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„Die Hochschule hat mich noch nicht abgeworfen“
Iris Rauskala: Vielleicht nicht unbedingt Glanz, aber auf jeden Fall markiert es die Rückkehr aus der schwierigen Coronapandemie-Zeit, die für alle Hochschulen sehr herausfordernd war. Freilich war ich damals noch nicht Rektorin. 2023 war der Aufbruch in eine Präsenzzeit gleich mit einem Jubiläum verbunden – eine schöne Möglichkeit, verschiedenste Veranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen abzuhalten. Wenn man so will: Ein Comeback nach einer schwierigen Zeit. Und 50 Jahre Verwaltungs- und Ausbildungsreform in Baden-Württemberg sind doch ein guter Grund zum Feiern im Rahmen unserer Möglichkeiten.
Gab es die erhofften Werbeeffekte, etwa bei der Alumni-Bindung?Vor allem das „Fest des Wiedersehens“ für die Hochschule und ihre Alumni verspricht in dieser Hinsicht Erfolg. Ab sofort möchten wir das mit den studentischen Gremien und dem Verein der Freunde der Hochschule regelmäßig machen, weil sich die aktuellen Studierenden ideal mit den Alumni vernetzen können. Auf dem Campus ist ja jetzt auch die neue Außenanlage in Betrieb. Da ergeben sich hervorragende Gelegenheiten zur Zusammenkunft – das tut jeder Hochschule gut.
Bald zwei Jahre sind Sie nun die Rektorin. Wie hat die Hochschule Sie angenommen?Die Hochschule hat mich noch nicht abgeworfen (lacht). Ich fühle mich hier sehr wohl, finde ein sehr interessantes Umfeld vor. Und tagtäglich lerne ich dazu, weil wir sehr eng an die Realität und Praxis der Landes- und Kommunalverwaltung angedockt sind, für die die Hochschule ja ausbildet. Diese besondere Schnittstelle finde ich persönlich extrem interessant. Unsere Herausforderungen sind nicht immer klein, das will ich gar nicht verschweigen
Apropos Herausforderungen. Die Politik hat sich – wieder einmal – dem Bürokratieabbau verschrieben. Wie kann die Hochschule für öffentliche Verwaltung dabei helfen?Es gibt ein großes Netzwerk für bessere Rechtssetzung und Bürokratieabbau, in dem Ludwigsburger und Kehler Expertinnen und Experten mit anderen Hochschulen und enger Anbindung an den Normenkontrollrat zusammenarbeiten. Da bringt die Hochschule Ludwigsburg ihre Expertise ein.
Worum geht es dabei?In einem Rechtsstaat ist der erste Schritt zur Qualität eine gute Rechtssetzung und auch der gute Vollzug. Meist schaut man nur auf den Inhalt der Norm. Da könnte man zwar auch schon oft ansetzen, aber ebenso am Vollzug. Gerade, wenn man vom Föderalstaat her denkt: Wie wird das Bundesrecht in die verschiedenen Landesgesetzgebungen übersetzt? Da könnte man Vieles verbessern.
Und wer soll für diese Verbesserungen sorgen?Es ist das Postulat der Politik, hier Verbesserungen herbeizuführen. Denn die Normenvielfalt, ja -flut, wird immer größer statt kleiner. Bei der Feier zu 50 Jahren Gemeindetag hat der Ministerpräsident aber auch zu Recht ausgeführt, dass die gesellschaftlichen Partikularinteressen einfordern, dass jedes Risiko und jeder Einzelfall einer gesetzlichen Regelung bedarf. Solange dieses Denken sich nicht ändert – und das hat gar nichts mit Gesetzgebung und -umsetzung zu tun, sondern mit der Haltung in der Gesellschaft –, kann man nicht in eine andere Richtung steuern.
Können Sie durch die Ausbildung des Nachwuchses dazu beitragen?Die Studierenden sind sehr verschieden. Viele sind extrem engagiert und wollen generell ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten, bringen sich beispielsweise in die Festivitäten und Aktivitäten der Hochschule ein oder in anderer Form, zum Beispiel in Vereinen. Es gibt natürlich auch die anderen. Und in einer liberalen Gesellschaft kann man niemanden zu seinem Glück zwingen. Das ist auch nicht Auftrag der Hochschule.
Die Zahl der Studienanfänger war 2023 aus Ihrer Sicht nicht befriedigend. Wie sieht es dieses Jahr aus?Da liegen wir wieder besser, die Zahlen scheinen sich zu erholen. Das ist noch kein Signal, zufrieden zu sein. Aber unter Umständen ist der Corona-Effekt überwunden.
