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Bernd Gögel: „Windräder nur da, wo der Wind auch weht“
Staatsanzeiger: Die AfD grenzt sich in Sachen Corona nicht konsequent von der Querdenkerszene ab. Diese wiederum grenzt sich nicht konsequent von Rechtsextremisten ab. Hat sich die AfD die Entscheidung des Verfassungsschutzes, sie unter die Lupe zu nehmen, nicht selbst zuzuschreiben?
Bernd Gögel: Fangen wir mit den Querdenkern an. Das klingt nach einer geschlossenen Gruppe. Die sehe ich nicht. Angefangen hat es damit, dass Menschen auf die Straße gegangen sind, um gegen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Das ist ihr gutes Recht und es hätte auch den Abgeordneten der anderen Parteien gut angestanden, mit diesen Menschen zu reden. Ein Politiker muss wissen, was die Menschen denken. Die Behauptung, dass alle Querdenker Demokratiefeinde sind, ist falsch. Wenn Organisatoren sich zweideutig oder auch tatsächlich verfassungsfeindlich äußern, dann ist das nicht nur moralisch zu verurteilen, sondern auch juristisch.
Bernd Gögel,
Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag
Teilen Sie die Ansicht Ihres Fraktionskollegen Daniel Lindenschmid, wonach wir in Baden-Württemberg kein wachsendes Problem mit dem Rechtsextremismus haben?
In der Tat: Wenn wir in die Kriminalstatistik schauen, dann sieht man, welche Zahl deutlich angewachsen ist: die der linksextremistisch motivierten Straftaten.
Wenn bei Corona-Demonstrationen QAnon-Jünger mitlaufen: Wird dann nicht doch eine Grenze überschritten?
An QAnon zu glauben, ist ja keine Straftat. Einem Glauben hinterherzulaufen, ist nichts Verwerfliches.
Aber es gab QAnon-Jünger, die in den USA das Kapitol gestürmt haben.
Das ist eine Straftat, die gerichtlich geahndet werden muss.
Derzeit beherrscht ein anderes Thema die Diskussion: die drohende Gaskrise. Wozu rät die AfD?
Wir verstehen die endlose Diskussion um die Verlängerung der Laufzeiten nicht. Das sind in Baden-Württemberg elf Prozent der Stromerzeugung. Wenn das am 1. Januar wegfällt, haben wir ein Riesenloch. Ein zweiter Punkt: Es ist durchaus möglich, Gaskraftwerke umzustellen auf Kohle und Öl – mit einer Korrektur des Immissionsschutzgesetzes. Da muss die Genehmigung erteilt werden. Und das muss schnell geschehen.
Der Ministerpräsident hat Sie kürzlich als Schoßhunde von Putin bezeichnet, weil die AfD Putins Vorschlag, übergangsweise Gas über Nord Stream II zu liefern, gutgeheißen hat. Weshalb distanzieren Sie sich nicht deutlicher von einem Diktator, der einen verbrecherischen Angriffskrieg gegen ein Nachbarland führt?
Wenn eine Pipeline gewartet werden muss und der Lieferant gewillt ist, weiterhin zu liefern und es gibt eine zweite Leitung, dann sehe ich darin kein Politikum. Das ist eine pragmatische Lösung. Dann muss man das Gas übergangsweise durch diese Leitung laufen lassen.
Der Bau von Nord Stream II hatte aber, wie wir inzwischen wissen, noch einen anderen Zweck: So konnte Putin die Ukraine sorgloser angreifen.
Ich bezweifle, dass Putin bei der Planung von Nord Stream II schon an den Krieg gegen die Ukraine dachte. Jene deutschen Politiker, die in den vergangenen 20 Jahren das Sagen hatten, müssen bei der Abhängigkeit vom Gas an die eigene Nase fassen. Sie sind davon ausgegangen, dass es in Europa keine kriegerischen Konflikte mehr gibt und dass Russland ein zuverlässiger Lieferant ist. Sie gehörten der Union, der SPD und der FDP an.
In der AfD gibt es Stimmen, die das Ende der Russland-Sanktionen fordern. Was halten Sie davon?
Wir halten die Sanktionspolitik für falsch, weil mit Sanktionen noch nie ein Konflikt gelöst wurde. Dennoch können wir Putin jetzt nicht auf halbem Weg entgegenkommen. Das ist keine Politik. Das ist Erpressbarkeit. Wir müssen versuchen, ohne russisches Gas auszukommen. Wir müssen fragen: Wie kommen wir über den nächsten und vor allem über den übernächsten Winter? Wir müssen auch erneuerbare Energien ausbauen. Allerdings Windenergie nur da, wo Wind weht, nämlich offshore im Norden. Und wir müssen Leitungen in den Süden legen. Dafür brauchen wir ein Sondervermögen – und nicht für die Bundeswehr.
An der Spitze der Landespartei stehen seit Kurzem zwei Personen, die Positionen vertreten, die auch für AfD-Verhältnisse kaum als gemäßigt bezeichnet werden können. Ist Ihnen wohl dabei, wenn der eine der Landtagspräsidentin abspricht, angesichts ihrer türkischer Herkunft über deutsche Geschichte zu sprechen? Und der andere Sprüche rauslässt wie: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet.“
Wenn mir dabei nicht wohl wäre, würde ich kaum noch hier sitzen. Für mich ist entscheidend, dass ich mit meinem Fraktionskollegen Emil Sänze politisch sehr gut zusammenarbeiten kann, pragmatisch, sachlich. In den meisten Politikfeldern haben wir Deckungsgleichheit. Der Spruch von Herrn Frohnmaier, den Sie zitieren, war Siegesgeheul nach einer gewonnenen Wahl. Das würde ich nicht überbewerten. Er ist als junger Mann in die AfD gekommen. Er hat schon sehr viel erreicht für die kurze Zeit. Ich werde seinen Weg begleiten.
Noch einmal nachgehakt: Markus Frohnmaier war Bundeschef der AfD-Jugendorganisation. Emil Sänze wird dem völkisch-nationalen Lager zugeordnet. Damit liefern Sie dem Verfassungsschutz doch Munition. Müssten Sie nicht wie Jörg Meuthen die Reißleine ziehen?
Ich müsste Meuthen folgen, wenn sich unsere Inhalte änderten. Wenn wir tatsächlich den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen würden. Ich muss es aber nicht, wenn ein junger Mann in Jubelgeschrei ausbricht. Im Übrigen habe ich eine dezidierte Meinung zum Verfassungsschutz. Und nicht erst, seit Herr Maaßen ausgewechselt wurde. Mir scheint so, dass dieser Dienst die Regierung schützt und dass immer weniger kritische Meinungen zugelassen werden. Und was Herrn Sänze angeht: Er ist ein Patriot. Einem völkisch-nationalen Lager würde ich ihn nicht zurechnen.
Die AfD hat zuletzt vor allem im Osten Erfolge gefeiert. Hat sich die AfD im Westen politisch überlebt?
Das will ich nicht hoffen und glaube es auch nicht. Man darf Schleswig-Holstein nicht als Maß der Dinge nehmen, nachdem wir dort aus dem Landtag rausgeflogen sind. Das ist anderen Parteien auch schon passiert. Wir haben ja nicht nur für unsere politischen Überzeugungen zu kämpfen, sondern auch gegen diesen Aktionismus, der gegen uns aufgebaut wird.