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Investitionsbedarf des Landes: Laut DGB-Studie braucht es 165 Milliarden Euro
Stuttgart. Das Selbstverständnis ist seit der Ära von Lothar Späth (CDU) zementiert. Das Land wähnt sich immerwährend auf der Überholspur anderer, keine Präsentation im Ausland, ohne die im internationalen Vergleich hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung vorzuzeigen. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will, wie erst kürzlich in Rumänien und der Republik Moldau, punkten mit Standortvorteilen, mit Hidden und Global Champions, mit der üppigen Hochschullandschaft oder den Erfolgen bei den Erneuerbaren Energien.
Eine von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung mitfinanzierte Studie gießt jetzt jedoch Wasser in den Wein. „Es geht um viel für the LÄND“, schreibt der DGB-Landesvorsitzende Kai Burmeister im Vorwort des 132-Seiten starken Papiers mit dem Titel „Exzellenz kommt nicht von alleine – Öffentliche Investitionsbedarfe und deren Finanzierung in Baden-Württemberg“. Gerade weil Industriedichte, Innovationsstärke und Produktivität so hoch seien, müsse das Land auch selbst mehr Geld in die Hand nehmen.
Die Studie beleuchtet auch die Möglichkeit, private Investitionen auszulösen
Eingehend beleuchtet werden hier neben einer – gegenwärtig politisch aber nicht durchsetzbaren – Reform der Schuldenbremse die Möglichkeiten, mit staatlichen Investitionen auch private auszulösen. Zitiert wird unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit der Aussage, dass „ein Euro öffentlicher Bruttoanlageinvestitionen, in Bau, Ausrüstungen oder Sonstiges, im Durchschnitt eineinhalb Euro Investitionen generiert“.
Gerade Baden-Württemberg hat damit in der ersten grüngeführten Landesregierung beste Erfahrungen gemacht. Mit 65 000 sogenannten Energieeffizienz-Krediten wurden laut L-Bank Gesamtinvestitionen von gut 3,6 Milliarden Euro in Maßnahmen ausgelöst, die Jahr für Jahr rund 250 000 Tonnen CO 2 einsparen. Für die Zeit bis 2033 haben die Autoren errechnet, dass gut 54 Milliarden Euro in den Klimaschutz fließen müssen, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2024 zu erreichen.
Daneben sind 53 Milliarden Euro notwendig zur Ertüchtigung von Straßen, Schienen und Brücken: „Trotz gestiegener Investitionen setzt sich der Werteverzehr fort.“ Auch der Breitbandausbau komme nicht zügig genug voran. Für den Wohnungsbau ist ein Investitionsbedarf von 18 Milliarden Euro ermittelt, denn „der Staat muss bauen, bauen, bauen, selbstverständlich vor allem für Gering- und Mittelverdiener leistbaren Wohnraum“. Weitere zwölf Milliarden müssen laut Studie für Kapazitäten in Qualität in der Pflege bereitgestellt werden und 38 Milliarden Euro zusätzlich in frühkindliche Bildung, Schulen und Hochschulen.
Auch mit den Steuereinnahmen befasst sich die Studie. Im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2022 haben die Kommunen um gut fünf Prozent über dem Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer gelegen. Verlangt wird von den Autoren, jetzt die Möglichkeiten zu erweitern, „mehr Raum zu schaffen für kommunale Fremdfinanzierung durch rentierliche, durch Sonderregelungen gerade für Klimainvestitionen oder leichtere Nutzung von Contracting-Modellen und durch eine bessere Nutzung privaten Kapitals, weil die durch Landesbürgschaften abgesichert werden“.
Flaschenhälse entstehen aus komplexen Antragsverfahren
Selbst um die Frage, woher das Geld kommen könnte, drücken sich die Verfasser nicht herum. Beschrieben werden Ausgabenreste von zehn Milliarden Euro, die das Land vor sich herschiebe. Es müssten Wege gefunden werden, „damit diese genehmigten und verplanten Mittel auch ihre Wirkung entfalten können“. Flaschenhälse entstünden aus komplexen Antrags- und Genehmigungsverfahren wie auch aus unzureichenden personellen Kapazitäten.
Zudem wird empfohlen, die Möglichkeiten der Schuldenbremse auch auszunutzen und über die Gründung und Stärkung von zweckgebundenen öffentlichen Investitionsgesellschaften zusätzliche kreditfinanzierte Investitionen zu erlauben. Und zwar „in wesentlichen Bereichen der Daseinsvorsorge“.
Nicht die erste Studie
DIW Econ, eine Tochter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hatte schon im März 2023 im Auftrag der Südwest-SPD Zahlen zum Investitionsbedarf im Land vorgelegt. Darin sind die notwendigen Summen für die Erreichung der Klimaziele des Landes hochgerechnet: 70 Milliarden müssen danach in die energetische Gebäudesanierung gesteckt werden, 32 Milliarden in den Verkehr, und weitere 32 Milliarden Euro in den Umbau der Strom- und Wärmeerzeugung, immer die für Transformationen notwendigen Fachkräfte eingerechnet.