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Serie Lieblingsorte, Teil 5: Manuel Hagel

Hier hat der mögliche Spitzenkandidat Manuel Hagel seine Wurzeln

Mitten im Wald bei Ehingen an der Donau steht eine kleine Kapelle. Sie ist eng mit der Biografie von Manuel Hagel verbunden. Mit dem CDU-Landes- und Fraktionschef dorthin zu reisen, gewährt einen privaten Einblick in das Leben des neuen starken Mannes der CDU. Und zeigt, wie tief verwurzelt er in seiner oberschwäbischen Heimat ist.

Bei dem Besuch der Schönstattkapelle Stoffelberg ist es Tradition, die Glocke zu läuten. Das weiß auch Manuel Hagel, der hier oft als Kind mit seinen Großeltern war.

Achim Zweygarth)

Ehingen/Donau. Wer die kleine Stoffelbergkapelle im Wald bei Ehingen im Alb-Donau-Kreis besucht, muss eine uralte Tradition erfüllen: Am der Seite des kleinen Gotteshäuschens ist ein metallener Seilzug. Wer zwei oder drei Mal kräftig daran zieht, löst ein helles Glockenläuten aus. „Wer nicht geläutet hat, war nicht drin“, lautet ein altes Sprichwort, das eine 82-jährige Radfahrerin hier mitten in einer wunderbaren Lichtung erzählt.

Nun steht an diesem Seilzug Manuel Hagel (36), der sich anschickt, in zwei Jahren der mächtigste Mann in Baden-Württemberg zu werden, der im Landtag die Geschickte der CDU-Fraktion und die der Landespartei führt, im Koalitionsausschuss von Grün-Schwarz neben dem Ministerpräsidenten der wichtigste Akteur ist. Und der als Sprecher aller Unions-Fraktionschefs in den Bundesländern in ganz Deutschland vernetzt ist.

Doch hier, auf dieser von Kiefern gesäumten Freistelle im Wald, nur wenige 100 Meter von Ehingen entfernt, kann man einen ganz anderen Manuel Hagel sehen. Er plaudert mit den Passanten, die sich als die ehemaligen Wirte des Gasthauses „Adler“ im Nachbarort herausstellen. „Sie sind doch der Hagel?“, fragt die ältere Dame. Und schon spricht man über die Enkel, den lokalen Weltmarktführer Liebherr aus Ehingen und Gott und die Welt.

Der Traumberuf in der Jugend war eigentlich Förster

Der 36-Jährige spricht das heimische Idiom, nimmt sich Zeit und hört zu. Hagel hat sich diesen Ort, an dem er als Kind mit seinen Großeltern oft war, bewusst ausgesucht. „Hier zeigt sich beides: Die Verbundenheit zur Natur und zu meinem Glauben.“

Beide Elemente haben den jungen Manuel Hagel geprägt. Aufgewachsen in einer Familie, die seit Generationen am Ort lebt, Theologen hervorgebracht hat und stark mit der Landwirtschaft verbunden ist. „Ich wollte eigentlich immer Förster werden“, sagt Hagel, „das war mein Traumberuf.“ Doch weil es Tradition war in der Familie, dass man erst eine Ausbildung macht, wurde es dann doch eine Banklehre.

Und so begann eine rasante Karriere, in der Manuel Hagel immer der jüngste war. Nach einem BWL-Studium an der Frankfurt School of Finance and Management wurde er jüngster Filialdirektor der Sparkasse. „Meine Familie war immer bei der Genossenschaftsbank, aber ich wollte nicht, dass alle sagten: Der isch nur wegen dem Opa hier“, sagt Hagel und schmunzelt.

Ein lokaler Streit um einen Kunstrasenplatz brachte Hagel zur Politik

Gleichzeitig griff er nach der politischen Macht. Zunächst begann es ganz harmlos mit dem lokalen Streit um einen Kunstrasenplatz in Ehingen. Das hat den jungen Manuel Hagel politisiert. „Ich war von Fußball begeistert, aber mit wenig Talent“, sagt er über sich. Aber für einen Kunstrasenplatz für die Jugend zu kämpfen, das hat ihn angezündet. Schließlich wurde er 2009 Gemeinderat, übernahm – natürlich als Jüngster – den CDU-Fraktionsvorsitz in Ehingen. Was bei einer absoluten Mehrheit machtpolitisch die Nummer 2 nach dem Oberbürgermeister bedeutete. Als jüngster Landtagskandidat zog er schließlich 2016 ins Stuttgarter Parlament ein.

