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Opposition und Verbände fordern Enquetekommission
Stuttgart. „Die Baustellen sind zahlreich, und die Politik trägt durch unzureichende Vorbereitungszeiten, intransparente und nicht zu Ende gedachte Entscheidungen dazu bei, dass große Aufgaben mit zu wenig Unterstützung auf die Betroffenen zukommen“, heißt es in der vom Landesschülerbeirat (LSBR) angestoßenen gemeinsamen Erklärung zum Stand der Bildungsreform.
Weil „diese tiefgreifenden Probleme“, wie es weiter heißt, alle Schularten und Regionen im Land betreffen, haben sich der Berufsschullehrerverband (BLV), die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Grundschulverband (GSV), der Landeselternbeirat (LEB) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sowie die Schulpsychologen im Land dem LSBR angeschlossen. Es sei an der Zeit, Baden-Württembergs Bildungslandschaft im Sinne der Kinder und nicht im politischen Partikularinteresse weiterzuentwickeln, damit „unser Land auch langfristig und nachhaltig zurück an die Spitze guter Bildung im nationalen und internationalen Vergleich findet“.
Baden-Württemberg liegt auf Platz fünf unter den Bundesländern
Im aktuellen Bildungsmonitor der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ liegt Baden-Württemberg auf Platz fünf unter den Ländern. In Fragen der Digitalisierung sogar auf Platz eins, in der Kategorie Arbeitsmarktorientierung und Berufliche Bildung auf Platz drei. Wenn es ums Geld geht, das ins System gesteckt wird, nur auf Platz elf wie beim Ganztagsausbau.
Die Landesvorsitzende des Realschullehrerverbands, Karin Broszat, sieht weiteren Gesprächsbedarf, weil „sehr viel Selbstgefälligkeit, Ideologie und wenig an der Realität orientierte Analyse den Weg zurück auf die Spitzenplätze versperrt“. Sie spricht von einer „gnädigen Gesamtnote für Baden-Württemberg“ und von einem „aus den Fugen geratenen Schulsystem“, was in einer Enquete sicher für viel Gesprächsstoff sorgen würde. Ebenso wie die von zwölf Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis vorgestellte „Neue Sekundarschule“. Ein Konzept, das daran erinnert, dass das von der Landesregierung begleitend zur G9-Reform eingerichtete Bürgerforum mehrheitlich dafür votiert hat, eine gerechtere Aufteilung der Gelder für alle Schularten anzustreben.
Anzusiedeln wäre die Kommission im Landtag. Die FDP, erklärt Fraktionsvize Timm Kern, fordere seit 2014 einen Schulfrieden, „der eine stabile, nachhaltige und nicht vom Wahlkampf beeinflusste Bildungspolitik zum Ziel hat“. Auch diesem Aspekt müsse sich das Gremium widmen. Die Forderung zeigt laut Kern, dass alle Player im Bildungsbereich das Vertrauen in die Landesregierung verloren hätten und ihre Fähigkeit, in dieser Legislaturperiode die bildungspolitischen Probleme in Angriff zu nehmen.
Das größte bildungspolitische Reformpaket seit zehn Jahren
„Natürlich steht es dem Landtag jederzeit frei“, lässt der Ministerpräsident durch eine Sprecherin ausrichten, „eine Enquete einzusetzen.“ Zugleich wird allerdings darauf verwiesen, dass für Baden-Württemberg derzeit das größte bildungspolitische Reformpaket seit zehn Jahren auf den Weg gebracht werde. Es gebe eine klare Priorität auf Chancengerechtigkeit und frühe verbindliche Sprachförderung. „Es gibt hier kein Erkenntnisdefizit“, so die Sprecherin weiter, jetzt gehe es um die Umsetzung.
Der Landeschülerbeirat hält dagegen. Die Herausforderungen seien „gewaltig und erfordern von allen Beteiligten kurz-, mittel- und langfristig ein enormes Maß an Engagement“, so der Vorsitzende Joshua Meisel. Notwendig sei gemeinsames Handeln. Um dies vorzuleben, hätten sich, trotz teils unterschiedlicher Ansichten in Einzelfragen, die Bildungsgewerkschaft sowie große Bildungsverbände und Interessenvertretungen im Land zusammengefunden.
„Nun sind die politischen Parteien, sowohl in der Regierung als auch in der Opposition, gefragt, dieses Anliegen aufzugreifen“, verlangt Meisel, „und die Verantwortung im Bildungsbereich in die Hände der am Landtag angesiedelten Enquete zu legen“, ergänzt Meisel.
Zwei Fraktionen reichen für eine Enquete aus
Die Einsetzung einer Enquete ist in Paragraf 34 der Geschäftsordnung des Landtags geregelt. „Zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte kann der Landtag eine Enquetekommission einrichten“. Und dazu besteht eine Pflicht, wenn dies von einem Viertel der Mitglieder des Landtags oder von zwei Fraktionen beantragt werde. SPD und FDP haben ihr Interesse an einem Gremium zum Thema Bildung schon bekundet.