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Hochwasserschäden: Kretschmann fordert Pflichtversicherung
Stuttgart. „Die Botschaft ist: Man muss sich versichern“, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu Wochenbeginn in Meckenbeuren angesichts der Jahrhundertflut und des noch nie dagewesenen Schussen-Pegels von 4,86 Meter. An Immobilienbesitzer appellierte er, die Schäden an Gebäuden solidarisch zu tragen, „denn sonst können wir das einfach nicht mehr schultern“. Die öffentliche Hand müsse weiterhin für die Infrastrukturschäden aufkommen.
Seit März 2023 liegt der einstimmige Beschluss aller Länderchefs und -chefinnen vor, der die Bundesregierung auffordert, für eine bundesweite Pflichtregelung zu sorgen, weil “Katastrophen vor Landesgrenzen nicht haltmachen“ und weil die „nötige Akzeptanz“ nur bei einer zeitgleichen, flächendeckenden und einheitlichen Vorgehensweise gewährleistet sei. Auch mit der Befürchtung einer zu hohen Belastung von Eigentürmern oder Mietern hat sich die Länderkammer befasst. „Dies erscheint kurzsichtig“, heißt es in der Entschließung, „denn die Belastung ist im Schadensfall um ein Vielfaches höher und kann teilweise sogar existenzbedrohend sein.“
Kretschmann wendet sich jetzt vehement an Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Versicherungspflicht zugesagt habe. „Es ist leider bisher nichts gemacht worden“, so Grüne, das sei nicht hinzunehmen. Die FDP auch im Südwesten bleibt zurückhaltend. „Wir sehen eine Pflicht zu einer Elementarschadensversicherung äußerst skeptisch“, sagt Niko Reith, der wirtschaftspolitische Sprecher, auf Anfrage des Staatsanzeigers. Sie könne zu einer enormen finanziellen Belastung für Hausbesitzer und Mieter führen. Und selbst bei einer Pflichtversicherung werde der Staat als Rückversicherer oder über Förderungen erhebliche Beiträge leisten müssen. In Baden-Württemberg ist, wie Reith erinnert, „jedes Haus per se versicherungsfähig und eine Versicherungsquote von rund 94 Prozent gegeben, eine Pflichtversicherung hilft hier also gar nicht“. Der Ministerpräsident hält dagegen, dass in anderen Bundesländern nur 30 Prozent der Gebäude versichert seien, und argumentiert ebenfalls mit der Notwendigkeit einer bundesweit einheitlichen Regelung.
Die FDP befürchtet außerdem „sinkende Anreize zur Prävention und Hochwasservorsorge“, wie Reith sagte. Ein Argumentation, die auch Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) nicht gelten lassen will. Die Landesregierung habe in den vergangenen Jahren „viel Geld für Dämme, Regenrückhaltebecken und kommunale Starkregenkonzepte mobilisiert“. Auch gebe es regelmäßig fortgeschriebene Hochwassergefahrenkarten, die die Einschätzung der jeweiligen Überflutungssituation gerade jetzt enorm erleichtern. Und sie verlangt in diesen Anstrengungen nicht nachzulassen: „Eine wärmere Welt ist eine Welt mit häufigeren Extremwetterlagen, und die Risiken für Mensch, Natur und Wirtschaft werden weiter wachsen.“ Deshalb müsse in technischen Hochwasserschutz genauso investiert werden wie „in renaturierte Landschaften, die Wassermassen besser aufnehmen, oder in den Umbau von Kommunen in Schwammstädten, damit Starkregen nicht zu Sturzfluten durch Straßen und in Keller führt“.
Bereits 1988 hat Baden-Württemberg den „Wasserpfennig“ eingeführt, offiziell Wasserentnahmeentgeld“. Mehrfach wurden die Tarife angepasst, unverändert blieb, dass die Einnahmen aus zweckgebunden für wasserwirtschaftliche Aufgaben zu verwenden sind. „Jedes Jahr fließen sehr viele Millionen Euro in die Gewässerrenaturierung und in den Hochwasserschutz“, erläuterte Umweltstaatssekretär Andre Baumann (Grüne) erst kürzlich in einer Landtagsdebatte, „auch da schauen andere Bundesländer neidisch auf uns.“