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Interview

Minister Peter Hauk: „Es braucht ein Moratorium beim Mindestlohn“

Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) ist in diesem Jahr Vorsitzender der Agrarministerkonferenz. Diese tagt in der kommenden Woche in Baden-Baden. Ungewöhnlich für eine solche Konferenz der Fachminister ist: Der aktuell zuständige Bundesminister ist nur noch geschäftsführend im Amt. Gleichzeitig stehen wichtige Aufgaben an.

Landwirtschaftsminister Peter Hauk ist seit Januar Vorsitzender der Agrarministerkonferenz.

picture alliance/dpa/Helena Dolderer)

Staatsanzeiger: Sie haben den Vorsitz der Agrarministerkonferenz in einer schwierigen Zeit übernommen. Wie geht es Ihnen damit?

Peter Hauk: Es ist eine spannende Zeit. Die Bundesregierung ist ja nur noch geschäftsführend im Amt. Und wir haben drängende Themen, die keinen Stillstand vertragen. Wir werden deshalb diese Themen angehen. Denn viele Gesetze und Verordnungen benötigen ja auch die Zustimmung des Bundesrats. Wir hoffen, dass die Themen, wenn die neue Bundesregierung im Amt ist, dann schnell abgearbeitet werden können.

Demnächst steht die Spargelernte an, dann folgen die ersten Erdbeeren aus Deutschland. Was bedeutet der Mindestlohn für die Landwirtschaft mit ihren Saisonarbeitern?

Wir beobachten seit Jahren eine tiefgreifende Rezession im Gemüsebau in Deutschland und gleichermaßen in Baden-Württemberg. Rezession bedeutet, dass jedes Jahr weniger Flächen bewirtschaftet werden und dass weniger Produkte auf den Markt kommen. Und das in einem Sektor, wo wir heute bereits 70 Prozent importieren und nur noch 30 Prozent selbst erzeugen. Da müssen wir dringend Einhalt gebieten. Deshalb brauchen wir beim Mindestlohn Differenzierungen.

Das bedeutet?

In der Landwirtschaft sind Menschen saisonal beschäftigt, die zu 90 Prozent nicht dauerhaft in Deutschland wohnen und somit auch nicht die deutschen Lebenshaltungskosten zu tragen haben. Da müssen wir beim Mindestlohn differenzieren. Wir werden das Rad nicht mehr zurückdrehen können, aber bei weiteren Erhöhungen des Mindestlohns brauchen wir ein Moratorium, das die saisonal Beschäftigten in der Landwirtschaft ausnimmt. Die dürfen in den nächsten Jahren nicht an weiteren Lohnsteigerungen beim Mindestlohn teilnehmen. Das gilt nicht für die Menschen, die dauerhaft in Deutschland wohnen und arbeiten.

Welche Gefahren sehen Sie, wenn die Mindestlohnerhöhungen nicht ausgesetzt werden?

Dann droht, dass wir den Gemüsebau in Deutschland komplett verlieren werden. Bereits heute geben viele Betriebe aufgrund der Kostensituation auf. Wer landwirtschaftliche Produktion und Produktivität in Deutschland will, muss Lösungen finden. Das wäre eine davon.

Gerade in Baden-Württemberg spielen die Sonderkulturen – also Obst, Gemüse und Wein – eine große Rolle. Wie stellt sich die Situation im Südwesten dar?

Obwohl sie keine zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen bei uns betreffen, machen sie aber ein Drittel der landwirtschaftlichen Wertschöpfung aus. Das ist bedeutsam. Allerdings verlieren wir derzeit jedes Jahr fünf bis sechs Prozent von diesem Drittel, etwa weil Landwirte aufgeben. Der Mindestlohn ist dabei einer der Gründe.

Bei der Europäischen Union starten die Planungen für die nächste Förderperiode ab 2027. Wie muss Deutschland sich da aufstellen?

Mein Bestreben als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz ist, dass wir Länder uns auf eine einheitliche Position einigen. Das ist wichtig, wenn wir auf die Ausgestaltung Einfluss nehmen wollen. Das geht am besten, wenn wir uns einig sind.

Wie schwierig wird das? Die Interessen in Nord- und Ostdeutschland mit großen Höfen und Flächen sind andere als die der Landwirtschaft mit ihren kleinen Höfen in Baden-Württemberg.