So ging es weiter: Hagel wurde jüngster Generalsekretär der CDU-Geschichte mit 28 Jahren. Vorgeschlagen vom damaligen CDU-Chef Thomas Strobl. Der sich prompt vor der Wahl 2021 einen Machtkampf mit Kultusministerin Susanne Eisenmann um die Spitzenkandidatur lieferte: Hagel packte beide auf die Rückbank eines Dienstwagens, dem Vernehmen nach einigten sie sich darauf, dass Eisenmann antritt.

Hagel: „Es geht nur gemeinsam, das war mir immer klar.“

Manche haben das als politisches Meisterstück von Hagel angesehen. Er sagt nur: „Es geht nur gemeinsam, das war mir immer klar.“ Das Schisma in der Partei durch den Zweikampf von Konservativen und Liberalen, Schavan und Oettinger – das wollte er überwinden. Schließlich folgte Hagel 2021 auf Wolfgang Reinhardt als jüngster CDU-Fraktionschef im Landtag.

Schließlich übernahm er nach langem Ringen mit seinem Entdecker und politischen Mentor Thomas Strobl von diesem den Landesvorsitz. Seither gibt Hagel für die CDU den Ton an, ist mit Kretschmann auf Augenhöhe, und könnte für die Landtagswahl 2026 alle Trumpfkarten in der Hand haben, wenn die CDU wieder stärkste Partei würde, was die aktuellen Umfragen andeuten.

Eine rasante Karriere in acht Jahren Berufspolitik, raketenhaft nach oben in höchste Zirkel der Macht. Manche würden abheben. Wie erdet man sich beim Aufstieg in das Raumschiff Landespolitik? Widerspricht ihm jemand zu Hause oder im Umfeld? Hagel lächelt: „Mehr als Sie denken.“ Das Team in der CDU und das Team um ihn herum, das ihn seit vielen Jahren begleitet, sieht er auch als sein Korrektiv. Um eben trotz allem bescheiden zu bleiben.

Doch wenn man Hagel  hier in seiner Heimat beobachtet, dann ist das Diktum von der Bescheidenheit nicht aufgesetzt. Noch heute kommt der CDU-Landeschef in den wenigen freien Minuten, die der dichte Terminkalender lässt, gerne hier auf die Lichtung der Stoffelbergkapelle, um die Ruhe zu genießen, die Vögel zwitschern zu hören, über all das in Ruhe nachzudenken.

Am Pfingstmontag wird der Gottesdienst mitten im Wald gefeiert

Und am Pfingstmontag gibt es hier eine Tradition: Mitten im Wald wird Gottesdienst gefeiert. Früher um 7 Uhr in aller Herrgottsfrühe, inzwischen angepasst an moderne Zeiten 8 Uhr. Den Gottesdienst hat seit seiner frühesten Kindheit der frühere Stadtpfarrer und Prälat Franz Glaser, der 1997 Domkapitular wurde und in der Diözesanleitung Bischof Gebhard Fürst zuarbeitete. „Er hat mich getauft, gefirmt und getraut, zwei unserer Kinder konnten auch durch ihn getauft werden“, erzählt Hagel. Bis ins hohe Alter predigte er am „Käppale“, wie die Einheimischen sie nennen.

Welche Werte hat Glaser ihm vermittelt? Da sind sie wieder, die Bodenständigkeit und Bescheidenheit. Manuel Hagel spricht im politischen Stuttgart oft mit Schlagworten, wie die „Agenda der Zuversicht“ oder wiederholt die Floskel von der „Partei von Lothar Späth und Erwin Teufel“ so oft, bis manche sie nicht mehr hören können. Doch mit zunehmender Amtsdauer – immerhin ist gerade mal neun Monate Parteichef – spricht Hagel freier, wirkt authentischer.

Und ganz befreit spricht der CDU-Chef hier in seiner Heimat auch mal davon, dass er in der 7. und 8. Klasse einen „Durchhänger“ hatte und durch die kleine schulische Krise zum Joggen kam, hier im Wald bei Ehingen. Und das behält er bis heute bei. Ebenso wie die Tradition, vor dem Einschlafen noch ein Buch zu lesen. Aktuell ist es die Biografie von Wolfgang Schäuble.

