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Andreas Stenger: „Hass und Hetze sind keine Meinung“
17 007 Fälle von Hasskriminalität im Jahr 2023 bundesweit – fast doppelt so viele, wie im Vorjahr, sind ein Warnsignal. In Baden-Württemberg bestätigt sich der bundesweite Trend. 1514 Hassstraftaten gelangten hier 2023 zur Anzeige, ein Anstieg um circa 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und damit ein Höchststand im Zehnjahresvergleich. Noch dramatischer ist die Situation bei antisemitischen Straftaten. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen wir einen Zuwachs um 172 Prozent. Als Katalysator lassen sich geopolitische Krisenherde, wie gerade auch der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 identifizieren.
Die Verbreitung von Hass und Hetze ist kein neues Phänomen. Seit Jahren erleben wir, dass eine sachliche Auseinandersetzung in vielen Bereichen nicht mehr möglich scheint. Was mit der Verrohung der Sprache beginnt und sich als verbale Anfeindungen fortsetzt, endet schlimmstenfalls in einer gewalttätigen Konfrontation. Dabei sind Perspektiven und Meinungen im öffentlichen Diskurs als Bestandteil unserer gesellschaftlichen Auseinandersetzung essenziell wichtig. Der Ton wird rauer und die Grenzen der Meinungsfreiheit werden häufiger übertreten, wozu wohl die scheinbare Anonymität im Netz einlädt. Deshalb haben Hass und Hetze in den Sozialen Medien auch Konjunktur. Man braucht nur in sein Handy zu schauen, schon finden sich Anfeindungen, Herabwürdigungen, Gewaltandrohungen und Aufrufe zu Straftaten.
Die Polizei reagiert bei Straftatbeständen konsequent
Der Staat schaut nicht zu, wie das Internet zum Brandbeschleuniger wird. Respektlosigkeit, Verrohungstendenzen und vorurteilsgeleitete Hasskriminalität betreffen uns alle. Hass und Hetze realisieren unter Umständen Straftatbestände und hier agiert die Polizei konsequent.
In sechs von zehn Fällen wird die verantwortliche Täterschaft erfolgreich ermittelt. Eine Anonymität in der digitalen Welt gibt es also nicht und die Ermittler tun alles, um das Entdeckungsrisiko hochzuhalten. Das ist wichtig, denn Hass und Hetze verursachen beim Adressaten Einschüchterung oder Angst und führen so zu Verhaltensänderungen. Eigene Kommentare werden beispielsweise bewusst weniger angreifbar formuliert oder unterbleiben ganz – eine Schweigespirale kann entstehen.
Der öffentliche Diskurs kann damit manipuliert oder vollständig unterbunden werden. Wenn Menschen sich aus Angst vor Angriffen zurückziehen und parallel extreme Ansichten in den Vordergrund treten, verarmt die Meinungsvielfalt. Skrupellose Demagogen dominieren dann den Diskurs und die Demokratie gerät in Gefahr.
In Baden-Württemberg setzt die Landesregierung dem ein ganzes Maßnahmenbündel entgegen. Mit dem Kabinettsausschuss „Entschlossen gegen Hass und Hetze“ unter dem Vorsitz von Innenminister, Thomas Strobl, und dem Einsatz der Koordinierungsstelle Präventiv und offensiv gegen Hasskriminalität Antisemitismus und Extremismus wurde ein strategisches Instrument zur Bekämpfung von Hass und Hetze installiert.
Task Force gegen Hass und Hetze
Eine der ersten Maßnahmen des Kabinettsausschusses war die Einrichtung der Task Force gegen Hass und Hetze beim Landeskriminalamt. Sie koordiniert die Zusammenarbeit von staatlichen Organisationen aus den Bereichen Bildung, Gesellschaft, Medien und Sicherheit, kooperiert aber auch mit einer Vielzahl zivilgesellschaftlicher Institutionen.
Hierzu gründete sie die Initiative Toleranz im Netz und stellt unter dem gleichnamigen Onlineportal relevante Informationen für Betroffene, Bildungs- und Hilfsangebote sowie spezifische Meldestellen zur Verfügung. Gemeinsames Ziel aller Akteure ist es, nachhaltig und ganzheitlich Bedrohungen im Zusammenhang mit Hass und Hetze zu erkennen und diesen mit geeigneten Maßnahmen konsequent entgegenzutreten. Unsere Kampagnen sind inzwischen preisgekrönt, unter anderem mit dem Spotlight Award 2023 in Gold und dem Deutschen Preis für Onlinekommunikation 2024, was belegt, dass wir am Puls der Zeit und auf der Linie der wichtigen Zielgruppen agieren.
Mit diesen Maßnahmenpaketen tragen wir gezielt dazu bei, die Bekämpfung von Hass und Hetze als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu etablieren. Die Bündelung und Verstärkung staatlicher Expertise in Kombination mit dem vielfältigen Potenzial zivilgesellschaftlicher Institutionen leistet einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung von Hass und Hetze. Denn gemeinsam lauter sein als der Hass, kann eben doch funktionieren und war nie wichtiger.
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