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Neuer Ärger wegen der geplanten Pflegekammer
Stuttgart. Seit dieser Woche bekommen die Pflegekräfte in Baden-Württemberg Post vom Gründungsausschuss Pflegekammer . Rund 114 000 Briefe sind rausgegangen. Die Reaktion vieler Pflegekräfte, die das sechsseitige Schreiben erhalten haben, ist Verunsicherung.
Denn wer sich gegen die Pflegekammer aussprechen möchte, muss nun reagieren. Wer das nicht tut, stimmt der Pflegekammer zu. Ein Verfahren, das die Gewerkschaft Verdi kritisiert. „Wer ja sagt muss nichts machen, wer nein sagt, muss begründet innerhalb von sechs Wochen Einwände vorbringen“, sagt Jakob Becker, Landesfachbereichsleiter Gesundheit und Soziales. Sein Fazit: „Von einem demokratischen Quorum kann in diesem Verfahren keine Rede sein.“ Sollte die Kammer kommen, werde sie für immer mit dem Makel einer fehlenden echten Legitimation leben müssen. Denn nur wenn über 40 Prozent der Pflegekräfte aktiv Einwände vorbringen, bedeutet das das Aus für das von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) vorangetriebene Projekt.
FDP spricht von Webfehler
Auch Jochen Haußmann , gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, spricht von einem „Webfehler“. Seine Fraktion hatte bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Landespflegekammer im vergangen Jahr deshalb auch mit einem Änderungsantrag eine aktive Registrierung gefordert. Dem wollten Lucha und die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU nicht folgen. „Das wäre für die Akzeptanz der Landespflegekammer wichtig gewesen“, sagt Haußmann.
Was bei mangelnder Akzeptanz passieren kann, zeigen die Beispiele aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein, wo die Landespflegekammer wieder rückabgewickelt wird. Das Schreiben des Gründungsausschusses an die Pflegekräfte wirbt massiv mit Vorteilen der Pflegekammer. „Die zahlreichen Pflichten und möglichen Kosten, die eine Pflegekammer für die Pflegefachpersonen bringt, finden sich nicht einmal im Kleingedruckten“, kritisiert Volker Mörbe, Krankenpfleger und Mitglied im früheren Beirat Pflegekammer des Sozialministeriums. Was das bedeuten kann erläutert Mörbe am Beispiel von Rheinland-Pfalz, wo es seit sieben Jahren eine solche Pflegekammer gibt. Dort seien inzwischen Beträge von 33 Millionen Euro von den Pflegekräften eingefordert worden.
Sorge: Weiterbildungen auf eigene Kosten in der Freizeit
Der Gründungsausschuss geht derzeit zwar von einem monatlichen Beitrag von unter zehn Euro aus. Er räumt aber auch ein, dass künftig Fort- und Weiterbildungen erforderlich sein könnten, die nicht vom Arbeitgeber bezahlt werden. Das würde bedeuten, dass abhängig Beschäftigte ihre Weiterbildungen selbst bezahlen und in ihrer Freizeit absolvieren müssten, kritisiert man bei Verdi.
Jana Langer, Krankenpflegerin an der Uniklinik Ulm weist darauf hin, dass sie als Pflegekraft ja bereits einen Arbeitgeber hat, der ihr genau vorschreibt, wie sie zu arbeiten habe. Wenn nun noch eine Berufsordnung mit eigener Berufsgerichtsbarkeit dazu komme, mache – was für freie Berufe zur Wahrung von Qualitätsstandards sinnvoll ist – sie „künftig zum Diener zweier Herren“. Denn die Pflegekammer kann den Arbeitgebern keine Vorschriften machen.
Angst vor beruflichen Nachteilen, weil Vorgesetzter im Gremium sitzt
Doch auch wer sich gegen die Pflegekammer aussprechen will, tut sich damit schwer. Denn die Einwendungen gehen mit ID, Name und Geburtsdatum an den Gründungsausschuss. Einen Ausschuss, in dem zum Teil die eigenen Vorgesetzten sitzen. Was viele auch von einer Einwendung abhalten wird, aus Angst vor negativen Auswirkungen im Berufsleben. Verdi kritisiert dieses Verfahren. Dort haben sich bereits Pflegekräfte gemeldet mit dem Hinweis, dass sie – obgleich dagegen, lieber zustimmen werden, aus Angst dass ihre Pflegedirektor erfährt, dass sie sich dagegen aussprechen. Hier wäre eine neutrale Stelle notwendig gewesen, so Verdi.