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Essay

Die Digitalisierung kann nicht erst fünf nach zwölf beginnen

Die richtige Mischung aus Einsicht, Mut und Leidensdruck in der Verwaltung ist noch nicht da, konstatiert Michael Schwarz in seinem Essay.

Das ist doch doof, dass die Digitalisierung einfach keine Fahrt aufnimmt!

dpa/blickwinkel/fotototo)

Man kann es schon nicht mehr hören. Seit Jahren reden Politiker von Bürokratieabbau und Digitalisierung. Und dann geschieht nichts oder nur im Schneckentempo, während gleichzeitig der Standort Deutschland weiter an Boden verliert.

Und die Zukunft verspricht keine Besserung: Da ein Großteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den nächsten Jahren in Ruhestand geht – die berühmten Babyboomer –, wird es bald auch nicht mehr möglich sein, die Arbeit – analog – auf viele Schultern zu verteilen.

Die konkreten Schritte wirken fast hilflos. So stehen im jüngst von der grün-schwarzen Landesregierung verabschiedeten Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/2026 für die landeseigene IT-Oberbehörde BitBW 61 neue Stellen – doch die wollen erst einmal besetzt werden.

Ähnlich wie die 62 Stellen für das Landesamt für Besoldung und Versorgung, das die steigende Zahl der Beihilfeanträge seit Jahren nicht in den Griff bekommt. Dieser Anstieg liegt im Übrigen auch in der Demografie begründet. Die Menschen werden älter, und im Alter wird man öfter krank. Was nichts Gutes verheißt, bedenkt man, dass die größten Pensionierungswellen noch anstehen.

Haushaltsstellen, das weiß man in jenen Behörden, die händeringend nach Personal suchen, sind eben nicht identisch mit den Menschen, die diese Posten auch ausfüllen. Und das gilt nicht nur, aber ganz besonders, wenn es um IT-Fachleute geht.

Insofern ist es durchaus eine Überlegung wert, die IT nach außen zu verlagern. Die Idee dahinter: Da die öffentliche Hand finanziell mit der Privatwirtschaft nicht mithalten kann, kauft sie sich die Leistung ein.

Es gibt Argumente, die dagegen sprechen. Das Thema heißt digitale Souveränität. Die Daten sollen nicht in falsche Hände kommen. Der Beamtenbund fordert etwa, dass Clouds, Server und digitale Infrastruktur so weit wie möglich in staatlicher Hand verbleiben. Nur im Notfall dürften Dritte beauftragte werden.

Die Alternative könnte ein Mittelweg sein: Man tut das eine, ohne das andere zu lassen. Die öffentliche Hand behält die strategische Kontrolle, kauft aber jene Leistungen dazu, bei der die Privatwirtschaft Skaleneffekte erzielen kann. Immer unter der Voraussetzung, dass die Daten nicht auf Abwege geraten – etwa, weil ein US-Geheimdienst die Zugriffsrechte besitzt. Oder Russland oder China Datenspionage betreibt.

Das ist ein schmaler Pfad, verspricht aber möglicherweise mehr Erfolg als die Sonntagsreden und das Online-Zugangsgesetz, dessen Ziel es einmal war, über 6000 Verwaltungsleistungen zu digitalisieren, was bekanntlich alles andere als klappte.

Eine externe Lösung braucht nun auch die Polizei – jedenfalls vorläufig – außerhalb der BitBW. Ausgangspunkt war ein Brand im Landeskriminalamt 2023. Damals suchte die Polizei schnell nach Rechenkapazität und fand diese bei einem privaten Dienstleister. Nun wartet man darauf, dass das Land ein neues Rechenzentrum bekommt. Dann könnten Polizei und BitBW, die beide dem Innenministerium unterstehen, wieder zusammenfinden. Doch selbst dann wird Baden-Württemberg ein kleiner Fisch im großen Digitalisierungsmeer bleiben. Was auch sonst – ist doch ein Land von elf Millionen Einwohnern nicht dafür geschaffen, mit den IT-Riesen mitzuhalten.

Deshalb bleibt der öffentlichen Hand nur die Möglichkeit, ihre Kräfte zu bündeln. Wie wäre es zum Beispiel, wenn es europaweit nur noch eine Regel gäbe, nach der Kfz-Schilder oder Telefonnummern vergeben würden – und ein Gesetz, das dies regelt sowie eine IT-Anwendung für Bürger und Behörden? Okay, das klingt schon sehr nach Utopie.

Wahrscheinlich braucht es eine Mischung aus Einsicht, Mut und Leidensdruck, damit die Digitalisierung doch noch gelingt. Vielleicht wäre es wirklich besser, alle analogen Verfahren – etwa bei der Steuer – komplett abzuschaffen, sobald die digitale Variante funktioniert. Das Gegenargument, dass dann ein Teil der Bevölkerung abgehängt wird, darf nicht gelten. Schließlich können die meisten Großeltern inzwischen auch WhatsApp-Nachrichten lesen und schreiben, weil sie mit ihren Enkeln in Kontakt bleiben wollen.

Also ein bisschen von diesem und ein bisschen von jenem. Und die Hoffnung, dass es helfen möge. Das ist nicht der Masterplan – doch den wird es ohnehin erst geben, wenn es fünf nach zwölf ist. Noch ist der Druck nicht groß genug. Noch nehmen wir es hin, dass man aufs Rathaus geht – und zwar persönlich, nicht virtuell.

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