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Ballweg-Prozess: „Sind Sie der Herr Ballhof?“ und andere Heiterkeiten

Michael Ballweg, Kopf der „Querdenken“-Bewegung, steht seit Oktober 2024 in Stuttgart vor Gericht.
dpa/Marijan Murat)Stuttgart. Dienstag, 9 Uhr, Amtsgericht Stuttgart, Saal 6. Vorne links sitzen Michael Ballweg und sein Pflichtverteidiger Reinhard Löffler. Eine Reihe dahinter hat Hans Böhme, der die Interessen der einstigen Softwarefirma des „Querdenken“-Gründers vertritt, Platz genommen. Er ist der Älteste im Saal, 72, seit 40 Jahren als Anwalt tätig.
Doch so ein Verfahren hat er auch noch nicht erlebt. An diesem Tag beginnt der 30. Verhandlungstag in einem Prozess, den das Landgericht ursprünglich nicht eröffnen wollte, weil ihm die Beweislage zu dürftig erschien. Der spätestens Mitte März hätte enden können, als das Gericht darlegte, dass aus seiner Sicht kaum etwas für eine Verurteilung des Angeklagten spreche. Und der so ereignisarm dahinplätschert, dass schwer zu begreifen ist, warum bis zu vier Anwälte, vier Berufsrichter, drei Schöffen, bis zu drei Staatsanwälte und eine Dame vom Finanzamt sich das jeden Dienstag antun müssen.
Dass man dies dennoch tut, liegt daran, dass die Staatsanwaltschaft der Einstellung nicht zugestimmt hat. Und nicht nur das: Sie hat außerdem einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter gestellt. Dem wurde jedoch nicht stattgegeben. Sonst hätte das Verfahren völlig neu aufgerollt werden müssen. Immerhin dies bleibt nun den Beteiligten erspart.
Justizministerin: „Ich habe in keiner Weise Vorgaben gemacht“
Sollte Ballweg im Herbst in Ermangelung von Beweisen freigesprochen werden, dürften die Fragen nach dem Warum noch lauter werden. War es wirklich nötig, den Kopf der „Querdenken“-Bewegung ein Dreivierteljahr in Untersuchungshaft zu stecken? Warum verhält sich die Staatsanwaltschaft so unnachgiebig? Und warum dauert es immer so lang, bis sie sich in verfahrenstechnisch wichtigen Fragen wie einer möglichen Einstellung oder einem Antrag auf Befangenheit erklärt?
Ballweg spricht von einem politischen Prozess, und auch seine Anwälte bezweifeln, dass die jungen Staatsanwälte, die hier jeden Dienstag sitzen, das Sagen haben. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft äußert sich nicht zur Frage, wer welchen Einfluss nimmt. Nur Justizministerin Marion Gentges (CDU) ist in dieser Hinsicht eindeutig: „Ich habe da in keiner Weise irgendwelche Vorgaben gemacht“, sagt sie auf Nachfrage. Was mit der Aussage von Ballwegs Verteidiger Reinhold Löffler korrespondiert, der eine Einmischung des Justizministeriums in Stuttgart für unwahrscheinlich hält. „Da halte ich meine Hand ins Feuer.“ Die Schuldigen sieht er eher in Berlin und raunt etwas von Nancy Faeser.
Ein halbes Jahr dauert das Verfahren nun schon, längst hat es sich als Treffpunkt von Ballwegs Unterstützern etabliert, die so ihre Dienstage füllen. Ballwegs Ehe mag in der Corona-Zeit zerbrochen, sein Firmenvermögen beschlagnahmt, seine berufliche Zukunft ungewiss sein. Doch seine Fans halten zu ihm. Er hat eine eigene Pressesprecherin, eine andere Frau schreibt alles mit.
Und auch viele Zeugen stammen aus diesem Umfeld. Kein Wunder, geht es doch darum aufzuklären, was Ballweg mit den 1,2 Millionen Euro Spenden gemacht hat. Ob er es wirklich für den Kampf gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen verwendet oder eine halbe Million, wie die Staatsanwaltschaft meint, für private Zwecke abgezweigt hat. Dieser Verdacht scheint sich jedoch nicht zu erhärten. Stattdessen werden recht überschaubare Beträge verhandelt.
Da erscheint die Dame aus Leipzig, der Ballweg 188 Euro überwiesen hat – für eine Fahrt mit ihrem Sohn nach Warschau, wo sie andere „Querdenker“ treffen sollte. Sie hat den Beleg dabei. Da ist der Herr aus Brandenburg. 1000 Euro habe er von Herrn „Ballhof“ bekommen – für die medizinische Unterstützung bei Großveranstaltungen. „Das war für Sie ein normaler Betrag?“, will Anwalt Löffler wissen. Da dreht der Herr den Kopf und erblickt den Angeklagten. „Sind Sie der Herr Ballhof?“ Da lacht der ganze Saal.
Die Ordnerstruktur von Microsoft und „Kuchen für alle“
Den Richtern merkt man an, dass sie den Fall zwar sauber abarbeiten wollen, aber nicht davon ausgehen, dass hier noch etwas Spektakuläres passiert. An diesem Dienstag etwa lassen sie sich von einer Unterstützerin aus Hessen die Ordnerstruktur von Microsoft erklären, die Ballweg nutzte, um Infos zu verbreiten.
Dann hakt die Richterin nach: Sie will wissen, wie es war, wenn bei Ballwegs Demonstrationen organisiert wurden. Ob es da auch etwas zu essen gab, gratis oder gegen Bezahlung? Ja, bestätigt die Zeugin aus Hessen, „manchmal hat man Pizza bestellt und manchmal hat die Ex vom Michael gekocht.“ Sie habe Kuchen mitgebracht. „Nur für Ihr eigenes Essen?“, fragt die Richterin. Nein, für alle, antwortet die Frau leicht genervt. Die Richterin wiederholt fürs Protokoll: „Also Kuchen für alle.“
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Der Stuttgarter Geschäftsmann Michael Ballweg steht wegen versuchten Betrugs und Steuerhinterziehung seit 2. Oktober 2024 vor Gericht. 30 Verhandlungstermine fanden bereits statt, 20 weitere sind angesetzt, der letzte am 2. Oktober 2025. Ballweg, der 2020 die „Querdenken“-Bewegung gründete, sollte ursprünglich wegen Betrugs und Geldwäsche angeklagt werden. Diese Vorwürfe ließ die Staatsanwaltschaft jedoch fallen.