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Fünf Fraktionschefs – fünf Perspektiven

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz will alle Potenziale für Solarenergie nutzen

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz erwartet schwierige Haushaltsverhandlungen. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und die Klimakrise sind weitere Herausforderungen.
PV-Anlagen an der Bundesstraße

Auch entlang von Bundesstraßen könnten Photovoltaikanlagen errichtet werden – das ist ein Ziel des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz.

dpa/Jens Niering)

Staatsanzeiger: Sie haben gesagt, das zweite Jahr wird eine Bergetappe. Wo wird es besonders schwierig?

Andreas Schwarz: Bei einer Bergetappe muss man als Radler alle Kräfte bündeln, sich fokussieren und mit Konzentration und Durchhaltevermögen durchhalten. Der erste Anstieg ist der Haushalt. Der zweite die Auswirkungen von Putins Angriff auf die Ukraine, von der Unterbringung der Flüchtlinge bis zur Abfederung der Gaskrise. Und der dritte Teil der Etappe ist die Klimakrise, deren akute Auswirkungen wir gerade zu spüren bekommen.

Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen

Foto: Lena Lux

Beim Landeshaushalt übersteigen die Wünsche der Ministerien den geplanten Umfang des kommenden Doppelhaushalt um ein Vielfaches.

Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben. Zugleich müssen wir Vorsorge treffen für Dinge, die wir heute noch nicht planen können. Deshalb haben wir einen Risikopuffer für allgemeine Preissteigerungen und einen Anstieg der Energiepreise hinterlegt. Das ist auch richtig. Denn wir wissen noch nicht, wie sich die Steuereinnahmen entwickeln werden. Zum anderen bietet unser Koalitionsvertrag eine gute Grundlage, um Kurs zu halten und Baden-Württemberg gut für die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.

Das heißt?

Wir investieren in Bildung, Klimaschutz, Forschung und Entwicklung und in den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein 80-Millionen-Klimaschutzpaket brachte die Haushaltskommission unter Dach und Fach. Hinzu kommen 150 Millionen Euro. Mit ihnen machen wir unter anderem die digitale Infrastruktur der Verwaltung fit und erleichtern elektronische Behördengänge. Mit den anderen politischen Schwerpunkten setzen sich die Verhandler in der Sommerpause auseinander.

Grüne und CDU haben jeweils ihre Kernthemen, die sie gerne umsetzen möchten. Wo wird man einsparen müssen?

Die Ressorts müssen sparen – da kann sich keiner wegducken! Investieren werden wir in den Bereichen, die im Koalitionsvertrag auch hinterlegt sind. Das ist ja unser Arbeitsprogramm.

Aber wird das noch alles möglich sein, wenn die Einnahmen deutlich einbrechen?

Klar ist, dass die angemeldeten Wünsche der Ressorts mit über acht Milliarden Euro in dieser Größenordnung nicht finanzierbar sind. Wir müssen Prioritäten setzen. Ich sehe die Priorität in den beschriebenen vier Themen, die Baden-Württemberg wirklich weiterbringen.

Lesen Sie alle Debatten des Landtag auf unserer Themenseite „Debatten im Landtag“.

Beim Klimaschutz ist ein wichtiges Thema der Ausbau der erneuerbaren Energien. Dennoch geht es da bislang nicht so vorwärts wie gewünscht. Wird die Situation in einem Jahr anders aussehen?

Wir haben einige wichtige Maßnahmen ergriffen. Wir beschleunigen die Genehmigungsverfahren durch das Abschaffen des Widerspruchverfahrens. Bislang konnten Bürger zunächst Widerspruch gegen eine Windkraftanlage bei der Behörde einleiten und danach den Rechtsweg beschreiten. Durch die Änderung verkürzt sich das Verfahren um ein Jahr. Zudem haben wir mit den Regionalverbänden vereinbart, dass sie zwei Prozent der Fläche für Photovoltaik und Windkraft ausweisen. Wir werden das auch gesetzlich absichern. Zudem sind wir dabei, eine Photovoltaikoffensive zu starten. Denn ich habe mir eins vorgenommen: Die Dächer zu Tankstellen für Solarenergie zu machen! Außerdem wollen wir weitere Potenziale nutzen.

Zum Beispiel?