Konnten Sie alle Studienplätze besetzen?Das aktuell laufende Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, daher kann man nichts Definitives sagen. Wir stehen in jedem Fall besser da als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahrs.
Das Thema derzeit ist allerorten der Mangel an Fachkräften …Herzaubern können wir sie nicht. Besonders in Baden-Württemberg gibt es einen starkem Wettbewerb um Fachkräfte, Stichwort MINT-Fächer. Das stehen auch die Hochschulen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Der Appell kann daher nur lauten: Gemeinsame Anstrengungen sind nötig, vor allem mit den Kommunen, um interessierte Jugendliche anzusprechen und für ein Studium bei uns zu gewinnen. Irgendwo schlägt der Mangel aber in jedem Fall auf. In der Verwaltung muss es daher auch darum gehen, die Digitalisierung in den Standardprozessen voranzubringen, um bis zu einem gewissen Grad Fachkräfte für höherwertige Tätigkeiten frei zu machen.
Da könnten die ersten Absolventen des jungen Studiengangs Digitales Verwaltungsmanagement – DVM – ja ideal helfen. Werden diese adäquat eingesetzt oder müssen sie eher Lücken füllen?Meines Wissens nicht. Digitalisierung ist aber ein weites Feld und reicht von eher technikorientierten bis zu eher organisationsorientierten Aufgaben. Unsere Absolventinnen und Absolventen finden die volle Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten an ihren Arbeitsplätzen in Kommunen, denn jede Kommune steht an einem etwas anderen Standort und hat spezifische Herausforderungen.
Wie geht es denn mit diesem Studiengang weiter?Wir evaluieren ihn derzeit, gemeinsam mit der Hochschule Kehl, um sein Profil zu schärfen. Zum einen wollen wir uns mit den Kommunen, für die wir ja ausbilden, nochmal abstimmen, ob das Curriculum so richtig aufgesetzt ist und Anteil und Länge der Praxis- beziehungsweise Theoriephasen stimmen. Zum anderen geht es auch um die Abgrenzung zum Studiengang Public Management. Die klare Botschaft für junge Leute lautet in jedem Fall: Verwaltung ist digital. Wenn du einen Beitrag leisten und nicht direkt Informatik studieren willst, ist das ein attraktives Zukunftsfeld mit breiten Einsatzmöglichkeiten und nach oben offenen Berufschancen.
Spielt der Skandal um die Hochschule, um unangemessene Leistungszulagen und Absprachen, noch eine Rolle?Das ist jetzt Jahre her und kein Thema mehr. Unruhe entsteht nur noch, wenn es mediale Berichterstattung dazu gibt. Die Kolleginnenschaft hat sich in beiden Fakultäten seither stark verändert, die Betroffenen sind fast alle im Ruhestand. Deswegen ist ziemliche Beruhigung eingetreten.
Der Frauenanteil in der Professorenschaft ist in Ludwigsburg recht hoch. Erklärt sich das durch die Entwicklung der vergangenen Jahre?Das liegt vor allem an unserer Fächerverteilung. Jura ist in Kombination mit Verwaltung mittlerweile ein weiblich dominierter Bereich. Das ist auch in anderen Wissenschaftsbereichen festzustellen, etwa der Medizin.
Ist das nicht wünschenswert?Eigentlich nicht. denn es ist ja nicht das Ziel, 100 Prozent Frauen zu haben. Gleichstellung bedeutet nicht Benachteiligung der Männer. Unsere Studierendenschaft besteht mittlerweile zu 70 Prozent aus jungen Frauen, da könnte es durchaus wieder etwas männlicher werden. Eine gute Balance, die die gesellschaftlichen Kräfte entsprechend abbildet, wäre wünschenswert. Dazu gehört, was die Verwaltung betrifft, jedenfalls auch mehr Diversität.
Das Gespräch führten
Rafael Binkowski und
Christoph Müller
Zur Person
In Finnland ist sie geboren, in Österreich ist sie zur Schule gegangen und hat sie studiert. Dort war Iris Eliisa Rauskala als Hochschuldozentin, hohe Beamtin und sogar Ministerin einer Übergangsregierung tätig. Als die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin Ende 2021 zur Rektorin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg gewählt wurde, bezeichneten Landesjournalisten das als „Sensation“ und „Paukenschlag“. Schließlich hatte die Spitzenbeamtin vorher weder die klassische deutsche Beamtenlaufbahn absolviert noch überhaupt hierzulande gearbeitet. Mittlerweile übt die Digital- und Bildungsexpertin seit fast zwei Jahren ihr Amt als Rektorin aus; angetreten hat sie es im Mai 2022.