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Interview: Andreas Jung (CDU)

„Die Grünen sind nicht unser Hauptgegner“

Die schlimmsten Befürchtungen sind nicht wahr geworden und nun kann der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung sich in Frankreich sogar eine Koalition der Mitte vorstellen. Auch in Bund und Land zeigt sich der CDU-Bundesvize für viele Konstellationen offen.

Besorgt, was Frankreich und Deutschland angeht, guter Dinge in Sachen Südwest-CDU: Andreas Jung (rechts) trifft Staatsanzeiger-Redakteur Michael Schwarz in Berlin.

Amélie Stark)
Staatsanzeiger: Herr Jung, wie groß war Ihre Überraschung, als Sie vom französischen Wahlergebnis erfuhren?

Andreas Jung: Die Überraschung bei mir wie bei vielen anderen ist in etwa genauso groß wie, dass man praktisch ohne eigenes Tor ins Halbfinale der Fußball-EM kommen kann. Frankreich ist derzeit gut für Überraschungen.

In Paris muss nun eine neue Regierung gebildet werden. Was würden Sie sich wünschen?

Ich wünsche mir, dass es gelingt, eine stabile Mehrheit der breiten politischen Mitte zu zimmern – ohne die radikale Linke und die radikale Rechte, also ohne Mélenchon und ohne Le Pen . Das ist rechnerisch möglich, aber politisch schwierig. Macron braucht jetzt die Konservativen und die Sozialisten, also genau jene Kräfte, die er bekämpfen wollte, als er auf die politische Bühne trat. Das ist schon ein Stück weit eine Ironie der Geschichte.

Jetzt schlägt die Stunde des Parlaments.

Und das ist bei allen Schwierigkeiten doch eine gute Botschaft. Meistens werden bei Parlamentswahlen in Frankreich ja vor allem eben gewählte Präsidenten mit einer Mehrheit ausgestattet. Jetzt geht es darum, Kompromisse zu finden und Mehrheiten zu schmieden. Wenn das in der Mitte gelingt, wird das Parlament gestärkt.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat den Kanzler nach der Europawahl aufgefordert, die Vertrauensfrage zu stellen, um den Weg für Neuwahl freizumachen. Das wäre doch dasselbe Hasard-Spiel geworden wie in Frankreich.

Der Weg, den Macron gewählt hat, war risikoreich. Aber ein „Augen zu und durch“, ein „Weiter so“ kann es doch auch nicht geben. Es verfestigt sich der Eindruck, dass die Dynamik, die Deutschland jetzt dringend bräuchte, einen Aufbruch, dass das von dieser Regierung im nächsten Jahr nicht mehr zu erwarten ist.

Müsste die Union der Ampel in der schwierigen Lage, in der sich die Welt befinden, nicht die Hand reichen?

Wir haben die Hand gereicht, als es um das Sondervermögen für die Bundeswehr ging. Das war für uns kein einfacher Schritt, weil wir sehr auf solide Finanzen achten. In anderen Fällen ist die Regierung aber nicht auf uns zugekommen. Ich bin der Meinung, es wäre in zentralen Themen richtig, dass Regierung und Opposition zusammenarbeiten. Der Weg zur Klimaneutralität ist so eine Frage. Da brauchen Privatleute und Wirtschaft Verlässlichkeit. Es geht ja um Investitionen, die über Generationen tragen müssen.

Wer wird der nächste Kanzlerkandidat der Union?

Das wird im Herbst entschieden. Alles spricht für Friedrich Merz. Er wurde als Parteivorsitzender mit der breiten Mehrheit der Mitglieder gewählt. Er hält als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU die Abgeordneten zusammen. Er steht für die Kompetenz und Klarheit, die unser Land jetzt braucht. Wir sind mit ihm auf einem guten Weg – und den wollen wir weiter gehen. So sehe ich das.

In Baden-Württemberg steuert vieles auf Manuel Hagel als nächsten CDU-Spitzenkandidaten zu. Wie erleben Sie ihn mit seinen Stärken und Schwächen?

Ich erlebe ihn mit seinen Stärken. Es ist ihm gelungen, die Landtagsfraktion stark aufzustellen. Als Parteivorsitzender hat er einen guten Start hingelegt. Er ist in Baden-Württemberg tief verwurzelt und entwickelt die notwendigen Strategien, um unser Land voranzubringen. Die CDU ist im Kommen.

Beim Bekanntheitsgrad muss er aber noch zulegen, wenn er sich mit einem Cem Özdemir messen will.

Als Winfried Kretschmann noch nicht Ministerpräsident war, war er auch noch nicht so bekannt. Das liegt in der Natur der Sache.

Sind die Grünen Ihr Hauptgegner?

Die Grünen sind unser Wettbewerber, aber sie sind nicht Hauptgegner der CDU. Das hat auch Friedrich Merz so nie gesagt. Seine Äußerung seinerzeit bezog sich lediglich auf die Auseinandersetzung mit den drei Parteien innerhalb der Bundesregierung. Der Hauptgegner war immer die AfD. Zu ihr gibt es eine harte Abgrenzung, für die gerade Friedrich Merz den Begriff der Brandmauer geprägt hat. Auch mit den Extremen von links gibt es aus gutem Grund keine Zusammenarbeit. Dazwischen gibt es ein breites demokratisches Spektrum: Mitte, Mitte-rechts, Mitte-links. Dazu gehören FDP, SPD und Grüne. Da wird nichts als Modell ausgerufen, aber auch nichts ausgeschlossen. Das Vorbild dafür ist Hessen. Dort hat Boris Rhein aus einer Position der Stärke Verhandlungen geführt, bei denen es deshalb möglich war, die Handschrift der Union durchzusetzen. Entscheidend dafür: Wir müssen jetzt sehen, dass wir so stark werden wie möglich, statt über irgendwelche Koalitionen zu spekulieren.

Abgeordneter, Landesgruppenchef und Parteivize

Andreas Jung vertritt seit 2005 den Wahlkreis Konstanz im Bundestag. Seit 2016 ist er Vorsitzender der CDU-Landesgruppe, seit 2022 stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender. Bis zum Regierungswechsel in Berlin war er Co-Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, ein Amt, das seither der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid innehat. Der 49-jährige Jurist Andreas Jung ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt auf der Insel Reichenau.

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