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Grundsteuer: Die Kläger sehen die Verfassung dreifach verletzt
STUTTGART. Vor 20 Jahren hat ein Stuttgarter Ehepaar sich ein älteres Einfamilienhaus mit Garten gekauft, als Daseinsvorsorge für das Alter, wie die heutigen Rentner sagen. Doch das sieht das Ehepaar, das anonym bleiben möchte, durch die neue Grundsteuer gefährdet.
Ihre Belastung für die Doppelhaushälfte aus den 1930er-Jahren mit großem Garten würde von 200 Euro pro Jahr auf 2875 Euro steigen, haben sie mit den Musterdaten des Finanzministeriums und den Angaben aus ihrem Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheid errechnet. Das entspreche einer kompletten Monatsrente. Zudem würden sie gewissermaßen dafür bestraft, dass sie mit ihrem Garten eine Fläche unterhalten, die zum Natur- und Klimaschutz beitrage.
Finanzministerium bleibt bei Klagen gelassen
Das Rentnerpaar hatte sich deshalb entschlossen, sich als Musterkläger für ein Verbändebündnis aus dem Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg, Haus und Grund Baden und Württemberg sowie dem Verband Wohneigentum zur Verfügung zu stellen. Sie sehen die Rechte vieler Hauseigentümer verletzt.
Ihre Klage ist bereits beim Finanzgericht Baden-Württemberg eingereicht. Das zuständige Finanzamt hat inzwischen dem Sprungverfahren, das die erste Instanz auslässt, zugestimmt. Eine weitere Musterklage haben die vier Organisationen Mitte Januar auf den Weg gebracht, zwei weitere sollen folgen. Damit sollen die verschiedenen verfassungsrechtlichen Bedenken der Verbände einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. So sehe man durch die ausschließliche Ausrichtung der Steuer an Fläche und dem Wert des Grundstücks das Gleichheitsprinzip verletzt, so der Geschäftsführer des Steuerzahlerbundes im Südwesten, Eike Möller. Auch das Äquivalenzprinzip und das Leistungsfähigkeitsprinzip würden im neuen Grundsteuergesetz nicht berücksichtigt.
Die Grundsteuer B ist neben der Gewerbesteuer die bedeutendste direkte Steuer für Städte und Gemeinden. Für manche Kommunen in Baden-Württemberg sei sie sogar wichtiger als die Gewerbesteuer, heißt es beim Städtetag. Das gilt in der Regel für kleinere kreisangehörige Städte und Gemeinden.
Im Jahr 2021 nahmen alle Kommunen im Südwesten zusammen rund 1,85 Milliarden Euro durch die Grundsteuer B ein. Zum Vergleich: Aus der Gewerbesteuer kamen netto Einnahmen von 7,6 Milliarden Euro in die Kommunaletats.
Seitens des Landes gibt man sich ob der Klagen derzeit gelassen. „Rechtsexperten haben unser Modell geprüft und seine Verfassungskonformität bestätigt“, erklärt eine Sprecherin des Finanzministeriums.
Ein anderer wichtiger Punkt ist der Zeitplan: Weniger gelassen geht die Landtagsopposition dabei mit dem Thema Grundsteuer um. Weil noch immer rund ein Drittel aller Grundsteuererklärungen nicht abgegeben ist, aber die Landesregierung eine Fristverlängerung wie in Bayern ablehnt, spricht SPD-Finanzexperte Nicolas Fink von einer „Trotzreaktion zulasten der Steuerzahlenden.“
Städtetag hält längere Fristen für problematisch
Dabei hängt das Land selbst noch weit mehr mit den Grundsteuererklärungen hinterher als Bürger und Unternehmen. Von 6900 erforderlichen Erklärungen für landeseigene Grundstücke waren bis vergangene Woche gerade einmal zehn Prozent abgegeben, wie das Finanzministerium gegenüber der Stuttgarter Zeitung bestätigte.
Während die Bundessteuerberaterkammer und Haus und Grund Stuttgart fordern, die Frist genau wie der benachbarte Freistaat zu verlängern, lehnt das Haus von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) dies ab. Das Finanzministerium hat aber die nächsten Wochen bis Ende März zur Kulanzfrist erklärt, während die Finanzämter noch keine Sanktionen verhängen werden.
Auch von kommunaler Seite sähe man eine weitere Fristverlängerung kritisch. „Dann wird es für die Kommunen langsam eng“, erklärt Susanne Nusser, die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetags Baden-Württemberg.
Denn Städte und Gemeinden müssen die Hebesätze festlegen, die die endgültige Höhe der Grundsteuer für jede Immobilie bestimmen. Für die Kalkulation brauche es aber eine ausreichende Zahl von Messbescheiden, sagt Nusser. Und der Hebesatz muss vom Gemeinderat beschlossen werden.
Sollten die Kläger in der letzten Instanz recht bekommen, stehen die Kommunen aber noch vor einem größeren Problem. Denn dann gäbe es ab 2025 möglicherweise keine Grundsteuereinnahmen mehr.