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Interview zur Europawahl

CDU-Spitzenkandidatin Andrea Wechsler: „Es sind große Güter, die wir bewahren müssen“

Andrea Wechsler will Menschen nichts versprechen, was sie nicht halten kann. Sie sucht das direkte Gespräch, um zu Verstehen, was die Menschen umtreibt und sie will Europa mit Haltung und Anstand besser machen - und so ein positiveres Europabild zeichnen.

Andrea Wechsler steht bei der Europawahl für die CDU auf Listenplatz eins. 
Der Professorin für 
Wirtschaftsprivatrecht, liegt die EU am Herzen.

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Staatsanzeiger: Frau Wechsler, wie ist es denn, wenn man sich jeden Tag selber auf dem Wahlplakat sieht?

Andrea Wechsler: Ich freue mich immer, wenn ich nicht nur mich, sondern ganz viele CDU-Kandidatinnen und Kandidaten sehe. Ich komme viel herum und es ist schön zu sehen, wie wir als Team zusammenhalten und in allen Ecken und Orten die Europawahlplakate aufgehängt werden.

Mit Listenplatz eins ist ihre Wahl ins EU-Parlament quasi sicher. Freuen Sie sich auf das Wiedersehen mit der EU-Abgeordneten Monika Hohlmeier (CSU)?

Ja, ich habe sie schon im letzten Jahr öfters treffen dürfen und durch die frühe Nominierung konnte ich auch bereits viele Europaabgeordnete kennenlernen. Und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit der Fraktion.

Sehen Sie sich als Beweis dafür, dass die Frauenquote in der CDU funktioniert?

Zu dem Zeitpunkt, wo wir nominiert haben, war sie faktisch noch gar nicht gültig. Es ist eher ein Zeichen dafür, dass die CDU auch ohne Frauenquote eine hervorragende Liste zusammengestellt hat, mit vielen Frauen.

Seit 2022 sind Sie Vizevorsitzende der Frauen Union Nordwürttemberg. War dies das Zünglein an der Waage für Listenplatz eins?

Mir ist es extrem wichtig, als Frau andere Frauen zu motivieren. Wir wirken als Frauen Union mit, Frauen zu ermutigen politische Ämter zu übernehmen. Diese Position ist mir daher auch sehr wichtig. Am Schluss ist es immer eine Mischung aus Faktoren, die zum Erfolg führt. Dazu gehört Kompetenz, dazu gehört Fleiß in der Partei, es gehören auch die richtigen Themen dazu, aber genauso auch ein Quäntchen Glück und ein gutes Miteinander mit allen in der Partei, nicht nur in der Frauen Union.

Wie kann man denn mehr Frauen in die Politik bringen?

Ich glaube Vorbilder sind ein wichtiges Momentum, positive Rollenbilder und ermutigende Gespräche. Frauen denken eher darüber nach, ob sie sich das zutrauen, ob sie es zeitlich organisiert bekommen. Um den Mut zu haben, ja zu sagen und quasi zu springen, hilft es manchmal zu sehen, dass man nicht alleine ist, dass andere es auch geschafft haben. Ich glaube das ist ein wichtiger Faktor.

Wie dankbar sind sie Rainer Wieland, dass er auf den angestammten Listenplatz 1 verzichtet hat?

Das hat wenig mit Dankbarkeit zu tun. Rainer Wieland ist ein großartiger Europaabgeordneter, der nach vielen Jahren im EU-Parlament für sich entschieden hat, dass er zwar weiter kandidieren möchte, aber den Listenplatz 1 freigibt, um auch eine andere Schwerpunktsetzung zu ermöglichen, um auch einer Frau die Möglichkeit zu geben, zu kandidieren. Ich bin ihm dankbar, dass wir einen so tollen Wahlkampf miteinander führen. Und ich bin ihm auch dankbar dafür, dass wir Schulter an Schulter arbeiten, er mit seiner Erfahrung, ich mit meinen Schwerpunkten und dass wir gemeinsam mit der Liste in den Wahlkampf gehen.

Bei der Europawahl droht ein Rechtsruck. Sehen Sie das Erbe von Helmut Kohl gefährdet beziehungsweise wie kann man verhindern, dass sich in Europa ein Nationalstaat-Egoismus durchsetzt?

Wir müssen in der Tat hart daran arbeiten, dass die europäische Idee und das, was wir als Europapartei auch über Jahrzehnte begleitet haben, bewahrt bleibt und dass wir an den positiven Errungenschaften der Europäischen Union weiterarbeiten. Ich persönlich bin überzeugte Europäerin, die aber auch überzeugt ist, dass wir Europa noch besser machen können, und das ist die große Aufgabe. Wenn wir Politik mit Haltung, mit Anstand, mit Transparenz und Kompetenz machen, können wir es schaffen, Europa in der nächsten Legislatur besser zu machen, und so auch wieder ein positives Europabild in der Bevölkerung zu zeichnen.

Viele Bürger bringen mit der EU vor allem Bürokratie in Verbindung. Was sagen Sie denn einem Handwerker, der sich beklagt, dass er vor lauter Papierkram nicht mehr auf die Baustelle kommt?

