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Fünf Fraktionschefs - fünf Perspektiven

Manuel Hagel: „Ein gemeinsames Ziel, ein gemeinsamer Weg“

Manuel Hagel will „Reichsbürgern“ etwas entgegensetzen, die Demokratie stärken und dabei stets sachlich bleiben. Die Herausforderungen seien groß, aber genauso die Motivation der Landesregierung.

Die CDU-Fraktion will den Katastrophenschutz auch mit Blick auf die zahlreichen Einsätze aufgrund von Extremwetterereignissen stärken.

dpa/BeckerBredel)

Staatsanzeiger: Sie haben gesagt, die Bundesrepublik hätte eine bessere Regierung verdient. Ob Klima, Atomkraft oder Schulden: Auch die grün-schwarze Koalition streitet sich über Kleinigkeiten, der Opposition zufolge gibt es sogar kaum Gemeinsamkeiten. Hat auch Baden-Württemberg eine bessere Regierung verdient?

Manuel Hagel: Baden-Württemberg hat eine Regierung, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Eine, die vertrauensvoll zusammenarbeitet, gerade dann, wenn es darum geht, politisch zu handeln. In diesen Zeiten kommt es auf Verlässlichkeit, Stabilität und Vertrauen an. Dafür steht diese Regierung und dieses Versprechen haben wir den Menschen in diesen bewegten Zeiten gegeben.

Manuel Hagel,

Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion

Die Koalition hat vieles angekündigt, doch läuft manches schleppend. Oft hat man den Eindruck, Gemeinsamkeiten seien aufgebraucht.

Wir haben im ersten Jahr die größte Wahlrechtsreform der Landesgeschichte umgesetzt, wir haben das modernste Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, das die Bundesrepublik bis heute kennt. Wir arbeiten bereits an einer Weiterentwicklung, um es noch besser zu machen. Wir erstellen einen Doppelhaushalt, der ohne neue Schulden auskommen wird. Von daher hat diese Regierung in ihrem ersten Jahr eine Menge geleistet und wir werden in den nächsten vier Jahren gleichtun.

Sie sprachen voriges Jahr davon, dass es eine Staatsreform brauche. Ist diese dringlicher geworden oder steht nun die Krisenbewältigung vorne an?

Wir können uns nicht mehr aussuchen, um welche Krisen wir uns kümmern, wir müssen uns um alle gleichzeitig kümmern und auch dafür Sorge tragen, dass sie sich nicht gegenseitig verstärken. Damit uns das gelingt, muss vieles auf den Prüfstand gestellt werden, um einen modernen und handlungsfähigen Staat zu gewährleisten. Wir haben in der Corona-Pandemie oft gesehen, dass es schneller ging, wenn wir Standards angepasst und Hemmnisse abgebaut haben. Dem tragen wir nun mit der Enquetekommission Krisenfeste Gesellschaft Rechnung. Wir müssen Verwaltungsprozesse, Entscheidungshierarchien, Zuständigkeiten, Planung, Vergabe und Genehmigungen überprüfen. In all das muss mehr Tempo rein. Wir wollen, dass staatliche Ebenen vernetzt sind – von Bund, Ländern, bis zu Kreisen und Kommunen.

Das dürfte aber noch dauern.

Wichtig ist, dass wir uns auf den Weg machen. Wir haben ein gemeinsames Ziel, einen gemeinsamen Weg. So lässt sich das am Ende auch wirkungsvoll gestalten. Man muss auf Krisen schnell, flexibel und wirkungsvoll reagieren. Das heißt, in Katastrophenfällen braucht es ein abgestimmtes Verfahren und abgestimmte Wege. Das haben wir im Übrigen aus Krisen der jüngsten Zeit gelernt, etwa mit Blick auf die Hochwasserflut im Ahrtal.

Es gibt immer mehr Menschen, die den Staat infrage stellen. Geht die Politik mit solchen Gefahren zu sorglos um?

Wir haben mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und unserer Landespolizei Top-Behörden, die sich mit aller Entschiedenheit solchen Extremisten entgegenstellen. Als Gesellschaft und als Politik brauchen wir hier feine Sensoren. Wir müssen auch diejenigen, die unserem Staat ein Gesicht geben, besser schützen. Ich denke da an unseren öffentlichen Dienst.

