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Interview: Frank Rebmann

„Die Einführung der E-Strafakte ist ein Kraftakt“

Frank Rebmann wurde diese Woche im Neuen Schloss feierlich in sein Amt als Generalstaatsanwalt im Bezirk Stuttgart eingeführt, sein Vorgänger Achim Brauneisen verabschiedet. Im Interview spricht Rebmann über aktuelle Herausforderungen und neue Einheiten im Bereich des Staatsschutzes und der Geldwäschebekämpfung.

Frank Rebmann leitet seit April 2024 die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart.

Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart)

Staatsanzeiger:

Herr Rebmann, Sie wurden diese Woche ins Amt eingeführt. Im Dienst sind Sie aber seit Ende April. Sind Sie schon angekommen?

Frank Rebmann:

Das bin ich. Die Bedingungen waren aber auch gut. Brauneisen hat mir eine bestens aufgestellte Behörde hinterlassen mit motivierten und engagierten Kolleginnen und Kollegen, die mich vom ersten Tag unterstützt haben.

Was hat Sie besonders beschäftigt?

Es gibt mehrere Schwerpunkte. Einer war sicherlich die Zusammenarbeit mit dem Generalbundesanwalt und mit den Generalstaatsanwälten der Länder. Da wollte ich nahtlos an die Arbeit von Brauneisen anknüpfen. Dank ihm wurde mir auch – mit einer gehörigen Portion Vertrauensvorschuss – die Leitung der Arbeitsgemeinschaft Extremismus übertragen. Außerdem habe ich alle acht Staatsanwaltschaften im Bezirk Stuttgart besucht, um mit möglichst vielen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Da ging es um die Personalknappheit, die Einführung der E-Akte, oft wurden auch Besoldungsfragen angesprochen. Ich wollte wissen, wo der Schuh drückt.

Bundesweit häufen sich die Sabotagefälle. Werden die auch die Generalstaatsanwaltschaft beschäftigen?

Für Sabotage-Delikte ist in unserem Bezirk die Staatsanwaltschaft Stuttgart zuständig, sofern nicht der Generalbundesanwalt die Verfahren an sich zieht. Allerdings gibt es aktuell konkrete Planungen, ein Staatsschutz- und Antiterror-Zentrum einzurichten. Solle in dem Zusammenhang die Chance ergriffen werden, zugleich Aufgaben und Zuständigkeitsbereich unserer Staatsschutzzentrale auszuweiten, könnte sich das ändern. Würde der Katalog der Straftaten ausgedehnt und in Anlehnung an das, was Staatsschutzzentren in anderen Ländern bereits an Möglichkeiten haben, könnten wir auch in Fällen der Sabotage-Kriminalität ermitteln, sofern der Generalbundesanwalt die Verfahren nicht an sich zieht. Im Justizministerium gibt es entsprechende Überlegungen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn unsere Kompetenzen an der Stelle ausgebaut würden.

Weshalb ist dies nötig?

Bisher können wir uns im Bereich des Staatsschutzes im Wesentlichen nur auf zwei Punkte fokussieren. Der eine betrifft Verfahren, die der Generalbundesanwalt an uns abgibt. Zweitens haben wir gegenüber den Staatsschutz-Staatsanwaltschaften in Karlsruhe und Stuttgart nur eine koordinierende Funktion. Verfahren originär aus dem Staatsschutzbereich können wir also gegenwärtig nicht ohne Weiteres an uns ziehen. Das wäre aber sehr hilfreich, wenn man unseren Kompetenzbereich auch angesichts der aktuellen Herausforderungen in diesem Bereich ausbauen würde. Das würde es uns auch erleichtern, die Zusammenarbeit mit dem Generalbundesanwalt zu vertiefen. Gleichzeitig könnten wir auch die Zusammenarbeit mit den bundesweit sieben Staatsschutzzentren vertiefen und so den Informationsaustausch verbessern.

Bis wann wird darüber entschieden?

Ich hoffe zeitnah, der Handlungsdruck ist groß. Wir haben immer wieder Terror-Anschläge – Solingen, Mannheim und Magdeburg. Das ist dann auch stets Anlass, über Reformen und organisatorische Änderungen im Staatsschutz nachzudenken. Das Innenministerium hat diese Woche das Staatsschutz- und Antiterrorzentrum vorgestellt. Das begrüße ich. Darin werden Polizei, Landesamt für Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaft und der Sonderstab Gefährliche Ausländer zusammenarbeiten, Informationen austauschen und bündeln. Auf polizeilicher Seite gibt es nun außerdem ein strukturiertes und systematischeres Internetmonitoring.

Wie verhält es sich mit Spionagefällen?

Spionage-Delikte gehören primär zur Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und bislang gibt er keine Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaften der Länder ab. Wenn die Zahl der Spionagefälle aber weiter stark ansteigen würde, bestünde durchaus die Möglichkeit der Abgabe.

Es soll auch eine neue ressortübergreifende Einheit zur Bekämpfung der Geldwäschekriminalität geben, gemeinsam mit Steuerfahndung und Landeskriminalamt. Wie soll das aussehen?

