.

Was Baron da sagt, erinnert an Markus Frohnmaier, den anderen Co-Landesvorsitzenden, der vor einigen Jahren noch extremistisch unterwegs war und sich inzwischen gemäßigt gibt. Ist Anton Baron ein Wolf im Schafspelz? Oder wirklich nur ein strammer Konservativer, einer, der Positionen vertritt, die einst in der CDU mehrheitsfähig waren?

Der Verfassungsschutz jedenfalls sieht die AfD äußerst kritisch. Die Behörde hat den Landesverband 2022 vom rechtsextremistischen Prüffall zum Verdachtsfall hochgestuft. Ein Eilantrag der AfD dagegen scheiterte. Daraufhin hat die Partei Rechtsmittel eingelegt. In seinem Bericht 2023 geht der Verfassungsschutz von 620 Extremisten im Südwesten aus – eine Zahl, die Baron in Zweifel zieht. Derzeit hat die Landespartei laut Co-Chef Sänze 6100 Mitglieder.

Als Baron vor einem Jahr die Landräte aufforderte, Flüchtlinge zurück zu den Regierungspräsidien zu schicken, wenn sie sie selbst nicht unterbringen könnten, ging das selbst Frohnmaier zu weit. Andererseits spricht sich Baron für eine qualifizierte Zuwanderung nach dem kanadischen Modell aus, das auch außerhalb der AfD seine Anhänger hat. Und auch die Annahme, dass die derzeitig Zuwanderung Deutschland überfordere, dürften viele Menschen teilen. Ähnlich sieht es mit der Kritik an der Energiepolitik der Ampel aus. Seiner Ansicht hätten die Atomkraftwerke nicht abgeschaltet werden dürfen. Die Ampel zäume bei der Energiewende das Pferd von hinten auf.

Zur Nazi-Zeit sagt er, dass „man das jetzt einmal ruhen lassen“ solle

Baron hat sich während der Pandemie impfen lassen, was ihn von vielen seiner Wähler und Parteifreunde unterscheidet, die teilweise bis heute Verschwörungstheorien anhängen. Allerdings ließ er sich damals nicht impfen, weil er fürchtete, krank zu werden – er hatte sich gerade erst angesteckt –, sondern weil er den Nachweis für eine Urlaubsreise brauchte. „Das zeigt die ganze Absurdität dieser Diskussion“, sagt er – und dürfte mit solchen Sätzen nicht nur die Querdenkerszene, sondern auch manch anderen Bürger erreichen.

Manchmal hat man dagegen den Eindruck, dass Baron sich in bestimmte Debatten nicht hineinversetzen kann oder will, etwa die Frage, ob das Land der Täter eine besondere Verantwortung hat, wenn es darum geht, politisch Verfolgten Asyl zu geben. Da sagt er dann Sätze wie „die Zeit heilt alle Wunden“. Und dass „man das jetzt einmal ruhen lassen“ solle, zumal Deutschland nach dem Krieg „sehr viel Positives zu der Welt beigetragen“ habe. „Wir alle haben nichts mehr mit dieser Zeit zu tun“ und er sehe niemanden, der sich die Nazi-Zeit zurückwünsche. Und dass über das Asylrecht gesprochen werden müsse, insbesondere über die Frage, ob jedem Flüchtling eine Klagerecht zustehen soll.

Vielleicht hat das damit zu tun, dass sein Vater Russlanddeutscher ist und seine Mutter Russin. Anton Baron wurde 1987 in Dschambul in Kasachstan geboren. Aufgewachsen ist er im Kochertal, wo die Eltern immer noch leben. Vor sechs Jahren zog er nach Öhringen, weil es dort nicht nur einen malerischen Marktplatz, ein altes Schloss und einen wunderschönen Hofgarten gibt, sondern auch einen guten Bahnanschluss. Sozusagen Lieblingsort und Drehkreuz in einem. Nur dass es mit dem Drehkreuz nicht so geklappt hat.