Die Interessen sind gravierend unterschiedlich. Aber wir haben es bislang immer geschafft, zu einem Interessensausgleich zu kommen. Auch wenn das in der Vergangenheit oft nächtelange Sitzungen waren.

Müssen die EU-Flächenzahlungen gekappt werden, um die Umweltleistungen der Landwirte stärker zu fördern?

Die EU-Kommission empfiehlt, die Gelder nicht mit der Gießkanne zu verteilen und auch die kleinen Strukturen zu fördern. In Irland wird beispielsweise die Förderung auch bei großen Höfen auf 100 000 Euro beschränkt. In Deutschland haben wir uns darauf verständigt, dass die ersten Hektar mit mehr Geld gefördert werden als die weiteren. Das ist meines Erachtens ein kluger Kompromiss.

Die Aufgaben wachsen derzeit. Es geht beim Bund und auch in der Europäischen Union um mehr Geld für Verteidigung, es geht um Infrastruktur, es geht um Klimaschutz. Wird es künftig noch genau so viel Gelder für den Agrarbereich geben wie heute?

Niemand kann negieren, dass das Budget der EU künftig neue Schwerpunkte haben wird. Stichwort Verteidigung, Stichwort Migration. Insofern wissen wir alle noch nicht, was am Ende verteilt werden kann. Wenn absehbar ist, dass nicht mehr Geld für das Agrarbudget zur Verfügung steht, dann muss sich die EU von Bewirtschaftungsvorgaben und -auflagen verabschieden. Dann brauchen die Landwirte mehr Freiheitsgrade.

Viele Landwirte stöhnen über die Bürokratie, nicht zuletzt auch durch Auflagen der EU. Was erwarten Sie dazu vom neuen EU-Agrarkommissar Christophe Hansen?

Da erwarte ich viel. Er hat ja bereits Bürokratieentlastungen angekündigt. Ein Punkt dabei ist GLÖZ, also die Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen. Die Landwirte wissen, was sie zu tun haben, etwa beim Erosionsschutz. Auch ergibt es keinen Sinn, nach dem Kalender zu düngen. Die Temperaturen und Witterungsbedingungen auf der Schwäbischen Alb sind andere als im Neckartal.

Auch der Klimawandel macht den Landwirten zu schaffen. Mal ist es zu heiß, zu trocken, das Getreide verdorrt. Dann wieder gibt es vermehrt Hagel und Starkregen oder Frosteinbrüche. Doch der einzelne Landwirt kann sich kaum gegen solche Schäden versichern. Das kann schnell sehr teuer werden.

Wir waren bundesweit die Ersten, die eine Mehrgefahrenversicherung eingeführt haben. Vor allen Dingen für den Obst- und Weinbau. Der Landtag von Baden-Württemberg hat im letzten Jahr zusätzliche Mittel bereitgestellt, um die Destinationen und die Risiken zu erweitern. Unser Ziel ist, dass wir zu einer echten Mehrgefahrenversicherung kommen, die alle Risiken rund um den Klimawandel versucht abzudecken. Wahr ist allerdings auch, dass die Schäden in den letzten Jahren zugenommen haben, weil die Extremereignisse zugenommen haben. Dadurch sind auch die Versicherungsprämien gestiegen. Unser Ziel wäre eine entsprechende bundesweite Versicherung, bei der der Landwirt ein Drittel zahlt und Bund und Land jeweils ein Drittel übernehmen. Das könnten wir aus der EU-Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz zahlen. Derzeit zahlt in Baden-Württemberg das Land die eine Hälfte der Versicherung, die Landwirte tragen die andere Hälfte.

Das Gespräch führte Stefanie Schlüter

Zur Person

Peter Hauk (CDU) ist Minister für den ländlichen Raum und Verbraucherschutz. In sein Ressort fallen Landwirtschaft, Forst, Ernährung, der ländliche Raum und der Verbraucherschutz. Der 64-jährige Förster aus dem Wahlkreis Neckar-Odenwald gehört dem Landtag seit 1992 an. Von 2005 bis 2010 leitete er das Ministerium für den ländlichen Raum. Von 2010 bis 2015 war er CDU-Fraktionsvorsitzender. 2015 wurde Guido Wolf zum Fraktionschef gewählt. Seit der Landtagswahl 2016 ist Hauk wieder Minister für den ländlichen Raum. Auch für die Landtagswahl 2026 wurde er bereits in seinem Wahlkreis wieder als Kandidat aufgestellt. Bislang gewann er stets das Direktmandat.

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