Manuel Hagel: Ist das der nächste Ministerpräsident?
Reutlingen. Da steht er, und kann nicht anders. Mit einem nahezu realsozialistischen 91,5 Prozent wurde Manuel Hagel zum neuen Parteichef der CDU gewählt. Die Anspannung fällt ab, der 35-jährige Ehinger strahlt. Und doch wirkt er selbst in diesen Momenten kontrolliert, will sich keine falsche Geste erlauben.
Monatelang wurde hinter den Kulissen mit Thomas Strobl gerungen: Wann soll der Stabwechsel stattfinden? Der von der Polizeiaffäre gebeutelte Innenminister und Vize-Regierungschef wollte noch ein wenig länger die CDU führen, für die er 18 Jahre an der Spitze stand als Generalsekretär und Parteichef.
Doch Hagel drängelte. So wie damals Günther Oettinger 2004/05, der Erwin Teufel beerben wollte. Oder Stefan Mappus, der 2010 wiederum auf Oettinger folgte. Doch Hagel scheute den „Königsmord“, erklärte immer: „Ich trete nicht gegen Thomas Strobl an.“
Doch die Ungeduld des ehemaligen Kreissparkassendirektors wurde immer größer über den Sommer. Er feilte am Profil der CDU, unterstützte einen Volksantrag zum Verbot von Gendersprache, forderte eine „180-Grad-Wende“ in der Einwanderungspolitik. Zündeleien in der grün-schwarzen Koalition, ohne diese In Frage zu stellen. Im Sommer dann ein offenes Foulspiel: Die CDU werde „keinen anderen Ministerpräsidenten als Winfried Kretschmann wählen.“ Das schob tatsächlich intern angestellten Überlegungen bei den Grünen, vielleicht schon im Herbst 2024 den Stab an Cem Özdemir, Danyal Bayaz oder Andreas Schwarz zu übergeben, den Riegel vor.
Der Koalitionspartner war stinksauer, doch intern verbuchte Hagel dies auch als Erfolg, in der Unionsfraktion wurde dafür gelobt. Wenig später lenkte Strobl ein, beide traten vor die Presse und zelebrierten Einigkeit, als hätte es nie einen Dissens gegeben. Der offene Bruch wurde verhindert, ein Schisma wie damals im Machtkampf zwischen Günther Oettinger und Anette Schavan, das bis heute anhält, wurde vermieden.
Der Parteitag in Reutlingen wurde dann zur Krönungsmesse. Zunächst wurde Thomas Strobl in Ehren verabschiedet, minutenlanger Applaus im Stehen. Er hatte die Partei durch das Tal der Tränen geführt, als 2011 die Macht nach 58 verloren ging. Obwohl er nie Spitzenkandidat werden durfte, schmiedete er 2016 das grün-schwarze Bündnis, und brachte die CDU zurück an die Macht, zumindest ein bisschen.
Nun werden die Reihen geschlossen, alles auf das große Ziel ausgerichtet: 2026 wieder die Villa Reitzenstein zu erobern. Dass Manuel Hagel derjenige sein wird, der es versuchen soll, daran zweifelt niemand mehr. Auch im Augenblick des Triumphs wiederholt der zweifache Familienvater sein Mantra von der „Demut“ gegenüber der „Partei von Erwin Teufel und Lothar Späth“.
Die Koalition arbeitet im Alltag weiter. Strobl und Hagel sitzen ohnehin weiterhin im Koalitionsausschuss zusammen. Doch der neue starke Mann der CDU profiliert sich weiter, zuletzt mit Widerstand gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrages. Oder konservativen Beiträgen zum bundesweiten Grundsatzprogramm. Die Abläufe werden zäher, manch grüne Wünsche in der Verkehrspolitik ausgebremst, doch bei Konfliktthemen wie G9 rauft man sich schnell zusammen. Hagel weiß: Zu viel Streit schadet ihm. Seine Zeit wird kommen, und davon hat er reichlich.