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Iris Rauskala: „Möglichst wenig mit dem Wort Verwaltung werben“

Die Hochschule Ludwigsburg feiert ihr 50-jähriges Bestehen und muss den Struktur- und Entwicklungsplan für die kommenden fünf Jahre aufstellen - zwei Kernaufgaben für Rektorin Iris Rauskala, eine Digital- und Bildungsexpertin.
Iris Rauskala, Rektorin der Hochschule Ludwigsburg

Iris Rauskala kam im Sommer 2022 aus Österreich als Rektorin an die Hochschule Ludwigsburg.

dpa / Jeff Mangione / KURIER)

Staatsanzeiger: Frau Rauskala, Sie kommen aus Österreich, sind seit acht Monaten Rektorin der Hochschule Ludwigsburg. Was hat Sie am meisten überrascht?

Iris Rauskala: Überrascht hat mich der Statuts einer Hochschule der angewandten Wissenschaften in Kombination mit dem Status einer internen Hochschule. Hochschulen für den öffentlichen Dienst gibt es ja in Österreich grundsätzlich nicht. Dort kommt man mit allen möglichen Studienabschlüssen in die Verwaltungslaufbahn, und es gibt auch keine Unterscheidung in gehobenen und höheren Dienst.

Könnte die deutsche Verwaltung etwas davon lernen?

Leichtfertige Empfehlungen von außen will ich nicht geben. Deutschland ist viel größer als Österreich, Baden-Württemberg hat mehr Einwohner als Österreich. Das stellt die Organisation von Gemeinwohl vor andere Herausforderungen.

Bald muss die Hochschule einen Struktur- und Entwicklungsplan für die kommenden fünf Jahre abliefern. Gibt es darin Überlegungen, wie die Attraktivität des Verwaltungsstudiums zu steigern ist?

Solche Gedanken fließen stark ein. Einerseits sind die Studien keine Selbstläufer mehr, wir müssen stärker werben. Und mit Blick auf Studieneingangsphasen und Bleibequoten müssen wir daran arbeiten, unsere Studierenden gut durchs Studium zu bekommen, weil unsere Partnerinnen und Partner, Kommunen und Steuerverwaltung, unsere Absolventen dringend brauchen.

Ist denn die Bleibequote bei Ihnen derzeit ein Problem?

Die Bleibequote ist bei uns grundsätzlich in den Studiengängen für den gehobenen Verwaltungsdienst sehr gut. Das Bachelorstudium der Steuerverwaltung ist aber sehr herausfordernd. Da liegen wir im bundesweiten Schnitt, der bei plus/minus 75 Prozent liegt und jetzt ein wenig abgesunken ist. Angesichts des Fachkräftemangels ist das für die Steuerverwaltung ein großes Thema.

Ist die stärkere Internationalisierung ein Thema?

Das ist in der Tat eine Überlegung. Als interne Hochschule, die für den öffentlichen Dienst ausbildet, sind wir hier anders aufgestellt und es ist unter diesen Rahmenbedingungen nicht so einfach, geeignete Kooperationspartnerinnen und -partner zu finden. Dafür haben unsere Studierenden viele Praxisphasen schon während des Studiums.

Werden da internationale Themen als Vorteil gesehen?

Ja, vor allem im Bereich des Public Managements haben wir sehr gute Möglichkeiten, unsere Studierenden ins Ausland zu schicken. Im Bereich der Steuerverwaltung ist das etwas schwieriger. Dort herrscht eine enorme Arbeitsmarktdrucksituation. Die Absolventinnen und Absolventen werden dringend gebraucht, da können wir nicht ohne Weiteres Auslandsphasen ermöglichen. Wir sind aber hier in einem guten Austausch mit der Oberfinanzdirektion.

An der Pädagogischen Hochschule direkt nebenan konnten erstmals Studienplätze nicht vergeben werden. Wie ist das aktuell an Ihrer Hochschule?

In geringem Umfang sind auch bei uns nun zum ersten Mal Studienplätze nicht belegt. Bisher war vor allem der Studiengang Public Management ein Selbstläufer und im Verhältnis 5:1 überzeichnet. Jetzt sind es drei Bewerber auf einen Studienplatz. Es ist allerdings nicht so, dass die Studierendenzahlen einbrechen, das Thema ist komplexer.

Inwiefern? Haben nicht alle Hochschulen inzwischen das Problem?

Das Zulassungsverfahren im Bereich Public Management dauert relativ lang, das ist eine Besonderheit: Wer sich bei uns bewirbt, braucht einen Praktikumsplatz in der Verwaltung und muss das Praktikum erst durchlaufen, ehe er eine definitive Zusage bekommen kann. In dieser Zwischenzeit verlieren wir durchaus einige Studienwillige. Es ist also eine Kombination aus zwei Trends: Studierende wollen heute raschere Zusagen, dazu kommen die Folgen der demografische Entwicklung, die alle Hochschulen spüren.

Gefährdet das auch die Pläne, die Studienkapazitäten an den Verwaltungshochschulen aufzustocken?

In der Tat. Deshalb ist es ein großes Thema im Stuktur- und Entwicklungsplan für die kommenden Jahre Möglichkeiten zu finden, wie wir stärker werben können. Vor allem geht es darum, stärker an Schülerinnen und Schüler heranzutreten und sie für eine sinnstiftende Tätigkeit zu gewinnen, unter dem Schlagwort Gemeinwohlorientierung. Wir können das Rennen aber nicht alleine gewinnen. Es stellt sich letztlich ja auch die Frage nach Image und Attraktivität des öffentlichen Dienstes.

Müssen auch die Zulassungsverfahren attraktiver werden?

