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Logistik in der Region Stuttgart: Land und Region drängen auf Schleusenausbau
STUTTGART. Das Schiff MS Stadt Stuttgart fährt in die Schleuse Obertürkheim ein. Für das lediglich 21,07 Meter lange Schiff ist das kein Problem. Der Platz ist mehr als ausreichend. Die beiden Flügel des Schleusentors schließen sich langsam hinter dem Schiff. Dann rauscht das Wasser hinein. Innerhalb weniger Minuten steigt das Schiff in der Schleuse um 8,35 Meter nach oben, auf der grünlich-bräunlichen Flussoberfläche bildet sich durch das hereinströmende Wasser weißer Schaum.
Langsam ändert sich die Aussicht, statt Wasser und Schleusenwand, die neben dem Schiff aufragt, tauchen Stück für Stücke die Gebäude oberhalb auf. Dann sind die 8,35 Meter erreicht. Die Flügel des oberen Schleusentors öffnen sich langsam, die Fahrt kann weitergehen. An diesem Mittwoch ist auf dem Neckar zwischen Plochingen und Stuttgart wenig los. Es gibt keine Wartezeit an der Schleuse.
Doch dies ist keine Vergnügungsfahrt auf dem Neckar. Vielmehr wollen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, dessen Fraktion die Fahrt organisiert hat, auf die Situation des Neckars und die bis heute nicht ausgebauten Schleusen aufmerksam machen.
Denn während auf anderen Flüssen in Deutschland längst Binnenschiffe mit einer Länge von 135 Metern Waren transportieren, können den Neckar nur kleinere Schiffe mit einer maximalen Länge von 105 Metern befahren. Größere Schiffe passen nicht in die 27 Schleusen auf der Bundeswasserstraße zwischen Plochingen und Mannheim. Denn diese haben nur eine Länge von 110 Metern und zwölf Metern Breite. Da ist auch bei 105 Metern Länge nicht mehr viel Platz.
Kein Problem mit Niedrigwasser dank der 27 Schleusen
Dabei hat der Neckar viel Potenzial, mehr Güterverkehr von der Straße aufs Schiff zu verlagern, ist Schwarz überzeugt. Derzeit bietet der Fluss dank der vielen Schleusen sogar einen Vorteil: anders als etwa auf dem Rhein gibt es keine Probleme mit Niedrigwasser. 161 Meter beträgt der Höhenunterschied, den der Neckar von Plochingen bis Mannheim überwindet. Das kommt fast an die Höhe des Ulmer Münsters heran. Dennoch gilt es, die Bundeswasserstraße für die Zukunft fit zu machen. Immerhin haben Binnenschiffe gegenüber Lkw beim CO2-Ausstoß deutliche Vorteile: Entfallen beim Schiff 30 Gramm CO2 auf eine transportierte Tonne Güter, sind es beim Lkw 110 Gramm, nennt Schwarz Zahlen.
Carsten Strähle, Geschäftsführer des Hafen Stuttgart, ist froh über die Unterstützung aus der Landespolitik. Ein schneller Schleusenausbau ist für die Häfen und auch für die Planung der Investitionen der ansässigen Unternehmen wichtig. Längere Schiffen bedeuten 40 Prozent mehr Laderaum und damit mehr Gütertransport, der von der Straße aufs Wasser verlegt werden könnte. Sechs bis acht Prozent der Güter werden im Land derzeit auf Binnenschiffen transportiert. Das soll laut Verkehrsminister Hermann perspektivisch auf jeden Fall verdoppelt werden.
Stuttgart ist nach Angaben des Statistischen Landesamts einer der umschlagstärksten Häfen im Land, wenn auch mit großem Abstand zu Mannheim und Karlsruhe. Auf der „Stadt Stuttgart“ macht Strähle bei der Rundfahrt durch den Hafen deutlich, dass der Hafen Stuttgart, ebenso wie andere Binnenhäfen, im Wettbewerb mit weltweiten Standorten steht. Schließlich ist die Wirtschaftsregion Stuttgart eine der stärksten in Europa. Der Hafen hat dabei eine zentrale Funktion.
Schüttgut, Baumstämme und hochwertige Waren
Der Bedarf, Güter im Hafen umzuschlagen, steigt, erläutert Strähle, als das Schiff am Containerhafen entlangfährt. Denn mit den Containern können Massengüter, Schüttgut und Baumstämme ebenso transportiert werden wie hochwertige Materialien und Waren.
Eine Verlängerung der Schleusen im Zuge der Sanierung erhöht laut den auf der „Stadt Stuttgart“ anwesenden Experten die Kosten lediglich um acht Prozent. Und der Schleusenausbau hätte noch einen Vorteil: Noch ist an nahezu jeder Schleuse eine andere Technik verbaut. Dies ließe sich im Zug des Ausbaus angleichen. So könnten auch Ersatzteile, wie etwa ein Schleusentor, vorgehalten werden.
Baden-Württemberg drängt bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf den Ausbau. „Ein moderner Industriestandort wie die Region Stuttgart braucht eine leistungsfähige Infrastruktur“, sagt Schwarz, während das Schiff staufrei den Neckar entlangfährt. Seine Fraktion will die Neckarschleusen auch im Landtag auf die Tagesordnung setzen.