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Essay zur Schuldenbremse

Sparen ja – aber nicht um jeden Preis

Ein Plädoyer für eine maßvolle Reform der Schuldenbremse - in einem Essay von Michael Schwarz.

Der grüne Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, spricht sich seit langem für eine Reform der Schuldenbremse aus.

dpa/Bernd Weißbrod)

Wenn die Menschen eines Tages auf die Kanzlerschaft von Olaf Scholz zurückblicken, so der Philosoph Peter Sloterdijk in einem Interview mit der Zeit, werden sie sich möglicherweise an genau eine Entscheidung erinnern: die Zeitenwende, die der Sozialdemokrat wenige Tage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine verkündet hat.

Im Idealfall ist diese Erinnerung verbunden mit dem Gefühl, seinerzeit aus einem jahrzehntelangen Traum erwacht zu sein. Der Illusion, dass Europa verteidigungspolitisch die Hände in den Schoß legen könne. Und dass man einschließlich der Ukraine den Angriff überlebt hat.

Sollte dieser Fall eintreten, läge dies auch daran, dass Scholz die Schuldenbremse umging. Er schuf ein „Sondervermögen“, also einen riesigen Schuldenberg. Damit alles seine Richtigkeit hat, schrieb man sogar einen Absatz ins Grundgesetz, in dem die 100 Milliarden Euro erwähnt sind.

Die Menschen, die dann auf Scholz‘ Kanzlerschaft zurückblicken, könnten dieselben sein, die die Zeche für diesen Umgehungstatbestand zahlen müssen – in Form höherer Steuern zum Beispiel, um all die offenen Rechnungen samt Zins und Zinseszins zu begleichen. Aber möglicherweise sind sie der Ansicht: Das ist es uns im Rückblick wert.

So ist das mit der viel beschworenen Generationengerechtigkeit. Es sind eben nicht nur materielle Werte, die vererbt werden, sondern auch ideelle. Ein Leben in Freiheit ist auch ein Pfund, wobei nicht verschwiegen werden darf, wie groß die Opfer sind und dass sie sich nicht nur in Euro und Cent messen lassen.

Derzeit ist wieder viel von der Schuldenbremse die Rede, und wie wichtig sie sei. Gleichzeitig argumentieren andere, dass sich der Staat damit unnütze Fesseln anlegt. Zahlreiche Reformvorschläge sind in der Diskussion, für manche würde eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat benötigt, andere könnte die Ampel allein beschließen.

Einiges spricht dafür, dass eine Reform nur noch eine Frage der Zeit ist. 2025 wird eine neue Bundesregierung gewählt und nach heutigem Stand dürfte die Union den nächsten Kanzler stellen. Der müsste dann mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts leben, das er selber erwirkt hat. Oder aber, alle Beteiligten setzen sich zusammen und denken sich etwas Vernünftiges aus.

Dann sollte auch Danyal Bayaz am Tisch sitzen. Der baden-württembergische Finanzminister hat die Debatte über eine Reform der Schuldenbremse schon vor Jahren angestoßen – mit dem Argument, dass sich der Staat ansonsten die Klimawende nicht leisten könne.

Denn es wird viel Geld gebraucht. Zum Beispiel, damit Stuttgart 21 kein Torso bleibt. Gerade erst hat Winfried Kretschmann dem Kanzler einen Brief geschrieben mit der Bitte, bei der Bahn ein Machtwort zu sprechen, damit das Geld nicht anderweitig ausgegeben wird.

Das ist gut und schön, aber eigentlich reicht es nicht, auf die Zweckbestimmung der Mittel für Stuttgart 21 zu pochen. Nicht nur für den ersten digitalen Knoten der Republik wird Geld gebraucht, sondern auch für viele andere Maßnahmen. Nur so kann die Bahn die Rolle bei der Verkehrswende einnehmen, die ihr gebührt.

Gleichzeitig ist die disziplinierende Wirkung der Schuldenbremse nicht zu unterschätzen. Deutschland hält das Maastricht-Kriterium nahezu ein – und dies trotz Bazooka und Doppel-Wumms aus Corona-Zeiten. Dies ist keine schlechte Nachricht, auch wenn große Schuldenmacher wie die USA das Gegenteil zu beweisen scheinen. Denn laut einer Ifo-Studie verzeichnen Staaten, die sich fiskalpolitischen Regeln unterwerfen, im Schnitt ein höheres Wirtschaftswachstum als solche, die dies nicht tun. Scholz könnte mit seinem Optimismus in Sachen Konjunkturaufschwung noch Recht bekommen.

Die Frage ist allerdings, ob er dann noch regiert. Die Ampel wird ja im Wesentlichen dadurch zusammengehalten, dass die beteiligten Parteien bei Neuwahlen einen Sturz ins Bodenlose fürchten müssten. Das ist bei den Akteuren in Baden-Württemberg nicht der Fall.

Umso wichtiger wäre es, wenn es Bayaz gelingt, auch Manuel Hagel von der Notwendigkeit einer Reform der Schuldenbremse. Der mögliche nächste Landesvater hält ja wenig davon. Aber auch seine Meinung könnte sich ändern. Immerhin hat er bei seiner Wahl zum CDU-Chef versprochen, die Politik von Winfried Kretschmann fortzuführen. Der war einmal ein glühender Verfechter der Schuldenbremse, hat aber inzwischen erkannt, dass es wenig bringt, auf der reinen Lehre zu beharren.

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