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Flüchtlinge: Land und Bodenseekreis einig über Kostentragung
FRIEDRICHSHAFEN. Knapp zwei Jahre lief der Rechtsstreit mit dem Land Baden-Württemberg. Der Bodenseekreis forderte die Erstattung von Kosten für die Aufnahme Geflüchteter im Jahr 2016. Parallel zur Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen reichte der Landkreis 2021 sogar einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ein. Inzwischen hat man sich per Vergleich geeinigt: 475 000 Euro muss der Bodenseekreis an die Landeskasse überweisen. Doppelt so viel hatte das Land in Rechnung gestellt. Dafür macht der Bodenseekreis keine weiteren Ansprüche im Jahr 2016 geltend.
Es ging um die Spitzabrechnung für die Unterbringungskosten. Mit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 stieg die Zahl der Menschen, die Asyl begehrten und Schutz in Deutschland suchten, enorm an. Allein in Baden-Württemberg kamen 2015 nach Angaben des Innenministeriums rund 83 000 Asylsuchende aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes in die Stadt- und Landkreise, mehr als die Hälfte davon im vierten Quartal. 2016 waren es rund 49 500. Sie hatten alle Mühe, binnen kurzer Zeit für die Menschen ein Dach über dem Kopf zu finden.
Pauschale erschien vielen Landkreisen zu niedrig
Für jede untergebrachte Person zahlte das Land anfangs eine einmalige Pauschale von knapp 14 000 Euro. Ein Betrag, den viele Stadt- und Landkreise als zu gering kritisierten. Denn oft mühsam aufgebaute Kapazitäten in Unterkünften standen 2016 teilweise schon wieder leer, konnten aber oft nicht von heute auf morgen wieder abgestoßen werden, wenn sie langfristig angemietet oder extra gebaut wurden. So blieben die Fixkosten fast so hoch wie 2015, aber das Land zahlte weiter nur pro Kopf.
Auf Druck unter anderem des Landkreistags lenkte Innenminister Thomas Strobl (CDU) im Mai 2017 ein und versprach, dass das Land die tatsächlichen angefallenen Kosten für die vorläufige Unterbringung mit einer nachlaufenden Spitzabrechnung erstatten wird. Es habe sich erwiesen, dass die Pauschalabrechnung nicht gut funktioniere, weil dabei Unter- und Überkompensationen entstünden.
Grundlage für diese Spitzabrechnung sind nach Angaben des Ministeriums für Justiz und Migration alle Kosten, die den Stadt- und Landkreisen im Rahmen der vorläufigen Unterbringung entstanden sind. Dabei seien „selbstverständlich die haushaltsrechtlichen Regelungen und insbesondere der Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten“.
Genau an dieser Stelle kam es offenbar zum Dissens, der in den Rechtsstreit mündete. Aus der Sicht des Landes habe der Bodenseekreis für das Jahr 2016 insgesamt rund 950 000 Euro zu viel an Vorausleistungen für nicht erstattungsfähige Positionen erhalten, begründet das Ministerium auf Anfrage die Rückforderung. Konkret hatten Kreis- und Landesbehörde unterschiedliche Ansichten „zur Vorgehensweise bei der anteiligen Kürzung von sogenannten Kosten für Fehlbeleger“, schreibt das Ministerium.
Laut Asylgesetz müssen Geflüchtete mit Bleibeperspektive spätestens nach zwei Jahren aus den Gemeinschaftsunterkünften raus und in die Obhut der Städte und Gemeinden. Doch vielerorts gab es zu wenig Wohnraum für die Anschlussunterbringung. In Konstanz oder im Rems-Murr-Kreis etwa wurde dann eine Fehlbelegungsabgabe an den Landkreis fällig. Der Bodenseekreis hingegen verzichtete darauf, obwohl hier einige Kommunen ihrer Aufnahmepflicht nicht ausreichend nachkamen. So kam es zur Nachforderung des Landes von 950 000 Euro, die der Landkreis nicht zahlen wollte. Im April dieses Jahres schlug das Verwaltungsgericht Sigmaringen den Parteien schließlich den Vergleich vor, auf den beide Seiten wenige Tage später eingingen.
Der Bodenseekreis ist nicht der einzige Landkreis, der – gemessen an den tatsächlichen Kosten – zu viel erhalten hat und Gelder ans Land zurückzahlen muss. Seit der Einführung des aktuellen Abrechnungsmodus wurden bisher drei Jahre (2015 bis 2017) final abgerechnet, erklärt das Ministerium auf Anfrage. Die Abrechnung für 2018 stehe kurz vor dem Abschluss.
Land muss nach Spitzabrechnung deutlich mehr an Kreise überweisen
Per Saldo muss das Land nach der Spitzabrechnung jedoch deutlich mehr an die Landkreise nacherstatten. Damit steigen die Landeskosten für die Unterbringung Geflüchteter bis 2018 um knapp 750 Millionen Euro zusätzlich zu den bis dahin geleisteten Pauschalen und Vorgriffszahlungen. Für das Jahr 2015 entstanden der Landeskasse demnach Zusatzkosten von 88 Millionen Euro. Für 2016 belief sich der Betrag unterm Strich auf 149 Millionen Euro und für 2017 sogar auf knapp 196 Millionen Euro. Aus der Spitzabrechnung des Unterbringungsjahres 2018 resultieren für das Land per Saldo Nacherstattungsverpflichtungen in Höhe von fast 298 Millionen Euro, so ein Sprecher des Ministeriums.
Quelle/Autor: Katy Cuko