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Interview mit Rektor Joachim Beck

Hochschule Kehl will Studium für neue Bewerber öffnen

Joachim Beck ist Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. Warum er einen neuen Studiengang einrichten wil und wie die Verwaltung für junge Menschen attraktiv sein und interkulturell geöffnet werden kann, erläutert er im Gespräch mit Christoph Müller.

Rektor Beck will das Studium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl für neue Bewerberkreise öffnen.

Privat)
Staatsanzeiger: Die Bewerberzahlen für Ihren Kernstudiengang Public Management steigen wieder deutlich an. Ist das auch ein Folge des Werbeeffekts des Jubiläums 50 Jahre Hochschule Kehl?

Joachim Beck: Sicher hat die mediale Aufmerksamkeit zum Jubiläum dazu beigetragen. Vor allem aber hat das Innenministerium den Verwaltungshochschulen mit den kommunalen Verbänden ermöglicht, das Zulassungsverfahrens zu reformieren. Wir haben den Studierfähigkeitstest abgeschafft. Der war kostenpflichtig und so eine zusätzliche Hürde. Und wir können Studienbewerbern viel früher verbindlichere Zusagen geben.

Wie viele betrifft das?

Rund die Hälfte der Bewerber bekommt jetzt eine relativ verbindliche Zusage, 30 Prozent sogar die direkte Zusage. Und die Kommunalverbände machen jetzt auch selber intensives Marketing. Dazu kommt eine gewisse Trendwende in der Gesellschaft. Junge Menschen erkennen zunehmend, dass in der modernen Verwaltung tatsächlich spannende Aufgaben auf sie warten.

In den vergangenen Jahren gab es große Ausschläge bei den Bewerberzahlen – nach oben wie unten. Hängt das noch mit der Coronazeit zusammen?

Ja, Corona hat wesentlich dazu beigetragen. Man kann das etwa am Studiengang Digitales Verwaltungsmanagement festmachen. Der ist 2020 gestartet und es hat sehr lange gebraucht, bis er bekannt wurde. Mittlerweile haben wir dafür auch ordentliche Bewerberzahlen.

Gibt es auch noch andere Gründe?

Ja, zum einen die Soziologie. Früher hatten wir einen gewissen Automatismus. Beamtenkinder haben sich fast automatisch bei uns beworben. Das ist nicht mehr so, wir müssen auch um diese Gruppe aktiv werben. Ein weiterer Grund ist der Bologna-Prozess. Früher haben Kommunen die Studierenden ausgewählt und zu uns geschickt. Heute ist die Auswahl Sache der Hochschule. Vielleicht ist dadurch auch etwas die Identifikation mit und Bindung an die Kommunen verloren gegangen. Wir müssen diese stärker in die Personalgewinnung einbinden.

Sie haben den Studiengang Digitales Verwaltungsmanagement erwähnt. Müssten Sie den nicht ausbauen?

Im Moment konzentrieren wir uns auf den Ausbau des Bachelorstudiengangs Public Management. Es ist politisch ja die Intention, die Zahl der Studienplätze dort zu steigern. Das kommt zuerst. Aber sie haben recht. Man müsste im Bereich des digitalen Verwaltungsmanagements auch viel mehr ausbilden, das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Ergänzend dazu wollen Sie mit der Hochschule Offenburg einen neuen Studiengang technische Digitalisierung etablieren. Wie sieht dieser Ansatz aus und wie wird das finanziert?

In der Vergangenheit gab es viele Modernisierungsversuche, bei denen Beratungsunternehmen engagiert wurden. Die haben aber die Verwaltung nicht unbedingt wirklich verstanden. Gemeinsam mit der Hochschule Offenburg wollen wir IT-Dienstleister ausbilden, die etwas von Verwaltung verstehen. Der Studiengang wird von einem IT-Unternehmen aus Freiburg unterstützt. Für deren Abteilung Public-Sector-Beratung bilden wir eine erste Kohorte aus. Das Unternehmen bezahlt diese und eine Stiftungsprofessur für die Hochschule Offenburg. Wir als Hochschule hoffen auch auf zusätzliche Ressourcen dafür von unseren Trägern.

