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Ex-Verfassungsrichter Peter Müller: „Man darf die Dinge nicht untern Teppich kehren“
Köln. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter und saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) warnt die Politik davor, schwierige Themen zu umschiffen. „Es macht keinen Sinn, Dinge, die die Menschen bewegen, untern Teppich zu kehren“, sagte er am Dienstag in Köln bei der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbunds, die unter dem Motto „Starker Staat – wehrhafte Demokratie“ stand. Er halte nichts von Brandmauern, Parteiverboten oder dem Versuch, Extremisten per Geschäftsordnung den Zugang zu Ämtern zu verbauen. Demokraten müssten „mit offenem Visier“ kämpfen.
„Die Mehrheit in diesem Land ist nicht ausländerfeindlich“
Nicht jeder Bürger, der Probleme mit Ausländern habe, sei ein Ausländerfeind, nicht jeder, der die EU kritisiere, ein Europagegner und nicht jeder, der die Klimapolitik kritisch sehe, ein Klimaleugner. Diese Menschen überlegten sich nur deshalb, Protestparteien zu wählen, weil sie sich von den traditionellen Parteien nicht mehr ernstgenommen fühlten. Die Mehrheit in diesem Land sei auch nicht ausländerfeindlich oder der Ansicht, „dass der Nationalsozialismus ein Vogelschiss war“.
Die Erosion der Demokratie sei in vollem Gange, warnte Müller, und dies nicht nur in Staaten, wo die Gegner schon an der Macht seien. Die latente Gefahr bestehe auch in Deutschland, wie die vereitelten Anschläge auf den Weihnachtsmarkt in Leverkusen und am Kölner Dom an Silvester zeigten. „Jeder Angriff auf einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes ist ein Angriff auf den Rechtsstaat“, sagte der ehemalige Richter und verwies auf eine aktuelle Umfrage des Deutschen Beamtenbunds, wonach nur noch 27 Prozent der Menschen dem Staat vertrauen.
Müller warnte die Regierenden davor, die selbst gesetzten Regeln zu brechen. Es gebe „keinen Raum für Rechtsvergessenheit“ – und dies gelte nicht nur für Klimakleber oder „Reichsbürger“. Der Staat müsse ein Vorbild sein. Sätze wie „Not kennt kein Gebot“ und „Der Zweck heiligt die Mittel“ passten nicht zur Demokratie. Ebenso wenig wie die Formulierung, die EZB-Chefin Christine Lagarde gebrauchte, als sie noch französische Finanzministerin war: „Wir haben alle Regeln gebrochen, um den Euro zu retten.“
„Das Problem liegt nicht beim Gericht, sondern bei der Regierung“
Müller verteidigte das Urteil zur Schuldenbremse, das er noch selber im November gefällt hatte. Es handele sich um das zweite Urteil des höchsten deutschen Gerichts zur Generationengerechtigkeit, und das Problem liege nicht beim Verfassungsgericht, sondern beim „Verfassungsbruch der Regierung“.
Er kritisierte auch die Personalpolitik. Untersuchungshäftlinge kämen frei, weil die Justiz nicht in der Lage sei, Verfahren in angemessener Zeit zu führen. Die Einstiegsgehälter von Richtern und Staatsanwälten lägen 40 000 Euro unter denen der Großkanzleien. Und die große Pensionierungswelle stehe noch an: In nächsten Jahren gingen 40 Prozent des Personals in den Ruhestand.
Müller mahnte die Politik, das Alimentationsprinzip des Grundgesetzes ernstzunehmen. Den Richtern in Karlsruhe lägen derzeit 40 Klagen wegen Unteralimentation vor. Dabei müsse es doch das Ziel sein, „diese Vorlagen überflüssig zu machen“.
Der ehemalige Richter sprach sich auch für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht aus – weniger im Blick auf die Bundeswehr, als auf die Identifikation mit dem Staat. Demokratie könne nur dann funktionieren, wenn sich jeder einbringe.
Silberbach warnt vor kreativem Umgang mit dem Recht
Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbunds, Ulrich Silberbach, hat bei der Jahrestagung in Köln den Vertrauensverlust der Politik beklagt. Problematisch seien oft nicht die konkreten Entscheidungen, „sondern das Gefühl, dass es viele Verantwortliche nicht allzu genau nehmen mit der Achtung vor dem Rechtsstaat. Jede Nachwuchskraft im öffentlichen Dienst fragt sich doch, ob sie in der Ausbildung etwas verpasst hat, was da lautet ,kreativer Umgang mit dem Recht‘.“