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Arbeitsrichter sollen Einblicke in die Betriebsratsarbeit erhalten
Stuttgart. Kai Burmeister, Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), rückt Fragen der Mitbestimmung in den Vordergrund. Nach erfolgreichem Abitur sei folgender Berufsverlauf realistisch: „Es kommt das Jura-Studium mit der Schwerpunktsetzung Arbeitsrecht, dann klappt es schnell mit einer Stelle, so weit, so gut“. Was fehle, sei der Einblick in den Alltag und in die sehr vielfältige Arbeitswelt. Der wiederum ist aber nicht nur in den Augen des Gewerkschafters grundlegend, weil die Arbeitsgerichtsbarkeit mit vielen Facetten konfrontiert ist.
Daher wurde in eine entsprechende Vereinbarung des Landes nun aufgenommen, dass Richter während ihres Ausflugs in die Arbeitswelt nicht nur Abläufe, Hierarchien und die Chefetage kennenlernen, sondern auch die Aufgaben im Betriebsrat.
„Der Vorteil, den wir sehen, ist die Welt der Mitbestimmung zu erleben und damit zu erfahren, dass längst nicht alle individual- und kollektivrechtlichen Konflikte in der Arbeitswelt vor dem Arbeitsgericht landen“, sagt Burmeister.
Richter sollen künftig mehr betriebliche Praxis erhalten
Zentraler Aspekt ist die Scharnierfunktion der Gerichte und die Suche nach einer gütlichen Einigung. Für die Arbeitgeber deshalb „ist außerordentlich wichtig“, dass Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter Einblicke in die betriebliche Praxis erhalten. Dadurch könnten sie Sachverhalte besser einordnen. Deshalb seien bereits in der Vergangenheit die Umsetzung von Betriebspraktika „sehr gerne“ unterstützt worden, sagt Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer bei den Unternehmern Baden-Württemberg, „und umso mehr freuen wir uns, dass wir die Vereinbarung nun erneuert haben“.
Die Möglichkeit besteht seit 2006 und ist, wie es im Justizministerium heißt, im Prinzip auch sehr gut angenommen worden. Zielgruppe waren vor allem jüngere Richter und Richterinnen. Anfangs gab es mehr Bewerbungen als Plätze, später mit abnehmender Tendenz. „Das führte dazu“, berichtet ein Sprecher, „dass bis 2020 insgesamt lediglich neun Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter ein Praktikum tatsächlich absolviert hatten.“
Natürlich sein nach den Gründen geforscht worden, etwa die Geschäftsentwicklung in der Arbeitsgerichtsbarkeit und der damit verbundene Rückgang von Neueinstellungen oder die Dauer eines Praktikums von sechs Monaten, die als lang wahrgenommen wurde.
Betriebspraktika wurden in der Vergangenheit von Unternehmen finanziert
„Hinzu kam, dass das Betriebspraktikum in der Vergangenheit durch die Unternehmen finanziert wurde, was mit Blick auf die Unabhängigkeit der Justiz der Anpassung bedurfte“, so der Sprecher weiter. Die Arbeitgeber freuen sich über die veränderte Finanzierung. „Auf dieser Basis werden wir auch in Zukunft erfolgreich die Praktika umsetzen können“, sagt Barta.
Der spätere SPD-Justizminister Rainer Stickelberger wollte 2010 noch einen Schritt weiter gehen. In Kopie einer Vereinbarung, die Rheinland-Pfalz bereits 1997 mit den Unternehmerverbände und dem DGB Landesbezirk geschlossen hatte, sollten Pflichtpraktikum für angehende Arbeitsrichter eingeführt werden. „Damit können die neu eingestellten Juristinnen und Juristen Einblicke in die betriebliche Praxis bekommen, noch bevor sie ihre eigentliche Tätigkeit aufnehmen“, erklärte Stickelberger damals und schlug drei Monate in der Führung eines Unternehmens und drei Monate beim Betriebs- oder Personalrat vor. Umgesetzt wurde die Idee allerdings nicht.
„Für die richterliche Arbeit äußerst gewinnbringend“
In der nun beschlossenen verkürzten Praktikumsvariante ist ebenfalls vorgesehen, die Zeit zu teilen. Das Praktikum soll ermöglichen, im Alltag betriebliche Erfahrungen zu sammeln, unter anderem in der Personalabteilungen, aber eben auch in Betriebsräten, teilt das Justizministerium mit.
„Aus erster Hand“, hofft Ministerialdirektor Elmar Steinbacher, „können unsere Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter auf diese Weise Eindrücke in gerade großen Wirtschaftsunternehmen sammeln.“ Dies werde sich für die richterliche Tätigkeit als äußerst gewinnbringend erweisen „und weiterhin eine Justiz gewährleisten, die ein Teil der Gesellschaft ist“.
Zwei Verfahrensarten in der ersten Instanz
Beim Arbeitsgericht in erster Instanz gibt es zwei Verfahrensarten: Das Urteilsverfahren in der Regel in Rechtsstreitigkeiten resultierend aus einem Arbeitsverhältnis und das Beschlussverfahren bei Auseinandersetzungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Die Kammern setzen sich aus einem Vorsitzenden Berufsrichter und je einem ehrenamtlichen Richter aus Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen. Nach Eingang von Klage oder Antrag findet eine Güteverhandlung statt, in der der Vorsitzende versucht, eine Einigung zu erreichen.