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Landtagsanhörung

Neue Ankunftszeiten und ärztliche Standards: Experten fordern Nachbesserungen beim Rettungsdienstgesetz

Bei einer Landtagsanhörung zum neuen Rettungsdienstgesetz in Stuttgart herrscht Einigkeit unter den Experten: Der Gesetzesentwurf weist erheblichen Änderungsbedarf auf. Es geht unter anderem um die vorgesehene Ersetzung von Notärzten durch nicht-ärztliches Personal und die geplanten neuen Ankunftszeiten des Rettungsdienstes.

Experten fordern für das neue Rettungsdienstgesetz Nachbesserung.

IMAGO/Wolfgang Maria Weber)

Stuttgart. „Ich wünsche viel Erfolg bei der Überarbeitung des Gesetzentwurfs“, so unmissverständlich reagierte Andreas Pitz, Sozial- und Gesundheitsrechtsprofessor der Uni Mannheim, auf übereinstimmende Expertenaussagen bei der Landtagsanhörung zum neuen Rettungsdienstgesetz. Denn alle sechs Fachleute sehen zum Teil erheblichen Veränderungsbedarf.

Durchaus zufrieden äußerte sich nur Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags. Er sieht eigene Anliegen als erfüllt an, zugleich aber mahnt auch er eine ausreichende Finanzierung von notwendigen Neuerungen an.

Kritik an ärztlichen Standards

Es geht um entscheidende Minuten, möglicherweise um Leben und Tod. Erik Popp, Notfallmediziner am Universitätsklinikum Heidelberg, stellte sich in die Schuhe Betroffener. Diese könnten bevor sie in eine Klinik kommen, eigentlich jene Standards erwarten, die sie auch in der Klinik erwartet, etwa in Fragen der ärztlichen Betreuung oder der Qualität.

Tatsächlich jedoch dürfe nach den bisherigen Planungen nicht-ärztliches Personal Notärzte ersetzen. Das sei nicht nachzuvollziehen. „Der Notarzt ist in lebensbedrohlichen Situation unentbehrlich“, erklärte auch Frank Knödler vom Landesfeuerwehrverband, „deshalb muss der Gesetzgeber das ins Gesetz schreiben.“

Für den Rettungsdienst ist das Innenministerium zuständig. Dies will unter anderem, dass die Ankunftszeit des Rettungsdienstes künftig auf 12 Minuten festgelegt wird- anstatt wie bisher 10 bis 15 Minuten – und dass dieser neue Zielwert ins Gesetz aufgenommen werden soll.

Schwächen in der Organisation

Pitz, der Rechtsprofessor, rügte diese und etliche andere Passagen in der 60 Seiten starken Novelle als zu unbestimmt, darunter den Begriff „akuter Blaulichteinsatz“. Denn: „Wann ist ein Einsatz akut?“ Zudem verwies er auf organisatorische Schwächen. Zum Beispiel brauche ein Patient mit einem gebrochenen Schlüsselbein keinen Notarzt. Allerdings erfahre die Leitstelle, die den Notruf empfängt, solche Infos nicht immer, sagt Pitz.

Unterschiedlich bewertet wurde die Qualität des Rettungswesens im Südwesten im Vergleich zu anderen Bundesländern. Während Komorowski die Meinung vertrat, Baden-Württemberg brauche den Vergleich in keiner Weise zu scheuen, kritisierte Frank Flake vom Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e. V. unter anderem die in den Gesetzentwurf aufgenommene Experimentierklausel.

In der jetzigen Fassung sei sie nicht notwendig, weil andere Bundesländer längst Nachahmenswertes erprobt hätten. Für die CDU beklagte Matthias Miller, dass bei der Anhörung zumindest auch der Eindruck erweckt worden sei, der Rettungsdienst in Baden-Württemberg funktioniere nicht. Daniel Karrais, dem Rottweiler FDP-Abgeordneten, störte wiederum, dass nur Innenstaatssekretär Thomas Blenke den gut eineinhalbstündigen Ausführungen der Fachleute ununterbrochen folgte, während Innenminister Thomas Strobl (beide CDU) den Plenarsaal für Radiointerviews verlassen habe. Die FDP-Fraktion wollte den Minister herbeizitieren lassen, der Ausschussvorsitzende Ulli Hockenberger (CDU) entschärfte die Situation jedoch und ließ Strobl einfach holen.

Innenausschuss rät gegen Oppositionsstimmen zur Annahme des Gesetzes

Der Innenausschuss des Landtags ist den Experten mehrheitlich allerdings nicht gefolgt. Im Anschluss an die Expertenanhörung fasste der Ausschuss gegen die Stimmen der Opposition den Beschluss, dem Plenum zu empfehlen dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Das teilte der Ausschussvorsitzende Ulli Hockenberger mit. SPD und FDP hatten in der nicht öffentlichen Beratung über den Gesetzentwurf gefordert, die Beschlussfassung angesichts der vorgetragenen Bedenken zu verschieben und den Gesetzentwurf zunächst gründlich zu überprüfen. Die SPD-Fraktion hatte auch einen entsprechenden Antrag gestellt, den das Gremium jedoch mehrheitlich abgelehnt hat.

Die CDU-Fraktion hatte laut Hockenberger erklärt, viele dieser Erkenntnisse seien schon vor Wochen vorgetragen worden. Die Anhörung habe keine Neuigkeiten gebracht. Die Oppositionsfraktionen haben nun  angekündigt, bei der nächsten Beratung im Plenum eine Vielzahl von Änderungsanträgen einzubringen.

Für die FDP-Fraktion sagte Nico Weinmann:  „Die Sachverständigen haben erhebliche praktische wie rechtliche Bedenken geäußert und diesem Gesetzentwurf ein ganz schlechtes Zeugnis ausgestellt. Unter keinen Umständen sollte dieser vor der Sommerpause unverändert beschlossen werden. Dafür ist der Änderungsbedarf schlicht zu immens, die rechtliche Unsicherheit zu groß.“ Den potenziellen Notfallpatienten sei nicht damit gedient, „wenn auch die Neufassung des Rettungsdienstgesetzes vor Gericht einkassiert wird oder aufgrund von unbestimmten Rechtsbegriffen Unsicherheit herrscht“.

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