Ja, der Zeitraum bis zur definitiven Zulassung an der Hochschule ist teilweise zu lang. Denn eines ist klar: Die Kommunen brauchen mehr Absolventinnen und Absolventen. Unsere Absolventen sind auch in den Ministerien sehr gefragt.

Wie kann man Studium und öffentlichen Dienst für junge Menschen wieder interessanter machen?

Möglichst wenig mit dem Wort „Verwaltung“ werben. Denn Verwaltung ist ein abstrakter Begriff, der nicht unbedingt mit Dynamik und spannender Tätigkeit verbunden ist. Viele Studierende stellen aber schon nach dem Anfangspraktikum fest, dass sie mit allen möglichen spannenden Aktivitäten zu tun haben.

Was ist also zu tun?

Mit der Gemeinwohlorientierung werben, den Fokus auf die sinnstiftende Tätigkeit für die Gemeinde, die Gemeinschaft, die Region legen. Kommunalverwaltungen sind mitten in der Lebensrealität der Menschen. Und viele Studierende und junge Menschen möchten etwas mit Menschen zu tun haben, das Soziale ist ihnen wichtig. Die Verwaltung ist mitten in der Gemeinschaft verankert und steuert auch wesentlich, wie diese funktioniert. Thematisch sind viele Facetten angesprochen, die junge Menschen interessieren: Soziales, Bildung, Klimaschutz, Umwelt.

Sollte man auch die Alumni stärker ins Marketing einbinden?

Auch das ist sinnvoll, sie können zum Beispiel zeigen, welche Persönlichkeiten und Karrieren die Hochschule Ludwigsburg hervorgebracht hat. Und ganz praktisch, was man alles mit der fundierten Ausbildung anfangen kann.

Da trifft es sich gut, dass die Hochschule 50-jähriges Bestehen feiert?

So ist es. Wir haben eine ganze Reihe von Veranstaltungen geplant, die unsere Besonderheiten widerspiegeln: Unsere Website wird neu gestaltet, ebenso das Corporate Design. Es zeigt die Abwandlung eines Paragrafenzeichens und unterstreicht das Charakteristikum der Hochschule, die stark öffentlich-rechtliche Ausrichtung im besten Sinn. Wir haben originäre Ausbildungsprofile, etwa bei der Steuer und der Rentenversicherung, bilden also für soziale Sicherungssysteme aus. Mit unserem Festprogramm zum Jubiläum weisen wir darauf hin.

Das erste „Ludwigsburger Digitalisierungsgespräch“ bildet da den Auftakt. Muss Digitalisierung nicht auch im Studium noch stärker berücksichtigt werden?

Digitalisierung ist das Megathema in der öffentliche Verwaltung, auch in den Kommunen. An den beiden Verwaltungshochschulen in Ludwigsburg und in Kehl gibt es seit 2020 das Studienangebot als digitaler Verwaltungsmanager. Es ist gewissermaßen die kleine Schwester des Public Managements, im Wesentlichen wird für die gleichen kommunalen Laufbahnen ausgebildet wie dort. Nur mit sehr starkem digitalen Fokus. Im Übrigen gehört zu den attraktiven Studienbedingungen dazu, dass die Studierenden schon lernen, mit den Echtsystemen umzugehen, etwa in der Steuerverwaltung.

Wird im Vergleich zu anderen Inhalten die digitale Kompetenz ausreichend vermittelt?

Die allgemeine digitale Grundkompetenz sollte schon an den Schulen vermittelt werden. Das auf die Informatik zu beschränken, wäre zu kurz gegriffen. Wir müssen in erster Linie rechtssichere und juristisch kompetente Personen ausbilden. Kommunikations- und Medienkompetenz, die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern, wirtschaftliche Kompetenzen, interdisziplinäre Problemlösungsorientierung wird auch immer wichtiger. Vom Bachelor, der ja eine Erstausbildung ist, kann man daher nicht zu viel erwarten. Weiterbildungsangebote der Hochschule werden bedeutsamer.

Seit Kurzem kann man an der Verwaltungshochschule promovieren. Wie funktioniert das und lässt sich schon eine erste Bilanz ziehen?

Dafür wäre es zu früh. Es wird zwei Wege geben. Einerseits haben wir das Promotionskolleg mit den Universitäten Hohenheim und Tübingen. Da geht es um Good Governance und gute Rechtssetzung. Wir sind praxisorientiert, können Promotionen über konkrete Verwaltungsthemen anbieten. Bald werden die ersten Promovenden aufgenommen. Wir hoffen, einen Teil des Nachwuchses in der Professorenschaft, wo es auf den Arbeitsmärkten besonders schwierig ist, mithilfe des Promotionskollegs künftig selbst heranziehen zu können. Beim neuen, allgemeinen Promotionsrecht der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sind die Vorbereitungen noch nicht ganz so weit gediehen.

Grenzgängerin zwischen Verwaltung, Wissenschaft und Politik

Seit Mai 2022 ist Iris Rauskala Rektorin der Hochschule für Verwaltung und öffentliche Finanzen Ludwigsburg. Es ist die erste berufliche Station der promovierten Wirtschaftswissenschaftlerin in Deutschland. Zuvor war sie in der Schweiz an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Zürich tätig, vor allem aber in ihrer Heimat Österreich in vielen Ämtern und Funktionen: Von Juni 2019 an war sie ein halbes Jahr lang Bildungs- und Wissenschaftsministerin in einer Übergangsregierung. Davor und danach wieder fungierte sie jahrelang als hohe Ministerialbeamtin. Rauskala gilt als Digital- und Bildungsexpertin. Mit ihr ist erstmals eine Führungskraft an der Spitze der Hochschule, die zuvor nicht die klassische deutsche Beamtenlaufbahn absolviert hat.

Quelle/Autor: Rafael Binkowski und Christoph Müller

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