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Studiengänge

Sind „Orchideenfächer“ ein überflüssiger Luxus? 

Vor gut fünf Jahren hat Grün-Schwarz eine Initiative zur Stärkung der „Kleinen Fächer“ an Hochschulen gestartet, da die „Großes leisten“. Jetzt empfiehlt der Rechnungshof eine Kurskorrektur, verlangt, Masterstudiengänge zu streichen und will sich Bachelor-Angebote vorknöpfen.

Der Umgang mit kleinen Textfragmenten ist ein wichtiges Thema in der Papyrologie. Dieser Studiengang zählt zu den sogenannten Orchideenfächern. Foto: IMAGO/Mauro Ujetto

IMAGO/Mauro Ujetto)

Stuttgart.  Es geht um grundsätzliche Fragen, um Hochschulautonomie, darum, was Wissenschaft in einem reichen Land leisten muss oder um Nischenkompetenzen, die – etwa in der Sonderpädagogik – nie ein Massenprogramm, für vergleichsweise wenige Kinder und ihre Familien aber von entscheidender Bedeutung sind.

Dennoch rät der Rechnungshof Baden-Württemberg (RH) den Hochschulen, insbesondere den Universitäten Freiburg, Heidelberg und Tübingen, Masterstudiengänge vor allem unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. „Permanent“, wie es in der Denkschrift 2024 heißt, sei die Auslastung zu überprüfen und bei dauerhaft nachfrageschwachen Studiengängen das Angebot neu zu strukturieren oder die Studiengänge aufzuheben.

Land und Bund hielten nach 2007 die kleinen Fächer für essenziell

Das steht im krassen Widerspruch des bisherigen Vorgehens in Bund und Land. Kurz nach ihrem Wechsel aus Baden-Württemberg nach Berlin hatte 2007 Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU) nicht nur eine Erfassung der kleinen Fächer deutschlandweit angestoßen. Ermittelt wurde, dass es Nischenangebote gibt, deren Bedeutung wächst, etwa Computerlinguistik, und dass andere ohnehin Lehrstühle verloren haben, so Arabistik, Byzantinistik, Iranistik, Latinistik, klassische Archäologie. Der Bund machte mit einem eigenen Programm klar, dass die oft als „Orchideen“ karikierten Nischen auf jeden Fall erhalten werden müssten, weil „die Kleinen Fächer mit die Basis für die geistige Bewältigung der Globalisierung sind und damit essenziell für unsere Gesellschaft“, so Schavan.

Das Land zog nach dem Machtwechsel 2011 nach. Auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) setzte eine Expertenkommission ein und warb immer wieder für den Erhalt auch bei kleinen Studierendenzahlen, installierte sogar neue Lehrstühle, etwa 2015 für Wald- und Forstgeschichte, weil „diese Art Grundlagenforschung zum Kern der Wissenschaft gehöre und elementar sei „für die Vielfalt des Denkens“. Ein Fördertopf wurde gefüllt, Projekte wurden jedes Jahr mit einer Million Euro unterstützt.

Nach Meinung der Obersten Rechnungsprüfer muss aber auf „Fehlentwicklungen“ reagiert werden. Untersucht wurden rund 700 Masterstudiengänge in den Studienjahren 2015/16 bis 2021/22. Empfohlen wird eine Gesetzesänderung, um Hochschulen zu verpflichten, „dem Ministerium anzuzeigen, dass ein Masterstudiengang in zwei aufeinanderfolgenden Studienjahren weniger als zehn Studienanfänger hatte“ und sogar einen Masterstudiengang „aufzuheben, wenn in drei aufeinanderfolgenden Studienjahren insgesamt weniger als 20 Studienanfänger das Masterstudium begonnen haben“.

Olschowski will die Hochschulen selbst entscheiden lassen

Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) hält davon nichts und lässt den Rechnungshof in ihrer schriftlichen Stellungnahme zu den Empfehlungen, aufgenommen noch in die Denkschrift, wissen, dass im Sinne der Entbürokratisierung und der Subsidiarität zweckdienlich sei, die Entscheidungen über Studiengänge vor Ort an den Hochschulen zu fällen und sich als Ministerium auf die Rahmensteuerung zu konzentrieren. Auch müsse die hohe gesellschaftliche Bedeutung der Kleinen Fächer berücksichtigt werden.

Den Wissenschaftsbereich der Karlsruher Behörde verantwortet Andreas Knapp. Der Sindelfinger FDP-Gemeinderat ist Urgestein der Liberalen im Südwesten und Rechnungsprüfer sein einem Vierteljahrhundert. In dieser Eigenschaft legt er jetzt in Interviews nach, will einzelnen Studienangeboten „sogar eine Karriere der Erfolglosigkeit attestieren“. Überprüft werden sollen jetzt auch Bachelor-Studiengänge, was der Rechnungshof offiziell nicht bestätigt.

Auf Nachfrage legt auch das Wissenschaftsministerium noch einmal nach, denn es entspreche „nicht der Komplexität des Lehr- und Forschungsangebots einer Hochschule, die Auslastung als entscheidendes Indiz für die Wirtschaftlichkeit und Bedeutung eines Studiengangs heranzuziehen“. Viele Studiengänge dürften nicht isoliert betrachten werden, weil teils „umfängliche Verknüpfungen mit der Lehre anderer Angebote bestehen“.

Kleine Fächer sind wichtig für das Wissen der Zukunft

„Der gesellschaftliche Wert speziell der Geistes- und Sozialwissenschaften lässt sich nicht in einer rein betriebswirtschaftlichen Logik begreifen“, so Wissenschaftsministerin Petra Olschowski. Mit Sinologie und Judaistik könne man etwa „das immer komplexer werdende Weltgeschehen begreifbar machen, es in historische Kontexte setzen und Brücken bauen“. Es sei unvorhersehbar, welches Wissen die Gesellschaft künftig brauche. Ein Stichwort dazu lautet Ukrainistik.

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