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Porträt der Woche: Matthias Lieb
Jeder kann sich mal irren, zumal, wenn die Dinge so lange zurückliegen. Sogar Matthias Lieb, seit Oktober „Qualitätsanwalt für die Fahrgäste in Baden-Württemberg“. 1994 verließ der erste Interregio nach Karlsruhe den Bahnhof Mühlacker fahrplanmäßig um 7.20 Uhr – zwei Minuten früher, als Lieb sagt. Erst 1995 startete er um 7.22 Uhr.
Schwamm drüber. Selbst wenn Matthias Lieb an der Eine-Million-Euro-Frage scheitert – zum Glück, so viel Geld hatte der vorwitzige Autor dieser Zeilen gar nicht dabei –, wird beim zweistündigen Gespräch eines deutlich: Das Land hätte den neu geschaffenen Posten unmöglich besser besetzen können.
So viel zur Frage, ob es bei der Besetzung mit rechten Dingen zuging, was die FDP bezweifelt– unter anderem mit dem Hinweis, dass das Verkehrsministerium wiederholt versucht habe, Lieb zu holen, der aber allen Abwerbeversuchen widerstand.
Und auch jetzt geht er nicht so ganz: An einem Tag in der Woche arbeitet er weiter als Wirtschaftsmathematiker. Im Übrigen tut der 58-jährige jedoch, was er schon lange tut: Er macht sich die Sorgen der Fahrgäste zu eigen, bohrt nach, bis er weiß, woran es hakt, und macht dann einen Verbesserungsvorschlag. Mit dem Unterschied, dass ihn die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg nun dafür bezahlt. Anders als in den 30 Jahren zuvor, als Lieb lang ehrenamtlich für den Verkehrsclub Deutschland tätig war, 19 Jahre davon als Landesvorsitzender.
Für Lieb hat alles mit dem Trampermonatsticket angefangen
Angefangen hatte alles bei einer Reise mit Mitschülern nach Amrum. Das Auto war zu klein, also mussten zwei mit der Bahn fahren. Und da bot ihnen der Schalterbeamte ein Trampermonatsticket an, eine Netzkarte für junge Leute, die anders als das heutige Deutschlandticket auch den Fernverkehr einschloss. So fuhr Lieb an die Nordsee und zurück und hängte noch eine Reise ins Allgäu dran. Da hat er Feuer gefangen.
Während des Studiums pendelte er nicht nur zwischen Mühlacker und Karlsruhe, sondern fuhr, wenn es sich einrichten ließ, quer durch die Republik. Die Hausaufgaben löste er im Zug, zum Beispiel auf dem Klappsitz im Gang des IC nach Dresden.
Wer so viel unterwegs ist, lernt neben den Annehmlichkeiten auch die Schwächen der Bahn kennen. 1994 verließ der letzte Zug nach Mühlacker Karlsruhe schon am frühen Abend. Ganz anders als 1914. Damals verkehrte er „bei Bedarf nach Schluss des Hoftheaters“.
Darauf machte Lieb die Bahn aufmerksam. Zunächst erhielt er eine abschlägige Antwort, wenige Jahre später wurde jedoch sein Wunsch erfüllt: eine Spätverbindung. Da war klar, wohin die Reise geht – und dass sie als „ Qualitätsanwalt für die Fahrgäste in Baden-Württemberg “ enden musste, wenn der Posten je ausgeschrieben würde. Denn da kommt keiner heran: an seine Liebe zu Kursbuch und Bahn. Und zur sachlichen Kritik, manche würden auch sagen, freundlichen Nörgelei.
Drei Fragen…
Winfried Hermann ist seit zwölf Jahren Verkehrsminister von Baden-Württemberg. Hat sich der Schienenverkehr seither verbessert oder verschlechtert?
Sowohl als auch. Die Zahl der Verbindungen ist deutlich gestiegen. Gleichzeitig haben Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit gelitten. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Woran liegt es denn?
Manchmal hat man den Eindruck, als hätte die Verantwortlichen verlernt, wie Eisenbahn funktioniert. Gleichzeitig ist die Zahl der Verkehrsunternehmen gestiegen. Und jeder fühlt sich nur für sich verantwortlich.
Wird alles besser, wenn Ende 2025 Stuttgart 21 eingeweiht wird?
Ich bezweifele, dass der angestrebte Termin eingehalten werden kann. Andererseits schließe ich nicht aus, dass der Tiefbahnhof eines Tages funktioniert. Allerdings ist er, wie so vieles bei der Bahn, auf Kante genäht. Besser wäre es gewesen, man hätte ihm ein neuntes und zehntes Gleis gegönnt. Doch dazu waren die Projektpartner nicht bereit.