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Forschung

Hochschule Ludwigsburg: Wie unscharf der Begriff der Remigration ist

Die Frage der Migration und Remigration bestimmt in diesen Wochen die politische Debatte in Deutschland und den Bundestagswahlkampf. Ende Januar wurde sie auch Gegenstand einer Tagung an der Hochschule für Finanzen und öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg.

Nach Ansicht von Wissenschaftlern ist der Begriff Remigration durch die politische Vereinnahmung in Misskredit geraten, obwohl er eine lange Tradition hat. Foto: IMAGO/Daniel Kubirski

IMAGO/Daniel Kubirski)

Ludwigsburg. Bereits zum zwölften Mal erörterten dort Wissenschaftler verschiedener Disziplinen das Thema aus ihrer Sicht.

Ziel der Veranstalter Christian Majer und Jörg Dürrschmidt war es, „einen durch politische Vereinnahmung in Misskredit geratenen Begriff ausgewogen in interdisziplinärer und internationaler Perspektive zu hinterfragen“, wie es in einer Mitteilung der Hochschule heißt. Rektorin Iris Rauskala zufolge ist der Begriff in der Forschung seit langem in Gebrauch und hat Remigration im Sinne von Rückwanderung eine lange Tradition.

Beweggründe für die Rückkehr ins Heimatland sind sehr verschieden

Dürrschmidt zeigte die Unschärfe des Begriffs auf: Er wird als Synonym für Rückkehrmigration wie auch für nochmalige Migration oder Weiterwanderung benutzt. Ihm zufolge sind von der Rückkehrmigration keine großen Impulse für den gesellschaftlichen Wandel zu erwarten. Denn das individuelle Innovationspotential der Rückkehrer verliere „im aufreibenden Prozess des Wiedereinfindens in einen nicht mehr vertrauten heimatlichen Alltag an Wirksamkeit“, wie es in der Mitteilung heißt.

Claudia Olivier-Mensah von der Internationalen Hochschule Mainz hat Motivlagen von Migranten untersucht, die an Programmen der ‚freiwilligen Rückkehr‘ teilnahmen. Demnach gibt es ein breites, teils widersprüchliches Spektrum an Gründen für deren Einwilligung. Die Betroffenen sollten eine Rückkehr in Würde erleben können – indem die professionelle Rückkehrbegleitung in die Herkunftsregionen verlagert werde.

Majer erörterte juristische Grenzen der erzwungenen Remigration oder Rückführung, wie es in der aktuellen Debatte heißt. Die Ausbürgerung, Ausweisung und Abschiebung muss nach dem Grundgesetz auf individuelle Merkmale wie Straftaten, verfassungsfeindliche Aktivitäten, Arbeitsmarktbeteiligung abstellen, allein aufgrund der Herkunft oder der Religion sind sie nicht zulässig.

Entscheidend sei nicht, ob Remigration stattfinden solle – sondern von wem. Eine Ausbürgerung sei, abgesehen von einer durch Drohung, Bestechung oder Täuschung erreichten Einbürgerung, nur zulässig, wenn die Betroffenen noch eine andere Staatsangehörigkeit hätten und Umstände von einigem Gewicht vorlägen.

Hendrik Hansen von der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung ging auf die ‚Remigration‘ als Kampfbegriff rechtspopulistischer und -extremer Parteien ein, die die Ideologie des Ethnopluralismus vertreten.

Der Begriff sollte Rechtsextremen nicht überlassen werden

Diese proklamieren eine Trennung verschiedener Völker mit je eigener Identität, wenden sich so gegen den Universalismus der Menschenrechte – und fordern die Rückführung ganzer Volksgruppen. Anders als die Betonung des Abstammungsprinzips im Staatsangehörigkeitsrecht sei das rechtsextrem, führte Hansen aus.

Die Frage der Migration und damit auch Rückkehrmigration werde heiß diskutiert, so das Resümee der Tagung. Dem müsse sich die Wissenschaft stellen. Der Begriff ‚Remigration‘ als Sammelbegriff berge eine gewisse analytische Unschärfe.

Und eine kontextsensible Analyse müsse ihn durch präzisere Begriffe wie ‚Rückkehrmigration‘ oder ‚Reemigration’ ersetzen.Doch bleibe er in der Wissenschaft ein gängiges Synonym für ‚Rückkehrmigration‘. Diskursverschiebungen in der Politik und Missbrauch durch Rechtspopulisten und -extreme dürften nicht dazu führen, den Begriff wissenschaftlich zu tabuisieren. (sta/crim)

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