Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Eine Drohne kann die Risiken im Einsatz reduzieren
Stuttgart. Vier Pylonen stehen in einem Quadrat angeordnet auf dem Boden, in deren Mitte eine Drohne. Gesteuert wird diese von einem Feuerwehrmann. Moritz Weber ist ehrenamtlich in der Freiwilligen Abteilung Sommerrain der Feuerwehr Stuttgart aktiv. Dort ist die Sondereinheit Drohne stationiert. Die Einheit verfügt über zwei Drohnen und eine umfangreiche Zusatzausstattung, zum Beispiel über einen großen, transportablen Bildschirm.
Weber ist privat schon lange Drohnenpilot und hat auch beruflich damit zu tun. Er hat daher auch die Entstehung der Drohneneinheit von Anfang an, seit dem Jahr 2019, begleitet – er hat sichtbar Freude an der Fliegerei. Gerade steuert er das recht kleine Drohnen-Modell. Den Joystick trägt er mit einem Gurt um den Hals befestigt vor sich. Langsam hebt die Drohne ab. Die Kollisionslichter blinken, es ist dunkel.
Die Drohne soll die Höhenretter im Einsatz unterstützen
Zuvor wurde der Landeplatz aufgebaut – die vier Verkehrshütchen – und im Kofferraum des Einsatzfahrzeuges wurde der Monitor startklar gemacht. Auch die Ladeinfrastruktur für die Drohnen ist bereit.
An diesem kalten Donnerstagabend soll die Drohne den Höhenrettern der Feuerwache 5 zu Übungszwecken ein Lagebild liefern. Auch soll sie den Einsatzort bei deren Abstieg ausleuchten. Während die Höhenretter auf dem Gelände der ENBW, die der Feuerwehr öfter ihre Gelände für Übungen zur Verfügung stellt, das Treppenhaus eines Gebäudes mit Turm besteigen, wurde unten die Drohne startklar gemacht. Noch bevor sie oben sind, liefert die Drohne ein erstes Bild vom Einsatzort. Aus knapp 60 Metern Höhe blickt man über den Monitor nach unten.
Stuttgarter Drohne hatte ihren ersten Einsatz im Kreis Esslingen
Rund 20 Minuten kann die Drohne in der Luft bleiben. Bei Kälte oder Hitze auch mal weniger lang, denn das schwächt den Akku. Vier Kräfte braucht es für den Einsatz der Drohne, einen Piloten und einen Co-Piloten sowie Assistenten. Auf dem Bildschirm im Fahrzeug sieht man gerade eine Art Terrasse. Aus 55 Metern soll von dort ein Verletzter per Schaufeltrage gerettet werden.
Der erste Einsatz der Drohne der Stuttgarter Feuerwehr fand vor ziemlich genau zwei Jahren in Filderstadt (Kreis Esslingen) statt. Noch vor der offiziellen Indienststellung, wie Manuel Haß von der Branddirektion Stuttgart sagt. Er hat das Projekt auf hauptamtlicher Seite betreut und ist zuständig für die Konzeptionierung und die Einsatztaktik Mitte Februar 2022 wurde die Einheit zu einer Überlandhilfe alarmiert. Die Branddirektion Stuttgart entschied damals in einer Einzelfallprüfung, die Drohne in den Einsatz zu schicken, sagt Haß. Der Übergang von der Einsatztestphase in den Regelbetrieb sei also fließend gewesen.
Auf einer Deponie brannte damals ein Grünschnitthaufen auf rund 800 Quadratmeter Fläche. Bereits auf der Anfahrt wurden luftrechtliche Gegebenheiten durch das Drohnenteam geklärt. Über die Integrierte Leitstelle Stuttgart wurde der Tower des Flughafens Stuttgart informiert. Für den Einsatz gab der Tower eine Aufstiegshöhe von maximal 50 Metern frei. Im Rahmen der Nachlöscharbeiten konnten mit Hilfe der Drohne Glutnester geortet und die Löscharbeiten aus der Luft koordiniert werden. Zudem wurde Bildmaterial angefertigt und für die Einsatzleitung bereitgestellt. Die Kommunikation zur Einsatzleitung wurde durch die Feuerwehr Filderstadt sichergestellt. Bereits nach kurzer Zeit nach dem Flug der Drohne konnte „Feuer aus“ gemeldet werden.
Im vergangenen Jahr hatte die Stuttgarter Drohne 17 Einsätze
2023 hatte die Abteilung Sommerrain gut 100 Einsätze, wie Weber erzählt. Die Drohneneinheit rückte 17 Mal aus. Etwa auch bei der Explosion des Wohnhauses im Stuttgarter Westen vor einem Jahr. Bei Wasserrettungseinsätzen wird die Drohneneinheit von der Leitstelle stets mitalarmiert. Sie ist bei einer Personensuche schneller einsatzbereit als das Feuerwehr-Boot. Ansonsten wird sie von der Einsatzleitung nachgefordert.
Zehn bis 15 Minuten braucht es, bis die Drohneneinheit einsatzbereit ist. Gerade für die erste Lageerkundung ist das Gerät ein Mehrwert, denn die Drohne überblickt den gesamten Einsatzort, eine Perspektive, die dem Einsatzleiter für seine Entscheidung mit Blick auf die Einsatztaktik wertvolle Informationen liefern kann.
Als „erweitertes Führungsmittel“ bezeichnet Haß von der Branddirektion die Drohne deshalb auch. Er befasst sich derzeit in seiner Dissertation damit, inwiefern der Einsatz der Drohnen sich auf die Entscheidungen von den Einsatzleitern auswirkt.
