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Essay

„Im Eigentum gerinnt Ungleichheit zur Materie“

Thomas Eigenthaler, bis 2022 Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, findet, die Politik sollte sich überlegen, ob die Erbschaftsteuer an der richtigen Stelle greift.

Manch einer würde die Erbschaftsteuer gerne ganz abschaffen, andere wollen sie aufrüsten.

dpa/ZB/Sascha Steinach)

Seitdem eine Vermögensteuer nicht mehr erhoben wird, wird bei keiner anderen Steuer der berüchtigte „Kampf ums Steuerrecht“ so leidenschaftlich und hartnäckig ausgetragen wie bei der Erbschaftsteuer. Manche wollen sie sogar ganz abschaffen, andere sprechen sich für eine Regionalisierung aus, und wieder andere wollen sie unter der Flagge der Steuergerechtigkeit aufrüsten.

Schon dreimal – 1995, 2006 und 2014 – hat das Bundesverfassungsgericht dem Fiskus die rote Karte gezeigt. Nicht, weil man die Erbschaftsteuer sterben lassen wollte. Nein, jedes Mal ging es eher um Halbherzigkeiten der Politik. Derzeit liegt der Dauerbrenner „Erbschaft- und Schenkungsteuer“ – so der korrekte Name – erneut in Karlsruhe.

„Warum soll man auch noch Erbschaftsteuer bezahlen? Es ist doch schon alles einmal versteuert worden“. Ein oft gehörtes Argument der Kritiker. Nur es sticht nicht. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer nimmt nämlich nicht den Erblasser beziehungsweise den Schenker in den Blick, sondern die Erben beziehungsweise die Beschenkten. Den Begünstigten wächst Vermögen zu, ohne dieses selbst erarbeitet zu haben. Der Steuerstaat stellt Eigentum und Erbrecht nicht in Frage, aber mit der Erbschaftsteuer erinnert er Begünstigte daran, dass Eigentum auch verpflichtet. Zudem geht es darum, der bei Reichen sich kumulierenden Vermögenskonzentration über Generationen hinweg zumindest ein wenig entgegen zu wirken.

Ein Staat, der geben will, muss zum Ausgleich an anderer Stelle nehmen

„Im Eigentum gerinnt Ungleichheit zur Materie“, ist in einem Karlsruher Urteil nachzulesen. Und die Befürworter der Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer verweisen – meines Erachtens zu Recht – auch auf das Sozialstaatsprinzip hin, wonach stärkere Schultern schlichtweg mehr zum Ganzen beitragen müssen. Ein Staat, der geben will, muss zum Ausgleich an anderer Stelle nehmen.

Dass sich trotz der Erbschaftsteuer die Vermögensschere zwischen arm und reich immer weiter öffnet, ist allerdings kein Argument, die Steuer ganz zu schleifen. Eher sollte sich die Politik Gedanken machen, ob die Steuer auch an der richtigen Stelle greift. Halbherzig agieren selbst die Bundesländer, also gerade jene, denen diese Steuer zusteht.

Im Jahr 2023 klingelten 9,3 Milliarden Euro in deren Kassen. Das pro Jahr vererbte Vermögen liegt demgegenüber bei rund 400 Milliarden Euro. Das Finanzamt erfährt davon in einer Größenordnung von ca. 125 Mrd. Euro. Eine riesige Diskrepanz, die die klammen Länder begehrlich machen müsste. Vermutlich fürchtet man aber Konflikte mit den Wohlhabenden. Ein zweites kommt bei den Ländern hinzu. Diese haben weit größeren Gefallen an ihrer zweiten eigenen Steuerquelle gefunden, der Grunderwerbsteuer. Sie wirkt geräuschlos, lässt sich gut administrieren, und sie schoss wegen steigender Immobilienpreise durch die Decke: 17,1 Milliarden Euro im Jahr 2022.

Betriebsvermögen bleiben meist von Erbschaftsteuer verschont

Ein Unterschied ist besonders tückisch: der Erbe einer Immobilie versteuert im Zweifel nichts. Und wenn im Einzelfall doch, kann er übernommene Schulden in Abzug bringen; der Immobilienkäufer dagegen kann bei der Grunderwerbsteuer seinen aufgenommenen Kredit nicht dem Kaufpreis gegenrechnen. Und: Anders als bei der Erbschaftsteuer null Freibetrag! Gerecht?

Natürlich gibt es bei der Umsetzung auch Probleme. Sachwerte müssen bewertet werden. Bei Immobilien ist das ein gewisser Aufwand, der aber beherrschbar ist. Die große Baustelle ist seit Jahren jedoch das unternehmerische Vermögen. Wie soll man damit umgehen? Dieses Vermögen ist ja im Betrieb gebunden, das Kapital soll dort produktiv arbeiten, Steuerkraft und Arbeitsplätze sichern. Andererseits sind es zum Teil riesige Vermögen, kumuliert über Generationen, erwirtschaftet nicht nur vom Unternehmer, sondern auch von seinen Beschäftigten.

Und die Unternehmen profitieren durch die öffentliche Infrastruktur und oft durch Subventionen. Sollte da nicht von Generation zu Generation auch wieder was an die Allgemeinheit zurückgegeben werden? Zudem bestehen bei der Erbschaftsteuer großzügige Stundungsmöglichkeiten.

Aktuell bleibt Betriebsvermögen meist von Erbschaftsteuer verschont. Das Finanzamt ermittelt, bewertet, verschont, überwacht. Minimalinvasiv! Außer Spesen nichts gewesen. Das Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit beim „Kampf ums Steuerrecht“. Es gibt nur zwei Akteure, die das ändern könnten: die Politik oder eine neue rote Karte aus Karlsruhe.

Thomas Eigenthaler

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