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FDP sagt ja zu Rülke und nein zur Kettensäge

Die CDU hat schon einen, die SPD auch, nun folgt die FDP: Hans-Ulrich Rülke heißt ihr neuer Partei- und Fraktionsvorsitzender. Weniger begeistert reagierten die Delegierten auf dem Landesparteitag in Fellbach auf den Begriff "Kettensäge": Er wurde nach einer überraschenden Kontroverse aus dem Leitantrag gestrichen.

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Stuttgarter Landtag, Hans-Ulrich Rülke, ist nun auch Parteivorsitzender der Liberalen im Südwesten.

dpa/Sandy Dinkelacker)

Fellbach. Zum ersten Mal seit 1996 legt die Südwest-FDP ihre zwei wichtigsten Ämter wieder in eine Hand: Dem Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag Hans-Ulrich Rülke ist vom Landesparteitag am Sonntag in Fellbach mit 84,9 Prozent der Stimmen auch der Landesvorsitz übertragen worden. Zum Hauptgegner bei den anstehenden Wahlen im Februar im Bund und 2026 im Land hat der 63-Jährige die Grünen erklärt. Die müssten „aus der Landesregierung verschwinden“.

Weil der bisherige Landeschef Michael Theurer zur Bundesbank wechselte, war seine Position frei geworden. Der Reutlinger Bundestagsabgeordnete Pascal Kober, der selber mit der Nachfolge geliebäugelt hatte, schlug Rülke als neuen Vorsitzenden vor. Er habe gezeigt, dass er die FDP zu Erfolgen führen könne. Und er sei „ein anerkannter, von manchen gefürchteter Debattenredner“.

Hiervon hatte sich die Delegierten in der Fellbacher Schwabenlandhalle da schon überzeugen können. Der Landtagsfraktionschef nutzte seinen Rechenschaftsbericht nicht nur für eine Generalabrechnung mit dem „Gerade-Noch-Bundeskanzler“ Olaf Scholz, sondern auch mit den Grünen im Land und der gesamten Ära von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. 2026 müsse es zu einem politischen Wechsel im Land ohne Grüne kommen, denn die seien „politisch Irrende“. Rülke stellte eine „bürgerliche Bewegung“ in Aussicht und das Ende „linksgrüner Ideologie“. Die FDP wolle, „dass 2026 das Jahr wird, in dem Winfried Kretschmann in den wohlverdienten Ruhestand tritt und die Grünen in die wohlverdiente Opposition“.

Rülke will Reformen „mit der Kettensäge“ angehen

Insgesamt nannte er die 2010er-Jahre „ein Jahrzehnt linksgrüner Ideologie in Deutschland“. Nun brauche es eine Wirtschaftswende, Leistung müsse sich wieder lohnen. Die nötigen Reformen müssten „mit der Kettensäge und nicht mit der Nagelschere“ angegangen werden. Historische Aufgabe der FDP sei, „die Herrschaft der Staatsgläubigkeit zu verhindern“.

Überhaupt spielte die Kettensäge in Fellbach eine bemerkenswerte Rolle. Mark Hohensee, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen, hatte ein Modell des Weltmarktführers aus dem nahen Waiblingen mitgebracht, wurde damit aber nicht in die Halle gelassen. Eine große Rolle spielt das Utensil dennoch auf dem Parteitag unter dem Motto: „Alles lässt sich ändern“. Und Generalsekretärin Judith Skudelny erklärte in ihrer Rede, sie sei schon öfter gefragt worden, ob die Kettensäge das richtige Symbol sei. Bürokratieabbau brauche die Kettensäge, bejahte die Stuttgarter Rechtsanwältin zwar, aber: „Wir werden kein Kettensägenmassaker veranstalten, sondern Schutzanzüge anziehen und die Bedienungsanleitung lesen.“

Mehrheit streicht Begriff der „Kettensäge“ aus dem Leitantrag 

Überraschend wollte eine Mehrheit der Delegierten dieser Relativierung aber nicht folgen: In einer mehrfach überprüften Abstimmung in den Nachmittagsstunden wurde der Begriff der „Kettensäge“ im Leitantrag des Landesvorstands getilgt und durch die Formulierung „Bürokratie konsequent reduzieren“ ersetzt. Andere Forderungen aus dem Leitantrag „Wirtschaftswende jetzt!“ wurden von den knapp 400 Delegierten nach stundenlanger, sehr ins Detail gehender Diskussion gebilligt. Verlangt wird unter anderem, Arbeitszeiten zu liberalisieren, Steuern zu senken, Tariftreue- und Mindestlohngesetze zu kippen und die Zumutbarkeitsregelungen für Bürgergeld-Bezieher weiter zu verschärfen.

Wegen des Abgangs von Michael Theurer mussten mehrere Nachbesetzungen bis zur nächsten turnusmäßigen Wahl des Landesvorstands in einem halben Jahr vorgenommen werden. Das herausgehobene Amt des Ersten stellvertretenden Landesvorsitzenden, bisher von Rülke bekleidet, übernahm Kober, dem 78 Prozent der Delegierten ihre Stimme gaben. Ins Präsidium mit 82,4 Prozent wurde Benjamin Strasser gewählt, der frühere Justizstaatssekretär der Berliner Ampel, gewählt.

Der neue Landesvorsitzende kündigte an, die Partei ebenso zu führen wie die Fraktion. Die Aufgabe sei ihm „eine Herzensangelegenheit“, so Rülke. Führung bedeute für ihn, „einen Weg aufzuzeigen, aber nicht diesen Weg von oben zu dekretieren, sondern ihn nur zu gehen, wenn die Abgeordneten überzeugt sind“. Und er glaube, dass dies auch die richtigen Führungsvorstellungen für die Partei sind.

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