Solche Facetten machen Hagel als Politiker greifbarer, kratzen am Image des allzu glatten Aufstiegs ohne einen noch so kleinen Haken. Im Sommer geht es zwei Wochen nach Norditalien, mit den drei Kindern, eines nur wenige Monate alt. Dann ist mal Pause in der Politik, zumindest ein bisschen. So ganz abschalten kann man als Spitzenpolitiker wohl nie.

Es war auch ein Marathonlauf vor der Sommerpause – das dicke grün-schwarze Gesetzespaket vom Bürokratieabbau bis zum Mobilitätsgesetz oder der Bildungsreform und der neuen Landesbauordnung hat viel Kraft gekostet, schließlich müssen Grüne und Schwarze ihre angestammten ideologischen Positionen aufgeben, über ihren Schatten springen. Und im Herbst muss der schwierige Doppelhaushalt verhandelt werden, auch hier muss die Koalition elastisch Kompromissfähigkeit demonstrieren. Für Hagel ist auch eines klar in Sachen Bürokratieabbau: „Das war allenfalls ein Schrittchen. Aber das in die richtige Richtung. Wir wollen da ambitioniert dran bleiben und machen immer wieder neue Vorschläge wie wir voran kommen.“ Einfacher und schneller müsse alles gehen, so sein Anspruch. Dass im Herbst voraussichtlich der schärfste Konkurrent um die Macht seine Kandidatur erklären wird, macht die Lage nicht einfacher. Fragt man Manuel Hagel nach dem wahrscheinlichen Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir, so antwortet er, indem er diesen schlicht nicht erwähnt. „Wir müssen auf uns selbst schauen“, sagt er. Die CDU müsse stärkste Kraft werden.

Über Cem Özdemir wird einfach nicht gesprochen

Aber natürlich kennt man in der CDU-Zentrale Özdemirs rhetorische Stärke und dass er mit seinem Charisma vielleicht doch gegen den Bundestrend ein paar Prozentpunkte im konservativ-ländlichen Raum gewinnen kann. Hagel gibt daher die Devise aus: Wahlkampf ist 2026, jetzt wird erst mal weiter gearbeitet.

Gibt es Vorbilder oder Mentoren in seiner Karriere? Anfang August ist Hagel nach Ostdeutschland gereist, um die Partei bei den schweren Landtagswahlen zu unterstützen. Dabei hat er auch das Lothar-Späth-Denkmal in Jena besucht. Ist das einstige „Cleverle“, der von 1978 bis 1991 das Land regiert hat, ein Vorbild?

Hagel verweist auf dessen modernes Schaffertum, aber auch auf die Heimatverbundenheit seines Nachfolgers Erwin Teufel, und sagt schmunzelnd: „Vielleicht wäre es Lothar Teufel oder Erwin Späth. Beide finde ich inspirierend und sind meine Vorbilder.“ Nein, er will sich nicht in eine Schublade stecken lassen, vielleicht gerade weil er als der Jüngste oft unterschätzt wurde.

Ansonsten hält er es mit einem Ratschlag von Teufel, der ihm einst gesagt hat: „Geb nicht so viel auf das, was geschrieben wird. Und das mit dem zu jungen Alter, das wird jeden Tag besser.“ Inzwischen hat er diese Frage so oft gestellt bekommen, so dass er sagt: Würde er von jedem Journalisten eine Flasche Wein bekommen, der das wissen will, könnte er einen Handel aufmachen.

Die Zeit ist schnell vergangen an diesem verwunschenen Ort. Natürlich muss auch der Besucher an dem Klingelzug ziehen, hell ertönt die Glocke des Kapellchens. Und gemäß des Sprichworts war man erst jetzt wirklich da.

Schon aber wartet der Wagen, in Stuttgart stehen noch eine ganze Reihe von Terminen an. Der dichte Kalender ist gnadenlos. Gerade deswegen hat auch Manuel Hagel die Pause an diesem Ort offensichtlich genossen, ehe es zurück zum Landtag zum nächsten Fernsehinterview geht.

Treffpunkt mitten im Wald bei der Schönstattkapelle Stoffelberg bei Ehingen, Manuel Hagel und Chefredakteur Rafael Binkowski unterhalten sich. Foto: Achim Zweygarth
Mitten im Wald bei Ehingen an der Donau steht die kleine Schönstattkapelle Stoffelberg. Foto: Achim Zweygarth

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