„Eine gute Investition in den Schutz der Bevölkerung“
Haß hat sich auch schon in seiner Masterthesis mit dem Thema Drohnen im Feuerwehreinsatz beschäftigt. Betreut wurde er dabei von Markus Hauser, Abteilungsleiter Einsatz der Berufsfeuerwehr Stuttgart. Die Erkenntnisse, die er zusammengetragen hat, sind mit in das Konzept der Drohneneinheit eingeflossen.
Die Drohne ermögliche dem Einsatzleiter – der sonst am Boden die Lage erkundet, einen Überblick. Durch die Vogelperspektive könne dieser die gesamte Einsatzstelle überschauen, die Anschaffung der Drohnen ist daher aus Sicht von Haß „eine gute Investition in den Schutz der Bevölkerung“. Sachwerte könnten besser geschützt, aber auch Menschenleben gerettet werden. Auch verfügt die Drohne über eine Wärmebildkamera. Die Drohne trage auch dazu bei, für mehr Sicherheit der eingesetzten Feuerwehrleute zu sorgen. Die Risiken könnten so minimiert werden.
Feuerwehr Stuttgart bekommt zwei neue Dohnen
Bislang konnte die Drohne allerdings an vielen Tagen nicht eingesetzt werden. Nämlich immer dann, wenn es regnet oder schneit oder der Wind zu stark war. Demnächst wird die Drohne aber fast 365 Tage im Jahr einsatzbereit sein, denn die Berufsfeuerwehr Stuttgart hat ein neues Modell mit optimierter Technologie angeschafft, das Anfang März offiziell in den Dienst gestellt werden soll.
Zwei Stück wurden gekauft, sie sind wetterbeständiger, die Akkus halten länger, außerdem ist Auflösung der Tageslichtkamera besser, genauso wie die der Wärmebildkamera. Auch der integrierte Scheinwerfer und der Lautsprecher seien qualitativ besser als bisher.
Derweil ertönt bei der Übung ein Piepen. Dieses kündigt an, dass der Akku zu Neige geht. Die Drohne muss also zwischenlanden. Der Akku wird rasch ausgetauscht und auch der Pilot wird ausgetauscht, schließlich sollen alle Mitglieder der Einheit in der Übung bleiben. Der Rekord unter den Kameraden liege bei 500 Flugminuten in einem Jahr.
Umfangreiche Aus- und Weiterbildung ist nötig
Für die Mitglieder der Drohneneinheit ist eine umfangreiche Aus- und Fortbildung notwendig. Gewissenhaftes Arbeiten ist in diesem Bereich wichtig, wie der Sprecher der Branddirektion Stuttgart, Daniel Anand, betont. Daher tausche man sich auch häufiger mit anderen Drohneneinheiten aus.
So nahmen im Herbst etwa mehrere Multiplikatoren der Stuttgarter Drohneneinheit gemeinsam mit Kollegen der Feuerwehr Böblingen an einer Fortbildung der Polizeihubschrauberstaffel teil. Dort sind die Drohnen der Polizei stationiert. Gemeinsam fand ein Austausch zur Taktik und der eingesetzten Technik statt. In einem Praxisteil wurden Technik und Taktiken erprobt. Ziel sei gewesen, die Zusammenarbeit zu verbessern und das Sicherheitsniveau im Einsatz- und Luftraum zu erhöhen, so Anand.
Der Scheinwerfer der Drohne erleichtert den Höhenrettern die Arbeit
Bei der Übung an diesem Abend beträgt die Flughöhe für die Drohne ungefähr 60 Meter. Der Einsatzort liegt in 55 Meter Höhe. Per Funk fragt die Drohneneinheit ab, wie die Lichtverhältnisse durch die Drohne sind. Die Höhenretter funken zurück, dass die Sichtverhältnisse durch das Licht, das der Scheinwerfer der Drohne liefere, wesentlich besser sei. Abgefragt wird auch, wie weit die Höhenretter mit den Rettungsmaßnahmen sind. Das Opfer sei erstversorgt und in der Schleifkorbtrage gesichert, man werde bald beginnen, die Person abzuseilen, man müsse aber zuvor noch eine scharfe Kante sichern.
Für die Drohneneinheit ist das ein geschicktes Zeitfenster, um den Akku noch einmal zu tauschen, damit sie die Einsatzstelle verlässlich ausleuchten kann, sobald der Verunglückte abgeseilt wird. Kurz darauf hört man über den Funk: „Die Drohne ist wieder einsatzbereit“.
Mehr zum Thema: Übung der Höhenretter mit dem Polizeihubschrauber
Zwei neue Drohnen
Die Berufsfeuerwehr Stuttgart stellt Anfang März zwei neue Drohnen in den Dienst. Das neue Modell wird fast 365 Tage im Jahr einsatzbereit sein, da es wetterbeständiger ist. Bis zu 30 Minuten kann die Drohne in der Luft sein, der Akkutausch gehe schneller, als beim alten Modell. Mit der neuen Drohne muss auch das Konzept angepasst werden. Die Feuerwehrleute der Drohneneinheit in der Abteilung Sommerrain müssen auf das neue Gerät eingewiesen werden. Damit hat die Feuerwehr bereits begonnen.
Im Land schaffen immer mehr Feuerwehren Drohnen an. So hat etwa auch der Landkreis Esslingen mittlerweile eine eigene Drohneneinheit, stationiert ist sie bei der Freiwilligen Feuerwehr Kirchheim Teck.