Die Brandmauer und das österreichische Menetekel

Die Landtagsfraktionen sind in Klausur gegangen. In politisch unruhigen Zeiten erstatten sie Bericht. Johanna Henkel-Waidhofer und Michael Schwarz haben mitgeschrieben.

FDP-Landes- und Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke muss befürchten, dass seine Partei bei den anstehenden Wahlen unter die Räder kommt.

dpa/Bernd Weißbrod)

Stuttgart. „Wir sind das Powerhaus der Koalition“, sagt Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz am Freitag in Stuttgart und führt zum Beleg den Zulauf zum Bürgerempfang im Konstanzer Konzil mit fast 600 Besuchern an. Vor allem aber argumentiert Schwarz mit den gefassten Beschlüssen, allen voran, „um die Kommunen zu entfesseln“.

Vorgeschlagen wird eine Änderung der Gemeindeordnung, um hohe Anfangsinvestitionen in die Wärmewende kreditfinanziert zu ermöglichen. Ein Drittel der CO2-Emission stamme aus den Wohngebäuden, so der Grüne, 70 Prozent der Energiekosten in den privaten Haushalten seien Heizungskosten. Zugleich hätten sich bereits 630 Kommunen im Land konkret mit Fragen der Wärmeplanung befasst, in 160 liege sie bereits vor. Außerdem schlägt Schwarz einen Infrastrukturfonds vor, um „dringend notwendige Investitionen überjährig und langfristig verbindlich“ zur Verfügung zu stellen. Eine Idee allerdings, der CDU-Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel in einer ersten Reaktion eine Absage erteilt. Er will stattdessen über Effizienz und Standardabau reden, verlangt, „in die Hände zu spucken und die Ärmel hochzukrempeln“.

Die „zehn Punkte der Zuversicht“ der CDU

Grundsätzlich formulierte die CDU-Fraktion „zehn Punkte der Zuversicht“ an die künftige Bundesregierung, gerade weil die Interessen Baden-Württembergs „für die Ampelkoalition irrelevant waren“. Eine starke und funktionierende Wirtschaft sei „Basis für alles“, so Hagel weiter, „am Ende auch für soziale Gerechtigkeit“. Viele Menschen hätten große Sorgen „und genau darum, müssen wir uns um einen echten Politikwechsel kümmern“. Ein Begriff habe die Klausur geprägt: „enkelfähig“. Dieser Begriff solle „für uns Christdemokraten im Südwesten auch das Jahr und das Jahrzehnte prägen“, denn er treffe den Nagel auf den Kopf. Konkret wird eine Unternehmenssteuerreform, der Verzicht einer Überfüllung von Vorgaben der EU und des Bundes gefordert und dass tatsächlich mehr Wohnungen gebaut und nicht nur Ziele formuliert werden.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wiederum bekräftigt am Donnerstag seine Forderung nach „einer bürgerlichen Wende“ und kündigte an, dies in den kommenden Monaten „für alle Politikbereiche auszubuchstabieren“. Unter anderem verlangt er ein Ende der „The Länd“-Kampagne. Die sei peinlich, sagte Rülke und warb stattdessen für eine Kampagne „Komm in die Innenstadt“ zur Belebung von Zentren. Mit Blick auf die Landtagswahl 2026 plädiert die FDP für den Ausbau des Wirtschaftsministeriums zu einem umfassenderen Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur mit deutlich erweiterten Zuständigkeiten: „Wirtschaftspolitik muss in der Arbeit der Landesregierung wieder den Stellenwert bekommen, der eines herausgehobenen Standorts wie Baden-Württemberg würdig ist.“

Die SPD diskutierte unter anderem, wie die Anstrengungen beim Klimaschutz verstärkt werden können. Ein thematischer Schwerpunkt war die Bildungspolitik. Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch, früher selbst Kultusminister, plädiert für einen Ausbau der Kitas. „Es ist eine Schande, dass in einem Land wie Baden-Württemberg nach wie vor 60.000 Kitaplätze“ fehlen, so Stoch. Mit einem Volumen von 20 Millionen Euro pro Jahr solle das Land für die Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze sorgen und den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zu einer Sieben-Stunden-Garantie bis 2032 umbauen. Zudem will die SPD ein sogenanntes Pflegegehalt für pflegende Angehörige, das sich am Mindestlohn orientiert – nach dem Vorbild des Burgenlands.

