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Rülke: Alle meinen es ernst, alle sind am Konsens interessiert
Stuttgart. Kein anderes Bundesland leistet sich ein derart vielgliedriges Schulsystem wie Baden-Württemberg. In der ersten Runde der Gespräche über eine langfristige Bildungsallianz von Grünen, CDU, SPD und FDP rückten deshalb die Kernfragen zügig ins Zentrum, allerdings nur, um zu besprechen, was in der nächsten Runde besprochen werden muss. Nach zweieinhalb Stunden Meinungsaustausch war die Stimmung entsprechend entspannt, denn inhaltlichen sind alle Großbaustellen noch unbeackert.
Der Druck war gewaltig, erste Ergebnisse zu präsentieren. Es sei aber nicht realistisch, so FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, derart schnell Kompromisse zu finden in Bereichen, die über Jahrzehnte im Dissens entstanden seien. Es werde „Zeit und Schweiß brauchen“. Sein SPD-Kollege Andreas Stoch kritisiert, Grüne und CDU hätten seit acht Jahren alle Strukturfragen ausgespart, was angesichts der Bildungsvergleichstudien „ja nicht zu Verbesserungen geführt hat“.
Bedeutung von Planungssicherheit, Verlässlichkeit und Stabilität betont
Auch die Chefs der beiden Regierungsfraktionen stellen sich am Abend den im Stuttgarter Neuen Schloss wartenden Medien. Andreas Schwarz (Grüne) verweist darauf, dass schnell und am besten noch vor Ostern ein Paket für die Grundschule, unter anderen für Sprachtests, geschnürt werden soll. Außerdem seien alle Beteiligten einig über die Einführung eines modernen G9, in Aussicht gestellt sind erste Klassen zum Schuljahr 2025/2026.
Unterschiedliche Botschaften lauern zwischen den Zeilen. Alle, auch Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), betonen die Bedeutung von Planungssicherheit, Verlässlichkeit und Stabilität. CDU-Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel spricht auch von Kontinuität, will damit auf Nachfrage aber nicht die Schulstrukturen der Vergangenheit meinen, sondern in die Zukunft schauen. Tatsächlich hat sich die Landespartei in den vergangenen Jahren weit von den inzwischen zwölf Jahre alten Bundesparteitagsbeschlüssen der CDU zur Einwicklung eines zweigliedrigen Schulsystems ab der fünften Klasse entfernt.
Große Erwartungen von den Verbänden
Groß und sich zum Teil deutlich widersprechend sind die Erwartungen gerade in den Verbänden. Schon bevor das Treffen auf Einladung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) überhaupt begann, stapelten sich die Wortmeldungen. Handwerker-Präsident Rainer Reichhold spricht von „zweifellos zahlreichen Problemen, die Länge der Schulzeit dürfte eines der kleineren sein“. Parteipolitische oder persönliche Differenzen in der Strukturdebatte müssten überwunden werden. Der Unternehmerverband fordert das Schulsystem als Ganzes in den Blick zu nehmen, vor allem den großen Handlungsbedarf in den Grundschulen und der beruflichen Bildung.
Die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein warnt vor falschen Prioritäten: „Wer derzeit denkt, die Verwendung von gendergerechter Sprache in Schulen oder die Grundschulempfehlung seien die wichtigsten bildungspolitischen Themen, hat wenig Ahnung vom Alltag in den Klassenzimmern der 4.500 Schulen in Baden-Württemberg.“ Für den Verein der Gemeinschaftsschulen wiederum geht es „um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“. Und der Realschullehrerverband erteilt Strukturveränderungen eine Absage: „Hände weg von der Realschule.“ Denn eine Einheitsschule sei „Gift für die Vielfalt der Kinder“.
Beim zweiten Treffen, das rund um Ostern im Kloster Bebenhausen stattfinden soll, werden diese und anderen Frage konkret angegangen werden müssen.„Alle meinen es ernst“, sagt Rülke, „alle sind am Konsens interessiert.“