Also klare Kante zeigen.

Absolut. Wenn sogenannte Reichsbürger mit bizarren Methoden wiederholt Verwaltungen lahmlegen, müssen wir sicherstellen, dass diese Personen dies zukünftig nicht mehr tun können. Wir haben da auch eine Verantwortung für die Mitarbeiter, dieser müssen wir gerecht werden. Wir prüfen gerade die Einführung eines Demokratiestärkungsgesetzes, das solche Dinge in den Blick nehmen soll. Denn was da geschieht, ist doch eine Form der Diskriminierung staatlicher Instanzen und ihrer Mitarbeiter.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft beklagt Personalengpässe – trotz viel gelobter Einstellungsoffensive. Wie wollen Sie gegensteuern?

Wir müssen den Weg der Einstellungsoffensive fortsetzen, wir dürfen nicht nachlassen, sondern weiter Tempo machen.

Wie – und wann – geht es mit dem Freiwilligen Polizeidienst weiter?

Der Freiwillige Polizeidienst leistet einen wertvollen Beitrag. Wir stehen deshalb hinter dessen Fortführung und Weiterentwicklung. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Arbeitsgruppe wird jetzt zeitnah die Arbeit aufnehmen.

Wie wollen Sie die Feuerwehren auf zunehmende Wald- und Flächenbrände vorbereiten? Experten fordern etwa geländegängige Fahrzeuge und leichtere Einsatzkleidung.

Wir haben in jüngster Vergangenheit oft gesehen, wie wichtig der Bevölkerungsschutz ist. Der Katastrophenschutz im Land ist vor allem eines: Er ist ehrenamtlich getragen. Es braucht höchste Wertschätzung für diese Arbeit der Helfer. Wir werden daher leistungsfähige Strukturen unterstützen und ausbauen. Dafür werden wir im Haushalt ausreichend Mittel bereitstellen. Doch allein damit ist es nicht getan. Das ist eine Aufgabe für dieses Jahrzehnt. Wenn sich Aufgaben verändern, muss die Ausstattung sich mit verändern.

Das DRK schlägt Alarm, dass es aufgrund vieler coronabedingter Personalausfälle temporär zu längeren Wartezeiten im Rettungsdienst kommt. Erschwert wird die Situation auch durch längere Anfahrten aufgrund personalbedingter Aufnahmestopps in Kliniken. Wie lange geht das noch gut?

Da kann ich leider keine verlässliche Vorhersage treffen. Was wir aber sehen, ist, dass unser Gesundheitssystem mit Blick auf die Intensivbetten nicht an der Grenze des Leistbaren ist. Diesmal begegnet uns das Problem von der anderen Seite. Viele Mitarbeiter sind in Quarantäne. Das Sozialministerium arbeitet an Konzepten für den Herbst und Winter. Hilfreich wäre, wenn die Bundesregierung in die Gänge kommt und uns den ganzen Instrumentenkasten bereitstellt. Leider trägt die Bundesregierung die Verantwortung nur vor sich her.

Aber braucht es nicht unabhängig von Corona mehr Personal in Kliniken? Viele Mitarbeiter sind längst über der Grenze der Belastbarkeit.

Da müssen wir dringend an Lösungen arbeiten. Wir erleben das im Bereich der Pflege, in Krankenhäusern, aber auch in der frühkindlichen Bildung. Es gibt viele Menschen, die mit viel Motivation und Idealismus in den Beruf starten. Doch eine große Zahl übt den Beruf dann nicht länger als zehn Jahre aus. Das hat was mit den Rahmenbedingungen zu tun, nicht nur mit der Bezahlung. Da liegt die rechtliche Zuständigkeit bei der Bundesregierung. Wo wir als Land einen Beitrag leisten können, werden wir das tun.

Etwa, indem das Land mehr Studienplätze für Mediziner bereitstellt?

Da darf es keine Denkverbote geben. Wir wollen die Quote für Medizinplätze im ländlichen Raum nochmals erhöhen. Und wenn wir sagen, es gibt keine Denkverbote, dann gehören auch diese Bereiche zweifelsohne dazu.

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