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Gutachten

Schülerbeirat rüttelt an der Grundschulempfehlung

Das Hin und Her um die neue Grundschulempfehlung ist noch lange nicht zu Ende, jedenfalls wenn es nach dem Landesschülerbeirat geht. Das gesetzlich verankerte Beratungsgremium hat ein Gutachten vorgelegt, das die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen infrage stellt.

Wie geht es nach der Grundschule weiter? Nun stellt ein Gutachten die aktuellen Regelungen infrage.

Rona Eccard)

Stuttgart.  Zumindest die sogenannten Potenzialtests sind ohne neuerlichen Ärger für das Kultusministerium und die Bildungsexperten von Grünen und CDU über die Bühne gegangen. 2075 Schüler und Schülerinnen oder zwei Prozent aller Viertklässler nahmen teil, ein knappes Drittel davon hat bestanden und kann auf das Gymnasium gehen – entgegen der Empfehlung der eigenen Grundschullehrkräfte. Wiederum ein Viertel davon könnte, wie Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) weiter mitteilt, mit Leistungen im überfachlichen Teil überzeugen, „also im logischen Denken“ und hat deshalb die Aufnahme geschafft. Für die kommenden Jahre erwarten die Fachleute im Ministerium variierende Quoten, „abhängig vom Leistungsniveau der Teilnehmenden“.

Schülerbeirat hat das Gutachten einer Großkanzlei eingeholt

Der Landesschülerbeirat (LSBR) möchte es darauf nicht ankommen lassen. „Seit fast einem Jahr warnen wir als Vertretung der Schülerinnen und Schüler davor, die verbindliche Grundschulempfehlung wiedereinzuführen“, heißt es in einer Stellungnahme zum status quo. Trotzdem habe die Landesregierung genau das beschlossen. Ursprünglich sei die eine Einführung zum Schuljahr 2025/2026 geplant gewesen. „Die ist aber ohne ausreichende Vorbereitung vorgezogen worden“, schreibt der LSBR weiter. Die Folgen dieser Entscheidung seien „spätestens mit den chaotischen Abläufen und den enttäuschenden Ergebnissen der Kompass-4-Tests sichtbar und schnell ist klar geworden, dass das Verfahren dieses Jahr nicht nur mangelhaft, sondern schlichtweg nicht aussagekräftig sein würde“.

Für den Beirat liegt die Konsequenz auf der Hand: Die von den CDU-Bildungspolitikern erdachte „Zwei aus Drei“-Regelung, die der Grundschulempfehlung einen neuen größeren Stellenwert einräumen möchte. Wenn Eltern und Lehrkräfte nicht übereinstimmen bei der Bewertung des Bildungswegs der Kinder, muss Kompass-4 und damit die Deutsche- und  Mathe-Prüfung oder – bei einem nicht ausreichenden Ergebnis – der Potenzialtest entscheiden, ob der Wechsel ins Gymnasium möglich ist. Gemeinsam mit der spendenfinanzierten Stiftung Bildung hat der LSBR, wie er mitteilt, „eine international renommierte Großkanzlei beauftragt“, um dieses Vorgehen auszuhebeln „und die rechtliche Zulässigkeit dieser Entscheidung zu prüfen“.

Das Ergebnis sei eindeutig: Es gebe starke Argumente dafür, dass die Einführung der verbindlichen Grundschulempfehlung „eine unzulässige Rückwirkung darstellt“. Denn die Schülerinnen und Schüler seien unter anderen Bedingungen in ihr letztes Grundschuljahr gestartet und hätten darauf vertrauen können müssen, dass die Neuregelung für sie noch nicht gilt.

Im Detail wird unterschieden zwischen einer „echten Rückwirkung“, die dann vorliege, „wenn ein belastendes Gesetz nachträglich ändernd in bereits abgeschlossene, der Vergangenheit angehörige Sachverhalte eingreift, mithin Rechtsfolgen rückwirkend angeordnet werden“. Dies sei unvereinbar mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit und nur in Ausnahmefällen zulässig, etwa, wenn zwingende Gemeinwohlgründe vorlägen. Bezogen auf die Viertklässler heißt das, sie könnten durch Beginn des neuen Schuljahres im vergangenen Herbst ohne rechtliche Grundlage für die veränderte Grundschulempfehlung einen Anspruch auf den Besuch eines Gymnasiums haben.

Das Kultusministerium vertritt ein andere Rechtsauffassung

Auch die Auswirkungen einer „unechten Rückwirkung“, die ebenfalls eine Vertrauensschutz auslösen kann, werden in dem Gutachten untersucht. Mit Verweis auf die Zeitabläufe heißt es, ursprünglich sei für den 2024 veröffentlichten Gesetzentwurf zur veränderten Grundschulempfehlung ein Inkrafttreten im August 2025 in Aussicht gestellt worden: „Der Zeitpunkt wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Februar 2025 vorverlegt – ohne Erklärung und sachliche Rechtfertigung.“

Das Kultusministerium reagiert auf die Intervention des Beirats kühl: Man vertrete eine andere Rechtsauffassung. Der LSBR-Vorsitzende Joshua Meisel wiederum verlangt, unterstützt von SPD und Grüner Jugend, von der Landesregierung, „Verantwortung zu übernehmen“ und die Neuregelung außer Kraft zu setzen.

Schopper hat die Überarbeitung des Tests versprochen

Im Fokus steht der Paragraph 3, Absatz 2 des baden-württembergischen Schulgesetzes. Denn er trat erst in Kraft, als alle Kinder, die den Kompass-4-Test verbindlich ablegen mussten, bereits in der Schule waren und die Veränderungen für sie nicht zutreffen, sagen die Kritiker des Vorgehens der Landesregierung. Für den kommenden Herbst hat Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) die Überarbeitung der, vor allem in Mathe, deutlich zu komplizierten Tests versprochen.

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