Zunächst einmal höre ich ihm zu und ich glaube, das ist etwas, was in den letzten Jahren nicht in dem Ausmaß passiert ist, wie es sich Handwerker, Landwirte, Mittelständler, aber auch Großindustrie und Bürgerinnen und Bürger und auch die Kommunen gewünscht haben. Sie alle sind in unterschiedlicher Form von der Bürokratie betroffen. Ich habe das letzte Jahr intensiv genutzt, ins Gespräch mit ihnen zu gehen, weil ich verstehen will, wo genau die Bürokratie zuschlägt. Das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist, strukturiert, auch auf europäischer Ebene genau diese Belastung und Überbürokratisierung anzugehen. Was ich aber nicht mache, sind Versprechungen, die wir nicht halten können. Ich sage ganz klar auch nicht „ One in, two out“. Aber ich werde mich dafür einsetzen, dass wir Gesetzgebung und Transparenzpflichten konsolidieren, Informationspflichten abschaffen, Berichtspflichten vereinfachen. Aber ob das „ One in, two out“ entspricht, das kann und werde ich nicht versprechen, weil das nicht nur in meiner Hand liegt. Aber ich werde mein Bestes geben, dass wir diese Bürokratie vereinfachen, und zwar so, dass es für die Handwerker, Klein- und Mittelständler auch spürbar wird.

Wo könnte man da ansetzen für einen Handwerker zum Beispiel?

Die Berichts-, Informations- und Transparenzpflichtthematik ist über den Green Deal gekommen. Wir alle wollen ihn umsetzen und etwas für den Klimaschutz machen. Aber ihm ist nicht gedient, wenn die Handwerker und Unternehmen in Berichtspflichten untergehen und sich nicht mehr darauf fokussieren können, wie ein Unternehmen den Klimaschutz verbessern kann. Wir wollen daher die Transparenz- und Informationsberichtspflicht vereinfachen.

Sie setzen sich für einen European Deal ein, was soll der denn bewirken?

Wir haben den Green Deal, der ein klares klimapolitisches Ziel formuliert. Man hat aber zu wenig darauf geachtet, welche Rolle Landwirtschaft, Industrie, Unternehmen und Handwerk für dessen Umsetzung spielen. Mit dem European Deal, dem European Industrial Deal, wollen wir daher gemeinsam mit der Industrie einen Innovations-, einen Technologiepakt schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken und das auch im Bereich nachhaltiger Technologien, um Europa zum Innovationsführer zu machen.

Trotz aller Nachteile, die die EU mit sich bringt: Wieso ist sie für Baden-Württemberg dennoch ein Segen?

Die Europäische Union ist aus einer Kriegssituation in Mitteleuropa entstanden. Ihre größte Errungenschaft ist, dass wir in den letzten knapp 80 Jahren in Frieden, Freiheit, Wohlstand, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leben dürfen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das ist das Ergebnis harter Arbeit vieler Politiker und insbesondere auch der CDU, der Europapartei von Adenauer über Kohl bis hin zu Merkel. Die gemeinsame Währung hat zudem messbare Wohlstandsvorteile für Baden-Württemberger geschaffen. Und das ist etwas, was wir bei allen Klagen, die wir über die Europäische Union haben, immer wieder betonen müssen. Gerade der Binnenmarkt und die gemeinsame Währung haben einen Wohlstandsgewinn für jeden einzelnen von uns in d iesem Land bedeutet.

Ihnen liegt die EU am Herzen.

Für mich ist sie in der Tat ein Garant unserer Lebensform. Es sind ganz große Güter, die wir bewahren müssen. Die Menschen sind in der EU in Vielfalt geeint, das bedeutet, dass wir auch zusammenfinden.

Mit Formaten wie „EU und Du“, versuchen Sie daher gerade auch junge Menschen über Instagram und TikTok zu erreichen. Haben sie den Eindruck, dass Sie gegen Waschbär Pedro ankommen?

Wir haben klar gesagt, der Wahlkampf findet nicht nur analog statt, sondern muss auch in den digitalen Medien stattfinden. Natürlich haben wir da noch nicht ausreichend Präsenz, aber nicht präsent zu sein, ist für uns keine Option, also haben wir einfach begonnen. Und natürlich sind die Algorithmen noch nicht auf unserer Seite und unsere Inhalte nicht in der gleichen Form sensationslustig und interaktiv wie bei der AfD. Aber das ist auch nicht unser Stil. Ich will mit Anstand, mit Haltung, mit einer gewissen Neutralität, mit Kompetenz über Europa informieren. Natürlich kann es mehr werden und natürlich kann es besser werden.

Sie sind verheiratet und Mutter. Wie bekommen Sie all das unter einen Hut?

Das ist Teamarbeit. Es ist heutzutage ein wunderschönes Zeichen, dass man auch als Ehepaar diesen Weg gemeinsam geht und sich gegenseitig unterstützt. Jeder hat seinen Anteil an der Kindererziehung und Betreuung. Für mich ist es ein Segen, dass meine Familie den Weg mitgeht und die Kinder auch gesagt haben: Mama, wenn das dein großer Traum ist, dann unterstützen wir dich, ihn zu verfolgen. Und trotzdem ist es jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung.

Lesen Sie hier ein Porträt über Andrea Wechsler

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