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Porträt: Julia Goll glaubt noch an das Gute im Menschen

Sie ist Vizechefin der Landtagsfraktion, ausgebildete Richterin und Obfrau im Untersuchungsausschuss: Julia Goll spielt bei den Liberalen im Südwesten eine wichtige Rolle. Sie will die FDP bis zur Wahl 2026 weiter profilieren, und könnte danach eine Schlüsselfigur bei einer möglichen Regierungsbildung werden.
Julia Goll im Landtag

Julia Goll ist im Landtag neben Hans-Ulrich Rülke eine Schlüsselfigur der Liberalen.

dpa/Bernd Weißbrod)

STUTTGART. Auch nach 16 Stunden Befragung im Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre hat Julia Goll noch alle Details präsent. Sie geht stets gut vorbereitet in die langwierigen Beratungen, gilt neben dem SPD-Obmann Sascha Binder als schärfste Kritikerin des Innenministers Thomas Strobl (CDU) in der Causa. Die 58-Jährige ist seit ihrer Wahl in den Landtag vor zwei Jahren recht schnell in viele wichtige Rollen hineingewachsen.

Ihr Ehemann Ulrich Goll war Justizminister im Land

Eigentlich ist sie ganz froh, wenn man sie nicht sofort auf ihren prominenten Gatten anspricht: Ulrich Goll (73), zwischen 1996 und 2006 mit Unterbrechung Justizminister, mittlerweile längst verheiratet. Kennengelernt haben sich die beiden im Ministerium: Julia Goll war nach dem Jura-Studium in Freiburg und Konstanz junge Richterin am Stuttgarter Landgericht, und wurde persönliche Referentin des Ministers.

„Eigentlich war alles wegen Steffi Graf“, schmunzelt sie. Denn die Anwältin des Vaters Peter Graf, die diesen in Sachen Steuerhinterziehung verteidigte, sollte eigentlich Justizministerin werden. Doch der Prozess brachte negative Schlagzeilen, Ulrich Goll kam zum Zug. Und so lernten sich die beiden kennen. Inzwischen haben sie fünf Kinder zusammen, Ulrich Goll schied 2021 aus dem Landtag aus.

Doch die politische Karriere von Julia Goll hat nur am Rande mit ihrem bekannten Ehemann zu tun. Vielleicht auf der ersten Station, als sie sich in den Leonberger Gemeinderat wählen ließ, half der Name. Die Verwurzelung in der Kommunalpolitik ist ihr wichtig – bis heute sitzt sie im Gemeinderat in Waiblingen und führt die dortige FDP-Fraktion. „Ich sehe den Landtag nicht als höhere Stufe der Politik“, sagt sie. Folgerichtig ist sie kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion im Landtag. Aber wie kam es zur Kandidatur für das Landesparlament – in dem Wahlkreis, den bis dato ihr Ehemann gehalten hatte? Und in dem einst der FDP-Regierungschef Reinhold Maier erfolgreich war?

Ehrenbürgerin in USA

Die FDP-Politikerin ist nicht nur in Waiblingen als Stadträtin aktiv, sondern auch im Austausch mit der US-Partnerstadt der Kommune. Aus diesem Grund wurde Goll 2017 zur Ehrenbürgerin der US-amerikanischen Stadt Virginia Beach, der Partnerstadt Waiblingens, ernannt. Im Jahr 2020 erhielt sie überdies von deutscher Seite aus die Verdienstplakette der Stadt Waiblingen in Silber „in Anerkennung verdienstvoller Mitarbeit am kommunalen Leben.

Schon bei der Kommunalwahl 2019 hatte sie in Waiblingen das zweitbeste Stimmergebnis. In der Nominierungsversammlung setzte sie sich gegen einen Kreisrat durch und errang mit 13,3 Prozent ein Zweitmandat. Auf Anhieb wurde sie Vize-Fraktionsvorsitzende, innenpolitische Sprecherin und Beauftragte für den Strafvollzug. Dabei kommt der Juristin die Erfahrung als Richterin zugute.

Eine Karriere im Schnelldurchlauf, bis heute staunt sie manchmal, wenn sie unter der Kuppel des Plenarsaals Platz nimmt: „Ich habe Respekt vor den Institutionen.“ Im Landtag tritt sie als profilierte Rednerin auf. Zwar mit viel Kritik an der Landesregierung, allerdings weniger scharf als der Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.

Die Arbeit im Untersuchungsausschuss prägt sie. „Ich bin wirklich fassungslos, was sich im Innenministerium zugetragen hat“, sagt sie im Hinblick auf die Beförderungspraxis. Und sagt in Richtung Innenminister: „Er hat gesagt: ‚Ich bin für alles verantwortlich, was in meinem Ministerium passiert.‘“

Nach der Wahl 2026 werden die Karten neu gemischt

Es wird sicher noch viele Sitzungen weit ins nächste Jahr geben, und Julia Goll wird unermüdlich Akten wälzen, um Widersprüche zu finden. Und sie will „liberale Perspektiven“ in der Landespolitik aufzeigen. Digitale Dienstleistungen für den Bürger, mehr Personal an Schulen etwa. „Ich glaube an das Gute im Menschen“, ist ihr Credo. Und wenn 2026 die Karten neu gemischt werden, die FDP am Ende sogar mitregiert? Vielleicht folgt dann ja der nächste Schritt für Julia Goll. Wer weiß.

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