Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Essay

Ein Nebenkriegsschauplatz zeigt den eigentlichen auf

Warum der Ministerpräsident mit dem Kommandeur des Landeskommandos Baden-Württemberg und Bürgern über die Bedrohungslage sprechen sollte. 

Das Wappen vom Landeskommando Baden-Württemberg ist auf einer Bundeswehr-Uniform zu sehen.

dpa/Christoph Schmidt)

Das Landeskommando Sachsen-Anhalt hat einen neuen Kommandeur. Die Zeremonie fand diese Woche in der Staatskanzlei unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) statt. Was das mit Baden-Württemberg zu tun hat? Nicht viel. Hierzulande war der Ministerpräsident aber nicht bei der Übergabe des Landeskommandos, als Thomas Köhring, die Truppenfahne an Kapitän zur See, Michael Giss, übergab. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat Kretschmann vertreten.

Gut zwei Monate später läuft eine haarspalterische Debatte darüber, ob Kretschmann Giss einen Gesprächstermin einräumt, beziehungsweise warum der noch nicht stattgefunden hat. Dem voraus ging eine Bemerkung von Giss beim Streitkräfteempfang der Landesregierung vergangene Woche in Böblingen. Es irritiere ihn, dass es noch nicht zu einem Gespräch mit Kretschmann gekommen sei. Giss war zuvor Kommandeur in Hamburg, er kennt das Geschäft.

Auch beim Empfang ließ Kretschmann sich vertreten. Er nutzte am Dienstag die Regierungspressekonferenz, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Die Schlussfolgerung, dass ihn der Operationsplan Deutschland und die Bundeswehr nicht interessiere, nur weil er noch nicht zum Gespräch geladen habe, sei falsch. Es habe bereits Gespräche gegeben zwischen verschiedenen Akteuren, im März war er selber bei einem dabei.

Die zivile Unterstützung der Bundeswehr ist laut Kretschmann „von eminenter Bedeutung“

Er nehme die Situation sehr ernst. Das Land sei aber nur mittelbar für die Bundeswehr zuständig, nämlich für deren zivile Unterstützung. Die sei „von eminenter Bedeutung“. Daher habe er alle Ministerien angewiesen, an der entsprechenden Arbeitsgruppe unter Führung des Innenministeriums mitzuwirken. Seinen Bezug zur Bundeswehr unterstrich er damit, dass er einer der wenigen MPs sei, die gedient hätten. Doch schaut man auf die Besuche bei der Truppe, ist der Bezug lange her. Das nimmt man in der Truppe wahr. Da glänzt der Ministerpräsident vor allem mit Abwesenheit. Einen einzigen Besuch gab es, wie das Staatsministerium mitteilt, in der aktuellen Legislatur. Es werden nicht mehr, wenn man auf die gesamte Amtszeit blickt.

Es ist unstrittig, dass die Landesregierung das Thema zivil-militärische Zusammenarbeit ernst nimmt, Innenministerium und Landeskommando scheinen gut zusammenzuarbeiten. Das bestreitet auch niemand. Wichtiger aber als der öffentlich ausgetragene Streit darüber, wer wann mit wem gesprochen hat und wer nicht und warum, ist das, was Giss sagt. Allein darauf sollte der Fokus liegen. Man muss das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden.

Wer Giss zuhört, der kommt nicht umhin, zu realisieren, dass sich etwas verändert, vor allem in der Kommunikation des Militärs. Das ist auch notwendig, denn die Bedeutung der Zeitenwende scheint auf vielen Ebenen und schon gar nicht in der Gesellschaft angekommen zu sein. Derweil ist der russische Aggressor nicht untätig. Diese Woche wurden defekte Datenkabel in der Ostsee gemeldet. Der Bundesverteidigungsminister spricht von Sabotage.

Die Gesamtverteidigung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Deutschland muss sich auf die Landes- und Bündnisverteidigung vorbereiten. Denn die Bedrohungslage ist real, die Tatsache, dass wir auf vieles nicht vorbereitet sind, ebenso. Es ist auch nicht verwunderlich nach Jahrzehnten des Friedens.

Käme es zum Bündnisfall, wird Deutschland zur Logistik-Drehscheibe. Was das bedeutet, ist zu vielen nicht bewusst, man spricht auch nicht groß darüber. Auch die Medien nicht. Gesamtverteidigung ist mehr als der Einsatz von Soldaten, sie umfasst Katastrophenschutz, Polizei, Kommunen, Landkreise, jeden von uns. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, vor der wir stehen.

Kretschmann ist da als Landesvater gefragt. Zumal er stets für das Einbinden der Bürger, persönliche Gespräche, dialogische Entscheidungen statt Politik im Hinterzimmer geworben hat. Verteidigung braucht das Verständnis der Bürger. Und dafür sollte Kretschmann werben, gemeinsam mit dem Landeskommando, das erste Ansprechstelle für die Landesregierung in allen Fragen der zivil-militärischen Zusammenarbeit ist. Das geht ohne Nennen von Verschlusssachen und ohne Angst zu verbreiten.

Das Land tut gut daran, die Bevölkerung ausgewogen zu informieren, das Thema zu besetzen, bevor es womöglich andere tun. Man muss den Menschen etwas zumuten und zutrauen, ihre Eigenverantwortung stärken. Das eine geht ohne das andere nicht. Das wirkt auch gegen Desinformation, auf die Putin setzt. Das ist Teil seiner hybriden Kriegsführung.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch