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Nachgehakt: Pflegekammer

Zukunft der Pflege: Forderungen und Perspektiven nach dem Scheitern der Pflegekammer

Die Pflegekammer kommt nicht. Das Quorum ist gescheitert, das hat Sozialminister Manne Lucha (Grüne) festgestellt. Unabhängig davon wollen Gegner und Befürworter die Pflege attraktiver zu machen und fordern, die Pflegenden in politische Entscheidungen einzubinden.

Eine Pflegekammer für die Pflegefachkräfte wird es im Land nicht geben. Nun gilt es, die Probleme in der Pflege zu lösen.

dpa/Marijan Murat)
Was sollte mit der Landespflegekammer erreicht werden?

Die Landespflegekammer sollte laut Gesundheitsminister Manne Lucha dazu beitragen, den Pflegeberuf aufzuwerten und den Fachkräftebedarf zu sichern. So sollte die Pflegekammer die Ausbildung fördern, Qualitätsmaßnahmen in der Pflege festlegen und „bei der Prävention, der Förderung und dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung mitwirken“, so Lucha bei der Einrichtung des Gründungsausschusses vor einem Jahr.

Nach und nach sollten ihr die Aufgaben zur selbstbestimmten Gestaltung der Weiterbildung übertragen werden. Durch die Kammer sollten die Pflegefachkräfte ihr Berufsbild gestalten und weiterentwickeln. Zugleich sollte sie der Sicherstellung einer professionellen Pflege im Land dienen.

Wie haben die Gegner der Landespflegekammer argumentiert?

Für die Gegner ist eine Kammer grundsätzlich eine Einrichtung für freie Berufe, nicht jedoch für abhängig Beschäftigte. Das Problem: Die Pflegekräfte wären an die Entscheidungen der Kammer etwa zu Fortbildungen oder Qualitätsvorgaben gebunden, nicht jedoch die Einrichtungen, in denen sie tätig sind.

„Die Pflegekammer hätte das Verhalten der Pflegefachpersonen regulieren können, nicht aber die Rahmenbedingungen ihrer Berufsausübung“, sagt Simon Wiese, Gewerkschaftssekretär bei Verdi im Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft. Das Problem seien jedoch die Verhältnisse, unter denen berufliche Pflege im Regelfall erbracht werde. Diese machten die Berufsausübung nicht nur unattraktiv, sondern im Einzelfall sogar belastungsbedingt unmöglich. Nach einer Potenzialanalyse zur Arbeitszeitaufstockung von Pflegekräften würde fast die Hälfte der Pflegekräfte, die in Teilzeit arbeiten, ihren Stellenanteil bei besseren Arbeitsbedingungen erhöhen, so Wiese.

Außerdem wurde von den Gegnern das Verfahren für die Einrichtung der Pflegekammer kritisiert. Denn wer gegen die Kammer war, konnte nicht einfach nur mit Nein stimmen, sondern musste dieses Nein so begründen, dass es anerkannt wurde. Alle angeschriebenen Pflegekräfte, die nicht antworten, werden so gezählt, als ob sie sich registriert hätten.

Warum wurde das Ergebnis vom Gründungsausschuss für die Landespflegekammer und vom Sozialministerium unterschiedlich bewertet?

Erreicht werden musste ein Quorum von 60 Prozent. Rund 120 000 Pflegefachkräfte waren auf Basis von Arbeitgebermeldungen angeschrieben worden und sollten sich für die Pflegekammer registrieren , ohne Rückmeldung zustimmen oder mit Begründung ablehnen. Der Gründungsausschuss sah das Quorum als erreicht an. Mit eingerechnet als Ja-Stimmen waren dabei auch 3100 Rückläufer, bei denen die Adressen falsch waren und die daher von der Post zurückgesendet wurden. Eine Handlungsweise, die der Landespflegerat gut hieß, das Ministerium hingegen nicht. Zudem hat das Ministerium auch noch die vom Gründungsausschuss als unwirksam beurteilten 1823 Einwendungen überprüft. Das Ministerium sah nur noch 769 Einwendungen als unwirksam an, da diese entgegen den Vorgaben nicht unterschrieben gewesen seien. Damit wurde das Quorum um 3377 Stimmen verfehlt.

Wie soll es weitergehen?

Der Landespflegerat (LPR), eine Arbeitsgemeinschaft von elf Berufsverbänden und Fachgesellschaften aus der Pflege, spricht von einem „schwarzen Tag für die Pflegeprofession in Baden-Württemberg“. Der LPR fordert, die „Mitwirkung der Profession der Politik schriftlich zu verbriefen – und über die Legislaturlaufzeiten hinaus zu verstetigen“, so die Vorsitzende Susanne Scheck. Laut Sozialministerium sei es selbstverständlich, die Verbände in die Belange der Pflegenden einzubinden. Lucha befinde sich in Kontakt mit dem LPR, auch um auszuloten, ob und wie die künftige Zusammenarbeit weiter intensiviert werden könne.

Welche Forderungen hat Verdi an die Politik?

Nach Angaben von Verdi fühlen sich viele Pflegende von der Politik nicht gehört. Es brauche dringend mehr Personal in der Pflege. Dazu müsse das land die bundesgesetzlich geregelte Personalbemessung und deren Einhaltung sicherstellen. Auch müsse das Land bei Ausbildung und Qualifizierung einen besseren Einstieg in die Ausbildung zur Fachkraft ermöglichen. Auch müssten anfallende Investitionskosten bei Pflegeeinrichtungen übernommen werden.

Verdi verweist zudem auf die laufenden Tarifverhandlungen an den vier Universitätsklinika im Land. Diese stehen unter Rechtsaufsicht und Gewährträgerschaft des Landes. „Hier könnte die Landesregierung ein deutliches Signal an die Berufsgruppe senden, indem sie sich hinter die Forderung nach Entlastung stellt und gemeinsam mit den Beschäftigten, ihrer Gewerkschaft und den Klinikumsvorständen konstruktive Lösungen anstrebt“, so Simon Wiese.

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