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Essay

Schule muss endlich wieder Lust auf Lernen machen

Die Politik darf nicht nur Reformen gestalten, sondern muss sich auch damit beschäftigen, wie sich die Begeisterung und Wissbegierde im Schulalltag bewahren lassen. Ein Essay von Johanna Henkel-Waidhofer.

Der Schuljahresstart steht in Baden-Württemberg kurz bevor.

dpa/Kirchner-Media/Christopher Neundorf)

Die Schulzeit ist viel zu lang, um sie einerseits zwar erfolgreich abzuschließen, aber andererseits freudlos an sich vorbeiziehen zu lassen. In den aktuellen, ideologisch höchst aufgeladenen Reformdebatten kommt das Thema Lust am Lernen gar nicht vor. Dabei ist doch eine der wichtigsten Lehren aus Corona, dass Kinder und Jugendliche schmerzlich die vertraute Gemeinschaft vermisst haben und jetzt wieder Tag für Tag vom Miteinander profitieren.

Besonders fatal sind die Folgen eines auf Dauer überforderten und unglücklichen Lebens von Heranwachsenden, wenn jeden Form von Unterricht nicht nur vorzeitig und ohne Abschluss endet, sondern wenn junge Menschen geradezu verloren gehen. Berufsschullehrkräfte berichten zum Start ins neue Schuljahr von dem Aufwand, Jugendliche aufzuspüren, zur Rückkehr zu bewegen, gegebenenfalls sogar mit Zwang, weil Schulpflicht besteht. Eine sehr glückliche Fügung braucht es dann, nach einem solcherart holprigen Bildungsweg doch noch erfolgreich in Beruf und Leben zu starten.

Schule zu einem besseren Ort machen

Aber auch abseits solcher Brüche spielt Zufriedenheit und wie sie anhaltend zu erzeugen ist, eine viel zu kleine Rolle. Von der Begeisterung des ersten Schultags zeugen die Bilder mit der Schultüte. Wie würde es sich lohnen darauf zu achten, dass diese Begeisterung, wenn schon nicht aufrecht erhalten bleibt, dann doch diese Gefühl des Aufbruchs nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Regelmäßig führt das Institut für Bildungsanalysen im Land Befragungen zum, wie es hölzerner kaum formuliert werden könnte, „schulbezogenen Wohlbefinden“ statt. Fragebogen sind erstellt, auch zur Selbstwahrnehmung („Ich bin beliebt“) oder zum Sicherheitsgefühl („Andere haben mich bedroht“).

Ernsthafte Schüsse zu ziehen ist in der Regel aber allein interessierten Lehrkräften überlassen. Das Drehen an dafür wichtigen bildungspolitischen Stellschrauben kostet Zeit, die angesichts von Personalmangel und Unterrichtsausfall allzu oft fehlt. Und es kostet vor allem Geld, das oft nicht ausreichend bereit gestellt wird.

Was nützt es, wenn einer der renommiertesten Hirnforscher, Gerald Hüther, die damals noch CDU/FDP-Landesregierung in einem Kuratorium berät, wie Schule zu einem besseren Ort gemacht werden kann, wie Lernen im wahrsten Sinn des Wortes unter die Haut geht und Kompetenzen sich entwickeln, wenn am Ende im Alltag in viel zu vielen Unterrichtsstunden wieder vor allem gepaukt werden muss? Was bringen Erkenntnisse zu dem großen Reiz, die kleine und selbstständig arbeitende Gruppen gerade auf Viert-, Fünft- oder Sechstklässler ausüben und wie sich Wissbegierigkeit festsetzt, wenn in Schulen und in Bildungsplänen viel zu wenig Raum ist für solche Erfahrungen? Was nützen Reisen in die große weite Welt oder auch nur bis an die Waterkant, wenn von gewonnenen Erkenntnissen flächendeckend – die Hoffnung stirbt zuletzt – erst eine übernächste Schülergeneration profitiert?

Zu oft steht der Landeshaushalt an allererster Stelle

Strittig ist, ob weniger Kinder in einer Klasse automatisch zu einem besseren Klima, zu besseren Noten und am Ende zu mehr Freude führen. Unstrittig ist allerdings, dass die, die sich seit vielen Jahren gegen eine Senkung des Klassenteilers sträuben, nicht an allererster Stelle Schüler, Schülerinnen und Kollegien im Blick haben, sondern den Landeshaushalt. Dabei könnten doch wenigstens Modellversuche, gerade in Vollzeitberufsschulen zum Beispiel, gestartet werden, um zu klären, ob individuellen Problemen nicht doch viel adäquater begegnet werden kann, wenn Lehrkräfte weniger Heranwachsenden gerecht werden müssen. Am Ende könnte gegebenenfalls alle und sogar der Landeshaushalt profilierten, weil mehr gut ausgebildete Fachkräfte weiterhin für Prosperität sorgen.

Sicher entsteht mehr Lust auf Schule, würde endlich eingestanden, dass und wie das gesamte System von der Bereitschaft zur Selbstausbeutung lebt. Natürlich gibt es faule Lehrkräfte, so wie es faule Handwerker, Abgeordnete oder Journalisten gibt. Der weit überwiegende Teil der Pädagogen im Land bringt sich aber über Gebühr ein, was – ebenfalls spätestens seit Corona – allenthalben und auch so manchen allein aufs Wohl der eigenen Sprösslinge bedachten Eltern bewusst geworden sein müsste. Entlastung ist kaum möglich, wenn so viele Stellen zu Schuljahresbeginn unbesetzt sind. Ehrliche gesellschaftliche Anerkennung aber kostet gar nichts. Und sehr viel öfter als gedacht, reicht vielleicht sogar ein Lächeln. Nicht nur auf dem Schulhof.

Mehr zum Thema: Grün-Schwarz bringt Bildungsreformen auf den Weg | Staatsanzeiger BW

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