Die AfD hatte drei Themen bei sich auf der Tagesordnung. Sie will das Bauen erleichtern, die Wirtschaft wieder in Schwung bringen und eine Aufblähung des Landtags verhindern. Ihr Fraktionschef will dabei der Klimapolitik ein Ende machen – Deutschland sei ohnehin nicht in der Lage, etwas gegen die Erderwärmung zu tun. Und wenn wir das Erdöl nicht abnähmen, würden dies andere tun – mit noch schlechteren Folgen für die Umwelt. Auf dem Wohnungsmarkt sei die Lage dramatisch. Deshalb habe seine Fraktion bei ihrer Frühjahrsklausur ein Sechs-Punkte-Programm verabschiedet. Die Grunderwerbsteuer soll ausgesetzt, die steuerliche Absetzbarkeit gestärkt, Darlehen zinsgefördert, die Eigenheimzulage eingeführt, Denkmale leichter heruntergestuft und die Baustandards gesenkt werden. Beim Thema Heizung soll es nur noch darum gehen, was wirtschaftlich ist. Die Photovoltaikpflicht soll fallen.

Die AfD will Überhang- und Ausgleichsmandate abschaffen

Auch die Wirtschaft will die AfD entlasten, unter anderem durch die Streichung der CO2-Steuer und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Eine „aktivierende Grundsicherung“ soll dafür sorgen, dass niemand sich dauerhaft auf der sozialen Hängematte bequem macht. Außerdem hat die AfD eine Idee, wie ein „XXL-Landtag“ verhindert werden kann. Ohne Überhang- und Ausgleichsmandate erreiche der Landtag im AfD-Modell seine Sollgröße von 120 Abgeordneten. Dies würde auch bedeuten, dass nicht mehr automatisch jeder Wahlkreissieger in den Landtag einzieht. Eine Sonderregel soll jedoch vermeiden, dass einzelne Wahlkreise ohne Abgeordneten bleiben.

Baron kommentiert auch die aktuellen Ereignisse in Deutschland und der Welt. Zur Aussage von Alice Weidel in einem Gespräch mit Elon Musk, wonach Adolf Hitler ein Kommunist gewesen sei, merkt er an, es komme nicht darauf an, „ob er rechts oder links war. Er war ein Mörder, er war ein geisteskranker Mann.“ Zur Diskussion über die Berichterstattung von Correctiv über die Potsdam-Konferenz meint er, dass dies „eine der historisch größten Lügengeschichten aller Zeiten“ gewesen sei und dass dies nun auch vor Gericht bewiesen werden dürfte. Und über die aktuellen Entwicklungen in Österreich, wo Herbert Kickl „von unserer Schwesterpartei FPÖ“ mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, sagt er, er gehe davon aus, dass Ähnliches bald auch in Deutschland geschehe.

Überhaupt war die innenpolitische Lage in Österreich Thema bei allen Parteien. Rülke befürchtet, dass in Deutschland Koalitionen mit der AfD denkbar werden: „Wenn es nicht gelingt, nach der Bundestagswahl eine Bundesregierung in einem politischen Lager zu bilden, „dann kann ich für die Zukunft nicht garantieren, dass die Brandmauer für alle Ewigkeiten steht“. Regierungen müssten auch ohne die Grünen gebildet werden, für die FDP gebe es „unter gar keinen Umständen eine Zusammenarbeit mit der AfD“. Stoch wiederum kritisierte, dass sich die Liberalen größer machten, als sie eigentlich seien. Österreich sei „als Mahnung zu verstehen“ und solle „uns allen Mahnung sein, dass rechtsradikale Kräfte niemals an die Macht können dürfen.

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