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Manuel Hagel reist durchs Land, um zuzuhören
Karlsruhe/Freiburg. Die Karlsruher CDU ist gespannt. Als Location hat man eine zum Gründerzentrum umgebaute Fabrik im Stadtteil Durlach gewählt, in dem auch die Lithium-Firma Vulcan sitzt. Alle sind sie da: Männer in Hemden von der Jungen Union, eine distinguierte Dame im Kostüm mit adretter Frisur, die „Grundsätzlich CDU“ als Sticker am Revers trägt. 140 Leute sind gekommen, deutlich mehr als geplant.
Und dann ist er da, der voraussichtliche Spitzenkandidat der CDU. Manuel Hagel startet seine Sommertour. Die Kreisvorsitzende und ehemalige Staatssekretärin Kathrin Schütz schwärmt: „Ich freue mich ja so, dass du hier bist.“ Hagel lässt sich von Doris Schmitz befragen. Die Karlsruher Unternehmerin war 2009 sogar Miss Deutschland.
Manche kennen Hagel noch nicht persönlich. Wie Siegfried Schönberger, Fraktionschef im Ortschaftsrat des Stadtteils Grötzingen, der in der ersten Reihe sitzt. Ja, wie ist er denn so, der Mensch Manuel Hagel? Noch etwas steif betritt er die Bühne, dann erzählt er von der geplanten Urlaubsfahrt nach Norditalien: „Die Fahrt darf nicht länger als 3,5 Stunden gehen, sonst gibt es einen Zwergenaufstand auf der Rückbank.“ Als es um die Innere Sicherheit geht, bekennt er, dass er seiner Frau nicht empfehlen würde, nach dem Besuch des Stuttgarter Staatstheaters über den Schlossplatz zum Bahnhof zu laufen .
Ein Zitat von Felix Magath erledigt die Altersfrage
Es ist ein lockerer Plausch, durchaus politisch. Der erst 36-Jährige zitiert den ehemaligen VfB-Trainer Felix Magath: „Ich kenne keine jungen und alten Spieler, sondern nur gute und schlechte.“ Der VfB in Karlsruhe? Egal, Hagel erwähnt, dass der KSC gewonnen hat, und alle strahlen.
Lesen Sie hier, wie Manuel Hagel bei der CDA auftritt.
Hagel spricht über Work-Life-Balance, dass Arbeit Spaß machen soll, warnt vor „Angstmacherei vor Hitzetod und Überfremdung“. Bemerkenswert ist dabei die Balance zwischen den Flügeln. Er lobt Angela Merkels Entscheidung, 2015 Flüchtlinge in der Not aufzunehmen. „Was wären wir sonst für Christen? Ich hätte genauso entschieden.“ Gleichzeitig kritisiert er, dass im Anschluss das Dublin-Abkommen ausgesetzt wurde.
Die Grünen und Özdemir werden weggelächelt
Die Grünen und Cem Özdemir? Werden nur am Rand oder gar nicht erwähnt. Hagel gibt sich schlagfertig, als jemand fragt, wie er es denn „mit diesem Agrarminister“ halten werde. Der CDU-Chef grinst und sagt: „Ich verstehe mich mit Peter Hauk ganz hervorragend, da geht kein Blatt Papier zwischen uns.“
Nach zwei Stunden ist der Auftakt geschafft, endlich kann der Ehinger einen Salat essen. Am nächsten Morgen geht es um 8 Uhr weiter, ohne Frühstück. Das Programm ist dicht getaktet. Hagel hat im Pforzheimer Stadtteil Haidach mit Russlanddeutschen diskutiert, die Woche zuvor war er in Ostdeutschland, hat im Wahlkampf geholfen. „Es ist wichtig, dass wir zuhören und nicht gleich ausgrenzen“, erzählt er im CDU-Bus, der für die Sommertour im Einsatz ist.
Gibt es eine Deutschlandkoalition nach der Wahl?
Es ist ein schwieriger Spagat. Der Überdruss in der CDU gegenüber den Grünen ist in der Partei mit Händen greifbar, doch der wohl künftige Spitzenkandidat der Union will sich alle Optionen offen halten für 2026. Er grenzt sich scharf von der AfD ab, und will doch mit deren Wählern reden. Hagel will die konservativen Wähler im Land ebenso ansprechen wie liberale Städter für die Union gewinnen. Und der dreifache Vater muss sich ab Herbst voraussichtlich mit dem grünen Bundesagrarminister Cem Özdemir als Gegenkandidaten auseinandersetzen. Doch jetzt geht es erst einmal ums Zuhören.