Nehmen wir die Auf- und Abfahrten der Bundesstraßen. Da finden Sie häufig in der Mitte viel Grünfläche. Diese Flächen eignen sich hervorragend für Photovoltaik. In Baden-Württemberg gibt es allein 600 solcher Anschlussstellen. Die Hälfte davon kann für PV genutzt werden. Damit können 180 Gigawattstunden Leistung erbracht werden. Das sind umgerechnet rund 51 000 Haushalte, die damit versorgt werden können. Ungefähr die Zahl an Haushalten einer Stadt in der Größe von Ulm.

In Baden-Württemberg sind die Grünen seit elf Jahren an der Regierung. Erst jetzt gibt es die PV-Pflicht für Wohngebäude. Hätte man da nicht früher mehr Druck machen müssen?

Ja. Ich kann mich noch gut an die Verhandlungen 2020 vor der Landtagswahl erinnern. Damals hat sich unser Koalitionspartner CDU noch gegen die PV-Pflicht gewehrt. Nun steht sie im Klimaschutzgesetz und wir müssen darüber hinaus weitere Flächen für Solaranlagen identifizieren. Ich wünsche mir, dass das nun zügiger geht und ärgere mich, dass es oft so lange dauert.

Durch die Gaskrise bekommt der Wärmebereich eine große Dringlichkeit.

Der Krieg in der Ukraine und die einseitigen Abhängigkeiten führen uns vor Augen, wie wichtig es ist, dass wir uns unabhängig machen. Da gibt es Versäumnisse in der Vergangenheit. Jetzt haben wir für einen Umstieg schon die Instrumente wie etwa die kommunale Wärmeplanung. Aber das kann nicht so schnell umgesetzt werden. Das sehe ich sehr wohl. Im Neubau ist das wesentlich einfacher als im Bestand. Mehr Energieeffizienz, mehr erneuerbare Energien sind die beste Verteidigung gegenüber autokratischen Regimen. Energiepolitik und erneuerbare Energien sind inzwischen eine Frage der nationalen Sicherheit.

Das Neun-Euro-Ticket kommt gut an, nicht zuletzt, weil es über den eigenen Verkehrsverbund hinaus gilt. Welche Rückschlüsse ziehen Sie daraus für den ÖPNV der Zukunft?

Der ÖPNV der Zukunft funktioniert in einem Dreieck. Und zwar in einem Dreieck von gutem Angebot, Qualität und einem attraktiven Preis. Das 9-Euro-Ticket hat dazu beigetragen, dass viele Menschen jetzt den öffentlichen Verkehr nutzen. Die gute Nachricht ist: Das Neun-Euro-Ticket geht, das Ein-Euro-Ticket aber kommt im nächsten Frühjahr mit dem landesweiten Jugendticket.

Wie muss es nun weitergehen? Durch Homeoffice sind Monatstickets, wie sie bisher angeboten wurden, meist unattraktiv, da sie im Verhältnis zu teuer sind. Ein Angebot wie das 9-Euro-Ticket derzeit hingegen wird genutzt.

Das ist ein berechtigter Punkt. Ich wünsche mir, dass die Verkehrsbranche auf das geänderte Arbeitsverhalten reagiert und ein entsprechendes Tarifangebot macht. Da ist mehr Flexibilität angesagt. Der Vorschlag der Verkehrsbranche für ein 69-Euro-Monatsticket ist charmant. Ich wünsche mir, dass der Bund hier auch mitzieht, sodass man das auch umsetzen kann.

Fünf Fraktionschefs – fünf Perspektiven

Im zweiten Jahr der Legislaturperiode stehen neben der Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie neue Herausforderungen an: Die Inflation und die Energiepreiskrise machen Haushaltsplanungen schwierig. Die Steuereinnahmen werden vermutlich nicht mehr so sprudeln wie bisher, zugleich soll es etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien, dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft nun sehr schnell gehen.
Das sind die Herausforderungen, vor denen Andreas Schwarz steht. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg macht bei den Staatsanzeiger-Sommerinterviews den Anfang. In der kommenden Woche ist Andreas Stoch (SPD) an der Reihe.

Sommerinterviews

Der Staatsanzeiger will von allen fünf Fraktionsvorsitzenden wissen, wie sie die Landes- und die Bundespolitik beurteilen. Lesen Sie alle Sommerinterviews!

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