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Informatik

Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe: Mit digitalen Tools die Demokratie stärken

Viele suchen Mittel und Wege, um demokratische Teilhabe von Bürgern zu fördern und Fake News zu bekämpfen. Am Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe werden digitale Instrumente entwickelt. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski ließ sich diese bei einem Besuch demonstrieren und zeigte sich angetan.

Moderne Bürgerbeteiligung: Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) nutzt eine VR-Brille, um in die virtuelle Realität eines Bauprojekts einzutauchen.

Jerome Nguyen)

Karlsruhe. Es war ein heißer Tag Anfang September, als Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) beim Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe (FZI) pünktlich um 10 Uhr den Saal betrat. Dort waren neben Mitarbeitern des FZI unter anderem Gemeinderäte und Landtagsabgeordnete sowie die Erste Bürgermeisterin der Stadt Karlsruhe versammelt, Gabriele Luczak-Schwarz (CDU). Wer mit Jackett gekommen war, hatte es der Hitze wegen bereits abgelegt. Um das erhitzte politische Klima in Deutschland ging es, zwei Tage nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, in den kommenden anderthalb Stunden.

Wie kann Demokratie befördert und geschützt werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt. Bei „DeFakts“ geht es um die Erforschung und Bekämpfung von Desinformation. Das besagt auch der Titel des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts: „Desinformationskampagnen beheben durch Offenlegung der Faktoren und Stilmittel“.

KI-gestützte App misst Wahrheitsgehalt von Nachrichten

Wie das konkret aussieht? Nutzern des noch in der Entwicklung befindlichen, KI-gestützten Programms wird nicht einfach ein „Richtig“ oder „Falsch“ als Antwort vorgesetzt, wenn sie etwa eine Social-Media-Nachricht damit auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen wollen. Vielmehr lautet die Einschätzung der App beispielsweise, dass diese zu 95 Prozent Fake News enthält – und dies wird erläutert und begründet.

Bei der Taxonomie und den Filtern des Programms spielt die Sprache eine große Rolle als Kriterium für die Sachlichkeit eines Beitrags; so verschlechtert etwa ein Ausdruck wie „schamloser Putinversteher“ den ermittelten Wert. „Ziel ist, eine universelle Lösung zu entwickeln, die für verschiedene Plattformen automatisiert transparentes Feedback zum möglichen Auftreten von Fake News gibt“, schreiben die Forscher vom FZI im Projektflyer. Sie könnten sich gut vorstellen, dass dieses Tool im Schulunterricht zum Einsatz kommt, wenn das künftige Fach Medienbildung Standard wird – und die Ministerin zeigte sich angetan von dieser Idee.

Teilnahme und Teilhabe der Bürger bei kommunalen Projekten zu fördern oder überhaupt erst sinnvoll zu ermöglichen, ist Anliegen von VIRTUS. Das ebenfalls vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt „eignet sich insbesondere, um Betroffene zu Beteiligten zu machen“, wie es im Flyer des FZI dazu heißt, nämlich mit dem Einsatz von Virtual Reality (VR). Anschaulich gemacht wurde das für Olschowski, indem sie eine VR-Brille aufgesetzt bekam, die sie in die virtuelle Realität eines Bauprojekts eintauchen ließ. Dort konnte sie nicht nur die Umgebung eines geplanten Spielplatzes sehen, sondern es wurden auch zu bestimmten Planungselementen im virtuellen Raum echte Kommentare von Bürgern eingespielt.

„Bürgerbeteiligung in der Stadt- und Bauplanung ist relativ komplex“, erläuterte eine studentische Mitarbeiterin des Projekts. Denn es gebe eine Fülle von Zahlen und Planungsdaten und so „ist es schwierig, die Bürger auf Augenhöhe zu bringen“. Mithilfe von Virtual Reality sei es möglich, „sehr abstrakte Ideen greifbar zu machen“, um so Bürgern eine echte Entscheidungsgrundlage zu vermitteln.

Noch voll im Gange ist ein anderes Projekt, Sosec genannt: als Abkürzung von Social Sentiment in Times of Crisis. Je etwa 3000 Untersuchungsteilnehmer werden dazu in Deutschland und den USA im zweiwöchentlichen Rhythmus befragt.

„Wo gesellschaftliche Trennlinien verlaufen, wo Vertrauen in demokratische Institutionen auf dem Spiel steht – all das erforschen wir in Sosec mit modernsten Methoden“, so hat es der Projektleiter Jonas Fegert in der Projektskizze formuliert. Ziel ist es, durch diese dichte Abfolge von Umfragen ermitteln zu können, welche Ereignisse und Medienberichte darüber die Stimmung nachweisbar beeinflussen und zur politischen Polarisierung und Radikalisierung beitragen.

„Aus meiner Sicht ist relevant, dass wir über die Erhebung von Daten über lange Zeitperioden wirklich feststellen können, wie sich die Situation in der Gesellschaft verändert – sehr konkret und sehr spezifisch“ kommentierte die Ministerin. „Das gibt nicht für alles sofort eine Erklärung, und das hilft auch nicht, alle Probleme in der Welt zu lösen. Aber es gibt uns für Deutschland und für die Gesellschaft doch ein Gefühl, was tatsächlich passiert.“

Olschowski will die Arbeit des FZI sichtbar machen

Gegenwärtig zeigt das Stimmungs-barometer hohe Temperaturen: „Zurzeit sind alle ganz schön wütend“, schildert Christof Weinhardt, Direktor am FZI und Professor am Karlsruher Institut für Technologie, die aktuelle Datenlage – „und das völlig unabhängig von der Bildungssituation“. Viel Stoff zum Nachdenken für alle, die an der Demokratie und ihrem Wohlergehen interessiert sind.

Bei einer Veranstaltung in der Landesvertretung in Berlin am 26. September will Olschowski mit dafür sorgen, dass die Arbeit des FZI „auch sichtbar gemacht wird“ und dass die Kommunen im Land stärker wahrnehmen, dass es eine Einrichtung gibt, die innovative Konzepte zur Bürgerbeteiligung anbietet.

Das Forschungszentrum

„Innovationen zum Wohle der Gesellschaft“ sind das selbsterklärte Ziel des Forschungszentrums Informatik (FZI) mit Hauptsitz in Karlsruhe und einem Büro in Berlin. Als gemeinnützige Einrichtung entwickelt das FZI aus wissenschaftlichen Erkenntnissen der Informationstechnologie Lösungen für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. Enger Partner ist das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), mit dem es auch vielfältige personelle Verflechtungen gibt.

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