Ist diese Art der Finanzierung auch ein Modell für weitere Kooperationen?

Ja, mit Offenburg wollen wir weiter kooperieren, wir haben auch eine gemeinsame Weiterbildungsmanagerin vom Land finanziert bekommen. Und wir haben einen Klimaschutzmanager, der für den Regierungsbezirk Freiburg zuständig ist. Die Kombination von Technik und Verwaltung bietet sehr viel Potenzial, das es zu erschließen gilt.

Weitere Potenziale wollen Sie durch interkulturelle Öffnung der Verwaltung heben. Was sind die nächsten Schritte?

Wir haben vom DAAD eine Million Euro bekommen, um uns als Hochschule europäisch und international neu aufzustellen. Der interkulturellen Öffnung dient zum einen die Filière Française, einen freiwilligen Studientrack für  Frankreich-Kompetenz. Viele Absolventen aus Kehl sind später in Kommunen nahe der Grenze zu Frankreich tätig, da ist viel Kooperation nötig. Die Fähigkeit dazu fördern wir. In interkulturellen Schulungen wird Wissen über andere Kulturen und den Umgang damit vermittelt. Zum anderen wollen wir viel stärker noch Studierende aus Südost- und Südeuropa anwerben. Da schlummert ein riesengroßes Potenzial. Viele junge Menschen von dort haben schon eine Ausbildung und ein Erststudium absolviert.

Wie wollen Sie die gewinnen?

Wir entwickeln da ein Onboarding-Modul, damit junge Menschen bei uns in den grundständigen Master einsteigen können. Außerdem hoffen wir auf den Zuschlag für ein Projekt, das Diversität in der öffentlichen Verwaltung fördert. Zunächst geht es konkret darum, eine Bedarfs- und Potenzialerhebung in den Kommunen zu machen und dann zu schauen, wie wir so bunt werden können wie etwa Mannheim. Denn die Zusammensetzung unserer Studierendenschaft entspricht derzeit nicht der Vielfalt der Gesellschaft.

Können Sie das ändern?

Wir wollen in Schulen mit hohem Diversitätsanteil gezielt werben und rekrutieren. Das bezahlte Studium, das wir anbieten, bietet eine Chance, Bevölkerungsschichten zu erschließen, die sich ein anderes Studium nicht leisten können.

Kehl galt und gilt als Bürgermeisterschmiede. Wird das Werben dafür angesichts zunehmender Angriff auf Amtsträger schwieriger?

Es ist schwieriger, öffentliche Ämter attraktiv für junge Menschen zu machen. Wenn wir in die Medien schauen, die Berichte von Angriffen und Übergriffen, das ist ja unglaublich, was da gerade passiert. Wir versuchen, das Selbstbewusstsein unserer Studierenden zu stärken. Vor allem auch das der Studentinnen. Mich treibt es um, dass wir 70 bis 80 Prozent weibliche Studierende haben, aber bei den Bürgermeisterinnen immer noch unter zehn Prozent sind.

Da Sie gerade den Frauenanteil ansprechen, auch in der Kehler Professorenschaft ist der ja mit 1:4 eher gering. Was unternehmen Sie dagegen?

Zum einen sind die jüngsten Stellenbesetzungsverfahren in dieser Hinsicht positiv gelaufen. Zum anderen haben wir jetzt zwei engagierte Frauen, eine Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin, die sind gerade dabei, ein Förderprogramm anzuzapfen. Bei den nächsten Ausschreibungsverfahren wollen wir unbedingt mehr Professorinnen gewinnen und dazu einen gezielteren Ansatz der Gleichstellungspolitik ausprobieren.

Das Gespräch führte Christoph Müller

Zur Person

Seit 2019 leitet Joachim Beck die Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl als Rektor. Der 59-jährige Jurist bil det dort schon seit 2014 als Professor für Verwaltungsmanagement Studie rende für den gehobenen Dienst in der Verwaltung aus. Zuvor war er acht Jahre lang Di rektor des Euro-Instituts für grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Straßburg. Studiert hat Beck in Kon stanz und Edinburgh, promoviert an der Deutschen Universität für Verwal tungswissenschaften Speyer.

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