Hagel besucht zahlreiche Start-ups. An diesem Morgen die Firma Dyno in Offenburg, die eine Software für Betriebsrenten anbietet. Lauter junge Leute, die über Altersvorsorge nachdenken. Der CDU-Chef hört zu, fragt nach, wie die Politik Firmengründungen einfacher machen kann, wo Hilfe nötig und möglich ist. „Ich besuche nicht nur die Leute, die schimpfen und meckern, sondern eben vor allem diejenigen, die etwas tun wollen“, sagt er. Weiter geht es. Nach einer langen Autofahrt stößt in Freiburg Johannes Vetter (31) zu dem Tross. Der Speerwerfer wäre jetzt bei Olympia in Paris dabei gewesen, hätte er nicht eine OP gehabt. Er sitzt (für die CDU) im Offenburger Gemeinderat und will Hagel unterstützen. Der strahlt: „Ich finde es toll, dass hier eine Bewegung überall im Land entsteht und Menschen mitmachen wollen.“
Vetter ist in Freiburg bekannt. Als Hagel mit dem Leichtathleten beim Lokalsender Baden FM auftaucht, gibt es ein großes Hallo: „Wie geht es dir? Was macht die Schulter?“
Der bekennende VfB-Fan lobt die gute Arbeit beim SC Freiburg
Auch das Radiointerview bestreitet Hagel wie immer mit druckfertigen Antworten. Er lobt den Fußballclub SC Freiburg, nachdem der Reporter den bekennenden VfB-Fan fragt, wie es denn so im „Feindesland“ sei: „Ich finde unglaublich sympathisch, was hier an toller Arbeit geleistet wird.“ Und noch jemand bekommt Sympathie ab: Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident. Hagel: „Ich schätze ihn sehr. Sein pragmatischer Regierungsstil ist für mich sogar ein Vorbild.“
Auch hier der Spagat – kein böses Wort über die Grünen und Winfried Kretschmann, der in der Bevölkerung und auch bei der CDU nach wie vor sehr beliebt ist. Lieber inszeniert sich der 36-Jährige als legitimer Nachfolger, der das Konservative in Kretschmanns Habitus für die Zukunft bewahren will. Natürlich ohne das jemals so zu formulieren.
So wie der neue starke Mann der CDU auch nie offen über die Deutschlandkoalition spricht, also ein Bündnis mit SPD und FDP, gleichwohl es im politischen Stuttgart ein offenes Geheimnis ist, dass sich die drei Fraktionschefs gut verstehen. Hagel findet dazu geschickte Formulierungen: „Die CDU war 2006 nicht bereit für Schwarz-Grün, vielleicht sind die Grünen 2026 nicht bereit.“
Manuel Hagel will Land und Leute kennen lernen
Aber vor allem will Hagel auf der Sommertour das Land kennenlernen. Zunächst an der Universität Freiburg, wo es ein vertrauliches Gespräch mit der Rektorin gibt. Dann in der Fußballschule des SC Freiburg, aus der stolze 14 aktuelle Profispieler im Kader hervorgegangen sind. Andreas Steiert leitet diese seit elf Jahren, auch ein Zeichen der Kontinuität, die diesem Verein zu eigen ist. Hagel lässt sich das Zimmer eines Jugendspielers zeigen, der aus Zürich kommt. „Wir ersetzen hier für niemanden die Eltern“, sagt Steiert, „wer aus der Region kommt, wohnt zu Hause.“ Ansonsten gibt es hier neben zwei Sportplätzen und einer Halle und Kraftraum nahezu alles. Auch hier: Hagel hört zu, fragt gelegentlich nach.
Manuel Hagel nennt die AfD Vaterlandsverrräter
Hier geht es darum, zu lernen. Und er findet, dass die in der Fußballschule vermittelten Werte ziemlich gut zur CDU passen. Die Hand geben, fair und ehrlich sein, Leistung wird belohnt. Bei aller Gemütlichkeit, die das Nachwuchszentrum ausstrahlt: Es geht um Leistungssport. Wer nicht gut genug ist, wird aussortiert. Die Botschaft von Steiert: „Mehr Sportunterricht an den Schulen.“
Abschluss bei einem Viertele Sauvignon blanc
Und dann ein Termin zum Genießen. Es geht ins Freiburger Umland, nach Ehrenkirchen zum Weingut von Franz Herbster. Bei sengender Sommerhitze steigt Hagel mit seinen Mitarbeitern aus, die auf der Fahrt fleißig Instagram-Stories von der Sommertour gepostet haben. Nebenher wird ein Interview autorisiert, und ausgewählt, welches Foto am besten für Social Media passt.
Strahlend präsentiert Herbster sein Weingut, das ein interessantes Geschäftsmodell hat. „Wir überlassen die Weinberge den Winzern.“ Die Ernte nimmt Herbster zum Festpreis ab, dafür spart er sich die Genossenschaft. Und vermarktet direkt über die Gastronomie. „Meistens bleiben wir vom Hagel verschont“, sagt Herbster. Der CDU-Chef lächelt: „Heute nicht.“
Ein Viertele Sauvignon Blanc wird serviert, es geht um neue Labels, die von der EU vorgeschrieben werden. Und den Kampf der Weinwirte. 80 bis 90 Stunden pro Woche ist er am Schaffen.
Die Tour führt weiter durchs Land, die lange politische Reise von Manuel Hagel in die Höhen der Macht hat gerade erst begonnnen.
Wann werden die Spitzenkandidaten nominiert?
Offiziell gibt es noch keine Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2026. Doch es gibt wohl bereits Fahrpläne. Die Grünen werden Bundesagrarminister Cem Özdemir voraussichtlich im Dezember beim Landesparteitag nominieren. Ausgerechnet in Reutlingen, wo Manuel Hagel 2023 zum CDU-Landesvorsitzenden gewählt wurde. Bei der CDU hat Hagel als Landes- und Fraktionschef eine Art Erstzugriffsrecht, und es ist auch niemand in Sicht, der ihm das streitig macht. Bei der traditionellen Winterklausur der Fraktion im Januar könnte er sich erklären. Die FDP hat Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke im Landesvorstand bereits nominiert, wann die SPD Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch aufstellt, ist noch offen.