Kinderrechte im Grundgesetz: Rechtsprofessoren sind sich uneinig

Ob Kinderrechte im Grundgesetz besser sichtbar gemacht werden sollten, ist unter Experten strittig.

Vertreten unterschiedliche Standpunkte: die Professoren Gregor Kirchhof, Bernd Grzeszick und Philipp Donath (v.l.n.r.)

Privat, University of Labour in Frankfurt // Collage: Rieke Stapelfeldt)

Stuttgart/Berlin. Die Kinderrechte im Grundgesetz besser sichtbar machen? Da ist Gregor Kirchhof einverstanden. „Das ist wichtig und ein gemeinsames Anliegen. Aber die Debatte trennt“, stellt der Rechtsprofessor von der Universität Augsburg fest. Er gehört zu den Experten, die bereits 2013 und 2021 in Ausschüssen des Bundestags als Sachverständige um Stellung zum Thema gebeten wurden. Kirchhof ist heute in diesem Punkt einig mit dem Rechtsprofessor von der University of Labour in Frankfurt am Main, Philipp Donath: Mit einer gut gesetzten Verfassungsänderung könne man betonen, dass das Wohl des Kindes wesentlich zu berücksichtigen ist. Allerdings nur unter einer Voraussetzung: Für ihn darf dabei die Erstverantwortung der Eltern nicht beschädigt werden.

Staat darf nur eingreifen, wenn es das Wohl des Kindes erfordert

Die Verfassung bestimmt, dass der Staat nur in das Familienleben eingreifen darf, wenn es das Wohl des Kindes erfordert. In solchen Fällen wird das jeweilige Jugendamt aktiv. Ein verbrieftes Recht hingegen auf Entfaltung, Beteiligung oder Förderung klinge zwar wunderbar. „Aber in der Praxis funktioniert das nicht“, sagt Kirchhof.

Ja, Kinder genießen einen besonderen Schutz, ihre Interessen haben in aller Regel ein höheres Gewicht. „Als starre Regel aber wäre dieser Befund fehlerhaft.“ Beispielsweise dann, wenn ein Kindergarten mit einer sehr großen Grünfläche nicht auf ein Blumenbeet zugunsten des anliegenden Krankenhauses verzichten dürfte. Eltern sprechen für ihre Kinder, so der Jurist. Deshalb gehören solche Formulierungen für ihn nicht ins Grundgesetz.

Philipp Donath widerspricht. „Es geht nicht um die Hoheit über Kinderbetten.“ Der Staat erhalte keine neuen Mittel, die Erziehung – und damit das Recht der Eltern – zu beeinflussen. Andersherum wird für ihn ein Schuh daraus. Mit der Aufnahme in die Verfassung könnten Eltern die Rechte ihrer minderjährigen Kinder besser geltend machen.

Davon rät Bernd Grzeszick kategorisch ab. Der Rechtsprofessor an der Universität Heidelberg bleibt bei seiner Meinung, die er schon 2013 in seiner Stellungnahme an die Bundesregierung formuliert hat. Eine Schutzlücke im Grundgesetz gebe es nicht, eine Verfassungsänderung sei deshalb nicht geboten, sagt Grzeszick, der seit Juni 2021 Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen ist.

In einfachen Gesetzen regeln

Wer die Stellung von Kindern in der Gesellschaft stärken wolle, sollte das in einfachen Gesetzen regeln, so Grzeszick. Und dann dafür sorgen, dass sie auch beachtet werden. Der Professor argumentiert, dass sonst das Verhältnis zwischen Elternverantwortung und dem staatlichen Wächteramt über das Kindeswohl zugunsten staatlicher Intervention verschoben werden könnte.

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