Küssen verboten
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Die werden doch nicht? Gigliola Cinquetti nach ihrem Grand-Prix-Sieg 1964 in Kopenhagen in kritischer Distanz zu Texter und Komponist.
dpa/brandstaetter images/Votava)1964 – die Welt ist noch in Ordnung – gewinnt eine zierliche Italienerin den Grand Prix Eurovision de la Chanson. Ihr Lied „Non ho l’età“ („Ich bin zu jung“) erzählt von den Gefühlen eines jungen Mädchens, das ihrem Verehrer eine Absage erteilen muss, ihm aber gleichzeitig Hoffnung macht. Er möge sich nur gedulden. „Wenn du auf mich warten möchtest, wirst du an jenem Tag all meine Liebe für dich bekommen.“
Würde das Lied heute geschrieben, würden die Liebenden, die Gigliola Cinquetti besingt, wohl kaum auf „jenen Tag“ warten. So sind sie eben, die neuen Zeiten. Und Baden-Württemberg ist dabei. Unter dem Motto „Küss mich! Im Schloss“ erhalten Verliebte, die sich an der Kasse küssen, am 14. Februar freien Eintritt in acht staatliche Schlösser und Gärten. Niemand wird prüfen, ob es sich wirklich um Verliebte handelt. Ein gewisses Laissez-faire gehört am Valentinstag einfach dazu.
In einer anderen Hinsicht lassen die Initiatoren jedoch Strenge warten: „Teilnahme ab 18 Jahre.“ Mit 18 Jahren darf man Auto fahren, sich selber Entschuldigungen schreiben, bei den Eltern ausziehen, ja sogar wählen. Also ist das vielleicht auch das Alter, in dem man küssen darf. Das Alter, auf das Liebhaber der alten Schule warten. Auf eine wie die Siegerin des Grand Prix von 1964. Gigliola Cinquetti zählte damals erst zarte 16 Lenze. Und sang doch so schön, dass Steine erweichten. 49 Punkte gab ihr die Jury, 32 Punkte mehr als die Briten auf Platz zwei. Und 49 Punkte mehr als der deutsche Beitrag. So ist das eben mit den Zeiten – manches ändert sich nie.