Denn die gute Verbindung nach Stuttgart existiert nur auf dem Papier. Die Züge sind chronisch verspätet, die Anschlüsse warten nur selten. Zum Glück gibt es aber noch die Autobahn, über die man, wenn alles frei ist, in einer Stunde Stuttgart erreicht – aus der einstigen Residenz der Hohenloher in die einstige Residenz der Württemberger, aus der Provinz in die Großstadt, in der man Baron immer häufiger sieht, weil er als Fraktionschef stärker gefordert ist, selbst wenn die politische Konkurrenz versucht, die AfD, auf Abstand zu halten. Das führe „doch nur zu immer mehr Politikverdrossenheit“, warnt Baron.

Öhringen hat mit dem Marktplatz, der Stiftskirche, dem Schloss, dem Hofgarten und dem Hoftheater etwas Puppenstubenhaftes und man wundert sich, dass nicht mehr Touristen zu sehen sind. Die Hohenloher errichteten viele Schlösser, jenes in Öhringen entstand 1611 bis 1616 als Witwensitz. Später diente es einer der zahlreichen Adelslinien als Residenz. An diesem Tag sitzen Schüler auf dem Rasen und grüßen den Abgeordneten freundlich.

Der Hofgarten sei nicht nur schön und historisch, sondern auch familienfreundlich, erläutert Baron die Wahl seines Lieblingsorts. Der AfD seien die Familien sehr wichtig, die weniger Steuern zahlen sollen, dafür die Kinderlosen mehr – auch im Hinblick auf eine Verjüngung der Gesellschaft. Denn dafür brauche man keine Zuwanderung.

Eine gute Gelegenheit, den AfD-Mann zu fragen, wie der „Abschiebekalender“ gemeint ist, den die Fraktion Anfang des Jahres verteilte und der zwölf Passagierflugzeuge zeigt mit Angaben darüber, wie viele Flüchtlinge pro Flug abgeschoben werden und mit welcher Geschwindigkeit sie in ihre Herkunftsländer reisen könnten. „Klar, manche finden ihn geschmacklos“, antwortet er auf die Frage, ob man nicht zu weit gegangen sei. Doch man habe Zehntausende von Anfragen gehabt, „bei vielen ist der Humor doch angekommen“.

Noch mehr Resonanz erzielt die Partei, wenn sie auf TikTok geht. Auch Anton Baron versucht sich dort, allerdings mit weit weniger Erfolg als sein Fraktionskollege Miguel Klauß. Der erreicht auch schon mal eine Viertelmillion Klicks mit einem frauenfeindlichen Video. Und im Landtag ist er der Star, der Autogramme geben muss, wenn die Schülergruppen kommen. Man muss also nicht einmal lächeln, um beliebt zu sein. Einfache, gerne auch fremdenfeindliche Botschaften genügen. Und da fragt man sich schon, ob Baron so genau weiß, neben wem er da lächelt.

Lieblingsorte der Politiker

Sommerinterviews mit den fünf Fraktionsvorsitzenden im Landtag haben beim Staatsanzeiger schon Tradition. Dieses Jahr probieren wir eine Variante aus: Wir treffen die Politiker auf heimischem Terrain – an ihrem Lieblingsort. Wie sprechen über Politik, wollen aber auch wissen, was sie mit diesem Stück Erde verbindet. Diese Woche besuchen wir Anton Baron (AfD) in Öhringen. Wir haben ihn auch gefragt, wohin es in den Ferien geht. Die Barons und ihre sechs Monate alte Tochter fahren in den Schwarzwald. In einer Woche treffen wir Andreas Stoch (SPD) in Giengen/Brenz.

Anton Baron (rechts) im Gespräch mit Staatsanzeiger-Redakteur Michael Schwarz. Foto: Achim Zweygarth

Sommerinterviews

Der Staatsanzeiger will von allen fünf Fraktionsvorsitzenden wissen, wie sie die Landes- und die Bundespolitik beurteilen. Lesen Sie alle Sommerinterviews!

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