Die konzeptionelle Arbeit ist fast abgeschlossen. Sobald eine geeignete Liegenschaft gefunden ist, soll die Einheit unter einem Dach die Arbeit aufnehmen. Sie soll Ermittlungen in Geldwäscheverdachtsfällen übernehmen, und zwar mit einem neuen Ansatz: Follow the money. Bisher erhalten wir eine Verdachtsanzeige, dieser gehen wir dann nach. Typischerweise bekommt man so vor allem die kleineren Finanzagenten, nicht aber die Hinterleute. Das spiegelt ein Stück weit auch die Statistik wider. Man kann zum einen aus ihr herauslesen, dass – seit man den Geldwäschetatbestand 2021 erweitert hat – die Zahl der Verfahren wegen Geldwäscheverdachts bei den Staatsanwaltschaften massiv gestiegen ist. Allerdings wird die überwiegende Zahl der Fälle eingestellt, 2023 wurde bundesweit nur in drei Prozent der Fälle Anklage erhoben. Die Anklagequote beträgt sonst etwa 20 Prozent. Man sieht, es besteht deutlicher Handlungsbedarf.

Gibt es dafür neue Stellen?

Wir bekommen sechs Stellen. Die Personalsituation bei den Staatsanwaltschaften ist nach wie vor derart angespannt, da wäre es unklug, dort Personal herauszuziehen.

Wie viele Stellen fehlen derzeit?

Stand drittes Quartal 2024 haben landesweit 150 Stellen gefehlt. Für den württembergischen Landesteil waren es etwa 80. Die Not wurde innerhalb der Justiz erkannt und die Gerichte haben uns in einem Akt der Solidarität Personal zur Verfügung gestellt. So konnte die Not ein Stück weit gelindert werden. Zudem ist es sehr erfreulich, dass der Haushaltsgesetzgeber trotz knapper Kassen im aktuellen Doppelhaushalt 106 Stellen geschaffen hat, die es in den nächsten zwei Jahren zu besetzen gilt. Dies könnte annähernd zu einer Vollausstattung bei den Staatsanwaltschaften führen. Das dürfte angesichts der vielen Aufgaben, die auf uns zurollen – zum Beispiel die E-Akte – für Erleichterung sorgen.

Bis Ende des Jahres muss die E-Strafakte eingeführt sein. Klappt das?

Am 31. Dezember ist Deadline, wir müssen schauen, dass wir die weiteren Staatsanwaltschaften ausstatten. Das wird sportlich.

Das betrifft auch die Polizei, auch dort muss die Einführung funktionieren.

Ich bin zuversichtlich, weil uns versichert wurde, dass die Polizei sowohl finanziell, personell als auch technisch gut aufgestellt ist. Der Erfolg des Projekts hängt tatsächlich davon ab, dass wir den Weg gemeinsam gehen. Das wird ein wahnsinniger Kraftakt werden, aber gemeinsam können wir es schaffen.

Der Einsatz der E-Strafakte wird künftig dann die Arbeit erleichtern.

Es würde vieles vereinfachen, vor allem weil man alle Akten immer zur Verfügung hat. Und die E-Akte ist die Grundlage für den Einsatz von KI.

Auch bei der Staatsanwaltschaft fällt viel Bürokratie an. Was dagegen tun?

Es wäre schon wichtig, dass sich die Staatsanwaltschaften auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und Straftaten ermitteln und alles an bürokratischer Last hinter sich lassen könnten oder zumindest reduziert würde. Ich glaube, ein erster Gewinn wäre schon darin zu sehen, dass keine neuen bürokratischen Lasten im Sinne von Berichts- und Statistikpflichten eingeführt werden. Den Fokus der Politik auf einem Bürokratieabbau in der Justiz sehe ich noch nicht wirklich. Insofern würde ich mir wünschen, dass man das in der neuen Legislatur systematisch angeht.

Das Gespräch führte Jennifer Reich

Generalstaatsanwalt Frank Rebmann (Mitte) im Gespräch mit seinem Pressesprecher, Oberstaatsanwalt Jan Dietzel, und Politikredakteurin Jennifer Reich.

Zur Person

Frank Rebmann trat im Jahr 1997 am Amtsgericht Heilbronn in den höheren Justizdienst ein und war im Anschluss daran bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn und dem Landgericht Stuttgart tätig. Ab März 2002 war er das erste Mal an das Justizministerium Baden-Württemberg abgeordnet, wo ihm 2004 eine Referatsleitung übertragen wurde. Dort war Rebmann insbesondere mit der Grundbuchamts- und Notariatsreform im Südwesten befasst.

Im Juni 2010 übernahm Frank Rebmann zunächst kommissarisch die Leitung der Staatsanwaltschaft Heilbronn; im Juni 2011 wurde er dort zum Leitenden Oberstaatsanwalt ernannt. Im August 2020 kehrte er als Abteilungsleiter III an das Justizministerium zurück.

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