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Wahlrechtsreform: Nur weniger Wahlkreise verkleinern den Landtag
Stuttgart. Die Landtagswahl findet erst im Frühjahr 2026 statt. Doch schon jetzt werden Befürchtungen laut, der Landtag könnte noch größer werden als die aktuellen 152 Abgeordneten. Es gibt verschiedene Studien und Berechnungen, die von 180 bis sogar 220 Abgeordneten ausgehen. Der Landesrechnungshof hat dazu sogar eine Kostenberechnung erstellt, die er nach kritischer Berichterstattung der „Stuttgarter Zeitung“ veröffentlicht hat.
Demnach könnten Mehrkosten von 200 Millionen durch den „XXL-Landtag“ entstehen. Die FDP hat einen Reformvorschlag vorgelegt,und der Bürger Dieter Distler aus Bietigheim-Bissingen einen Volksantrag angestoßen. Der allerdings bisher auf nur geringe Resonanz stößt, weil es Distler an Geld, Ressourcen und engagierten Mitstreitern mangelt. Und das Verfahren kompliziert ist.
Das Listen- und Zweistimmenwahlrecht hat mit der Parlamentsgröße nichts zu tun
In der teils populistisch geführten Debatte werden einige Themen miteinander vermengt. Zunächst gilt ab der Landtagswahl 2026 ein neues Wahlrecht, das die grün-schwarze Landesregierung auf den Weg gebracht hat. Es gibt künftig wie bei Bundestagswahlen ein Zwei-Stimmen-Recht, die Erststimme für den Wahlkreiskandidaten, die Zweitstimme für die Partei oder Liste.
Zudem wird die Zuteilung der Mandate umgestellt. Bislang hat man zuerst die direkt in den Wahlkreisen gewählten Abgeordneten als Fixgröße genommen. Dann kamen die gescheiterten Bewerber der Parteien zum Zug, in der Reihenfolge ihrer prozentualen Wahlergebnisse. Bis 2016 war dabei sogar die Zahl der absoluten Stimmen ausschlaggebend, was ländliche, große Wahlkreise bevorzugt hat. Ab 2026 gibt dies alles nicht mehr, die nicht in den Wahlkreisen direkt gewählten Bewerber werden nach der Reihenfolge einer von der Partei aufgestellten Liste ausgewählt.
Es geht um die Zuteilung der Sitze innerhalb der Parteien
Beides hat allerdings keine Auswirkung auf die Größe des Landtages. Dabei geht es nur die Frage der Zuteilung der Sitze innerhalb der Parteien, nicht um die Zahl der Sitze insgesamt und damit um die Größe des Parlaments. Das wird von den Kritikern des Wahlrechts oft unsachlich vermischt. Allenfalls könnte man einwenden, dass ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht die Tendenz begünstigt, mit der Zweitstimme kleinere Parteien zu wählen. Das ist aber spekulativ und war bei Bundestagswahlen nicht unbedingt der Fall.
Warum droht das Parlament so groß zu werden? Der Grund ist ganz einfach: CDU und Grüne werden voraussichtlich als größte Parteien fast alle Direktmandate gewinnen, und haben so mehr Sitze, als ihnen prozentual zustehen würden. Das sind die sogenannten Überhangmandate. Um demokratische Gerechtigkeit wieder herzustellen, erhalten die immer zahlreicher werdenden anderen Parteien dafür Ausgleichsmandate. Nur dieser Mechanismus führt zur Vergrößerung des Parlaments. Je mehr Parteien es gibt, desto mehr muss ausgeglichen werden. Es hängt also vor allem am Wahlverhalten.
Lesen Sie hier: FDP will Zahl der Wahlkreise halbieren
Direktmandate nicht ausgleichen oder verfallen lassen?
Nun gibt es verschiedene Ansätze, die Aufblähung zu ändern. Bei Bundestagswahlen wurden früher Direktmandate schlicht überhaupt nicht ausgeglichen – das hat die stärkste Partei überproportional bevorzugt. Im Extremfall könnte das bei knappen Ergebnissen sogar die Mehrheitsverhältnisse umkehren.
Einen anderen Weg hat die Ampelkoalition beschritten und das Wahlrecht für den Bundestag so verändert, dass nicht mehr alle direkt gewählten Abgeordneten ins Parlament kommen. Sondern nur so viele, wie der Partei auch prozentual zustehen. Das ist eine effiziente Lösung, wirft aber die erste Variante demokratietheoretische Fragen auf.
Weniger Wahlkreise sind effektiv – aber auch das hat Nachteile
Der dritte Weg, den FDP und der Volksantrag einschlagen, ist die Reduzierung der Zahl der Wahlkreise. Die Liberalen schlugen zunächst 60 statt 70 Wahlkreise vor, was aber kaum wie einen Effekt hätte. Nun fordern sie wie der Einzelkämpfer Dieter Distler noch 38 Wahlkreise. Das würde in der Tat die Wahrscheinlichkeit für Überhangmandate drastisch minimieren. Und wenn man ehrlich ist: Das ist der einzige Weg, den Landtag wirklich wieder in Richtung der Nominalgröße von 120 zu bewegen.
Aber will man das? Das würde sehr große Wahlkreise bedeuten, die oft über Landkreisgrenzen hinweg ragen. Vor allem in ländlichen Gebieten müsste man weit fahren, um den regionalen Mandatsträger zu treffen. Kleine Parteien währen in ganzen Landstrichen nicht mehr vertreten. Ist das mehr Bürgernähe? Man kann zu der Abwägung kommen. Nur eines ist klar: Es gibt keinen einfachen Weg ohne gravierende Nachteile für die Demokratie. Auch wenn das der Stammtisch gerne mal behauptet.